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Grill, Erich
Der Ulmer Bildschnitzer Jörg Syrlin d.Ä. und seine Schule — Heidelberg, 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.73233#0009
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Die freie Reichsstadt Ulm1, wie sie stolz aus dem scheiden-
den Mittelalter aufragt und die kommende Neuzeit grüßt, er-
scheint wie geschaffen zu einem Nährboden deutscher Kunst.
Ihre günstige geographische Lage, ihre beherrschende politische
Stellung, ihre äußere Geschichte und innere Verfassung erheben
sie zum wirtschaftlichen und geistigen Mittelpunkte des ge-
segneten Schwabenlandes. Uralte Heeres- und Handelsstraßen
kreuzen sich hier. Die eine folgt dem Lauf der Donau, deren
blaue Fluten die Mauern der starken Befestigungen bespülen,
gen Osten durch Ungarn bis zu der genuesischen Stadt Kaüa
am Schwarzen Meer. Ein anderer führt über Konstanz und
Basel nach Mailand und Genua. Beide empfahl Kaiser Sigis-
mund den deutschen Kaufleuten, als er in den Jahren 1415,
1418 und 1420 strenge Handelssperre über die Herrschaft
Venedig verhängte. Dennoch konnte er die Hauptverkehrsader
nach Italien, die Tirol durchquerend bei Bozen das Etschtal
erreicht und in der Lagunenstadt endigt, nie ganz unterbinden.
Er hätte dadurcli auch die heimische Industrie auf die Dauer
bedenklich geschädigt und das Nationalvermögen, das sich in
den immer mehr aufblühenden Städten anhäufte, empfindlich
geschwächt. So bestand das hauptsächlichste Ulmer Gewerbe
in der Tuchweberei2. Die aus Cypern importierte Baumwolle
wurde in Venedig aufgekauft und in Ulm verarbeitet. Die dort
gewobenen Barchente (Barchenttücher) wanderten über Köln

1 Vgl. Nübling: «Die Reichsstadt Ulm am Ausgange des Mittel-
alters (1378—1556). Ein Beitrag zur deutschen Städte- und Wirtschafts-
geschichte».

2 s. ebenda Bd. I, S. 145. (Um 1420 fertigt die Ulmer Tuchindustrie
jährlich 60 000 Tücher.)
 
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