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Grimm, Herman
Zehn ausgewählte Essays zur Einführung in das Studium der neueren Kunst — Berlin, 1883

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https://doi.org/10.11588/diglit.2088#0183
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hervor, in denen Dürer sich selbst darstellt. Jch glaube, kein
Meister hat seine eigene Person so gern und so sorgfältig gemalt,
als Dürer, mit solcher das Geringste mit zur Hauptsache machen-
den Gewissenhaftigkeit. Auch hier, als freute ihn jedes Härchen
an sich, und mit der Vorliebe sür Ausführung der Hände, die
ihn überhaupt kennzeichnet. Zumal liebt er, sich in glänzender
reicher Kleidung malen, im pelzverbrämten Mantel, im Barett
mit feiner Nätherei, wie er denn üLerhaupt an schöuen Kleidern,
an französischen Mänteln, sein Gefallen hatte, und seiner an-
sehnlichen, schlanken Gestalt sich wohl bewußt war. Jn Venedig
nahm er noch Tanzstunde.

Ein eigenes Portrait beginnt auch die Reihe seiner Werke,
soweit sie uns erhalten blieben. „Dies malt ich nach meiner
Gestalt, da war ich neun Jahre alt", steht auf dem Blatte ge-
schrieben, das in Wien aufbewahrt wird. Gezeichnet wie ein
Kind zeichnet, aber schon von dem Bestreben (an dem Lionardo
da Vinci alle Befähigung junger Leute zur Kunst erkennen wollte)
Zeugniß ablegend: durch kräftige Schatten den Kopf rund hervor-
treten zu lassen. Hier ist das lange Haar noch schlicht wie ein
Strohdach, so daß die späteren Locken vielleicht nicht ganz ohne
Beihilfe sich bildeten. Diese Eitelkeit aber entspricht der Zeit,
die über Alles, und über die eigene Person mit, gern Schmuck
und Zierrath ausbreitete.

Als Dürer das zeichnete, ging er noch iu die Schule.
Zehn Geschwister hatte er schon, achtzehn Kinder im Ganzen
gebar seine Mutter, die sehr jung heirathete, und die er nach
dem Tode seines Vaters zu sich nahm.

„Nun sollt ihr wissen, lesen wir in Dürer's Tagebuche,
daß im Jahre 1513, an einem Dienstag vor der Kreutzwochen,
meine arme elende Mutter, die ich zwei Jahre nach meines
Vaters Tod zu mir nahm, die da ganz arm war, in meine
Pflege nahm, die sie neun Jahr war bei mir gewesen, an einem
Morgen früh gählings also tödtlich krank war, daß wir die
 
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