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Grautoff, Otto; Rayski, Louis Ferdinand von [Ill.]
Ferdinand von Rayski — Grotesche Sammlung von Monographien zur Kunstgeschichte, Band 4: Berlin: G. Grote'sche Verlagsbuchhandlung, 1923

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.61214#0070
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Zeit stammen zwei Rehköpfe, von denen einen die Commetersche Kunsthand-
lung in Hamburg aus dem Besitz Einsiedels erwarb.
Graf Einsiedel, ein großer Pferdeliebhaber, unternahm 1862 eine Reise
nach England, um dort Pferde einzukaufen. Er lud Rayski ein, ihn zu
begleiten. Als Sechsundfünfziger hat er also zum ersten Male englischen
Boden betreten, englische Sitten, englische Menschen und englische Kunst
kennen gelernt. Irgendeinen entscheidenden Einfluß konnte in diesem Alter
die Reise nicht mehr auf ihn gewinnen. Das Ergebnis trat rein äußerlich
in Erscheinung in einer Reihe von Pferde- und Reiterbildnissen, auf denen
in Tieren und Menschen englische Typen in Erscheinung treten, wie in dem
Pferde auf einer Wiese, in dem Pferd und Raucher bei Oskar Skalier, in dem
Reiter im Hofe in der Privatsammhmg I und in dem Trompeter, den einst Graf
Einsiedel besaß und der heute, nachdem er durch verschiedene Hände gegangen
ist, Eigentum eines Berliner Pferdeliebhabers ist. Er erwarb das Bild des
Motivs, aber nicht des Künstlers wegen. Während von 1862 an die Zahl
der jährlichen Arbeit immer geringer wurde und in einigen Gemälden
sich schon Alterserscheinungen geltend machten, hat Rayski 1863 noch ein
großes Bild von ungewöhnlicher Frische und Farbenfreudigkeit geschaffen,
das wie die feierlichen Bildnisse seiner glücklichsten Periode seinen Namen
durch die Geschichte tragen wird: Die Wildschweine in der Dresdener
Galerie. Das Bild ist in einem Zornausbruch über das Mißlingen eines Bild-
nisses prima mit breiten Pinselstrichen in einigen Stunden auf die Leinwand
geworfen. Rayski sollte als Gegenstück zu Theodor Wilhelm von Boxberg
seine Frau Clara in weißem Kleide malen. Das Porträt gelang ihm nicht.
Da riß ihm eines Morgens die Geduld. Er drehte die Leinwand in die Breite
und übermalte die halbfertige Arbeit mit dieser „Schweinerei“, wie er sich
ausdrückte: Ein Keiler verfolgt durch vertrocknetes Schilf und Gestrüpp eine
Bache. Vor dem Original erkennt man noch heute unter dem Schilf und
den Tierleibern das darunter angelegte Bildnis. Vor diesem Gemälde möchte
man beklagen, daß Rayski nicht häufiger solchen Temperamentsausbrüchen
nachgegeben hat, die ihn auch in kleineren Ölstudien der Sammlung Schurig
in Dresden zu glücklichen Resultaten geführt haben.
Im allgemeinen arbeitete Rayski schon in den sechziger Jahren unter
allerhand Hemmungen, war nie mehr mit seinen Arbeiten zufrieden, ver-
besserte, übermalte und nahm dadurch manchen Bildern die ursprüngliche
Frische. In die Jahre 1864—1868 fallen drei von ihm begonnene Entwürfe
zu einem Bildnis von Frau Christine E. von Schönberg in Herzogswalde.
Er vollendete keinen der Entwürfe, nahm alle unfertig mit nach Dresden

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