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Grimm, Herman
Leben Michelangelo's (Band 1): bis zum Tode Rafaels — Hannover, 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.2892#0123
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Savonarola.

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Ursache als die erste und natürlichste vorausgesetzt, an die man
denkt. Unehelichen Kindern, mochte die Mutter ein Mädchen
oder eine Frau sein, klebte kein Makel an, kaum daß ein
Unterschied zwischen ihnen und legitimen Abkommen gemacht
wurde. Das ist eine der Beobachtungen, die Commines der
Aufzeichnung werth hält, als er sich über Jtalien ausspricht.
Betmg fchien kaum des Vorwurss werth, aber der Betrüger
ward verachtet, der sich selber-überlisten ließ. Feigheit war
nur dann ein Verbrechen, wenn sie, mit zu wenig Hinterlist
gepaart, das Ziel versehlte. Klug wurde der genannt, der
auch der treuherzigsten Versicherung keinen Glauben schenkte.

Was wir in unserem Sinne Scham vor dem Urtheil
der öffentlichen Meinung nennen, gab es noch nicht. Ein
Beispiel möge zeigen, wie man lebte und dachte. Filippo
Lippi, der beste Schüler Masaccio's, war ein Carmeliter-
mönch, der, wie viele andere Mönche, die Malerei betrieb
und selten Geld im Hause hatte. Seines unordentlichen
Wandels wegen allgemein bekannt, erhält er nichts desto-
weniger den Austrag, in einem Nonnenkloster die heilige
Margherita an die Wand zu malen. Er bittet um ein
Modell, und die Nonnen geben ihm dazu eine, reizende No-
vize, Lucretia Buti mit Namen. Eines schönen Tages ist er
fort mit ihr. Die Eltern des Mädchens schlagen Lärm; Lu-
cretia wird ausgefunden, erklärt aber, daß sie unter keiner
Bedingung Filippo verlassen würde. Nun macht der Papst
Eugen selber dem Künstler den Vorschlag, er wolle ihn seines
Mönchsgelübdes entbinden, damit er Lucretia wenigstens hei-
rathen könnte. Daran aber dachte Filippo gar nicht, und
dabei blieb es. Und dieser Filippo, der später von den Ver-


 
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