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Paul Graupe [Editor]; Paul Graupe (Firma) [Editor]; Kunsthandlung Doktor Otto Burchard (Berlin) [Contr.]
Auktion / Paul Graupe, Antiquariat (Nr. 4): Bibliothek Paul Schlenther: Versteigerung am Sonnabend den 5. Mai 1917 — Berlin, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.24344#0009
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PAUL GRAUPE / ANTIQUARIAT / AUKTION IV.

Paul Schlenther war in seiner schriftstellerischen Tätigkeit über-
wiegend, ja fast ausschließlich Kritiker.

Nun gibt es ihrer vermeintlichen Anwartschaft nach im allgemeinen
zwei Arten von Kritikern. Die einen werden auf der Universität vor-
gebildet, verschaffen sich auf Grund eines mehr oder weniger tiefen
Studiums Kenntnis der Literatur der vergangenen Zeiten und halten
sich darnach für berufen, diejenige der Gegenwart zu beurteilen. Die
andern fühlen eine schriftstellerische Ader in sich, produzieren zuweilen
selbst dichterisch und glauben genügend Kenner des Handwerks zu
sein, um in der Oberwelt den Stab des Rhadamanthus zu schwingen.
Wer von ihnen als der echte Kritiker, wer als Bönhase anzusehen ist,
soll hier nicht entschieden werden. Es wird für das Ergebnis wohl
auch hier mehr auf die Persönlichkeit ankommen als auf den Weg,
den einer eingeschlagen hat.

Schlenther stand jedenfalls zwischen beiden. Herangebildet in der
strengen Wissenschaft, ein Schüler Karl Müllenhoffs, Wilhelm Scherers
und Erich Schmidts, war er doch in erster Reihe Schriftsteller, ja der
geborene Journalist. Sein Blick war mehr der Gegenwart als der
Vergangenheit zugewendet. Seinen Arbeiten haftet nicht der Geruch
der Studierlampe an. Gelegentlich ließ er sich sogar dazu herab,
getreu der den deutschen Schriftstellern eigenen Gewohnheit, über die
Philologie, die Methode zu spötteln. Er war beim Schaffen nicht auf
sein Arbeitszimmer angewiesen. Als ich bei unserer gemeinsamen
Herausgabe der Briefe Fontanes an seine Freunde zu einer Erholungs-
reise eine Pause eintreten ließ, begriff er das nicht. Auf meinen Ein-
wand, daß ich nur in meinen vier Wänden arbeiten könnte, erwiderte
er: „Ich kann überall schreiben, am besten auf der Post.“ Systematisches
Studium lag ihm fern. Er folgte durchaus unmittelbaren Impulsen.
Einmal — ich war noch sehr jung — hatte ich mich von einem
Dramatiker, dem vor der Premiere eines seiner Stücke bangte, be-
stimmen lassen Schlenther um Nachsicht zu bitten, deren jener wohl

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