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Grimm, Herman; Grimm, Herman [Hrsg.]
Fragmente (Band 1,1) — Berlin, Stuttgart: Spemann, 1900

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https://doi.org/10.11588/diglit.47241#0325
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301

Harrison unterscheidet, mn seine Gedanken völlig zu concen-
triren, dreierlei bei der Kritik der Rangverhältnisse der drei
Größten. Erstens den Genuß, den sie bieten. Als Zweites
den Styl. Als Drittes den Charakter. Größeren Genuß
bieten Homer und Shakespeare. In der Schreibweise steht
Dante diesen beiden gleich. An Charakter übertrifft er sie.
Damit könnte man sich einverstanden erklären, wäre Homer
nicht durch unfern Mangel an Kenntniß alles ihn Betreffenden
außer Concurs gesetzt. Aber auch für Shakespeare ließe diese
Unwissenheit sich geltend machen. Ich halte den Versuch, ein
Rangverhältniß hier festzustellen, für verfehlt.
Wichtig sind Harrifon's Aeußerungen deshalb besonders,
weil sie das Durchschnittsmaß der allgemeinen Meinung über
Dante feststellen wollen. Nicht also die Ueberzeugungen eines
Forschers, der seine Studien Dante geweiht hat und ihn über-
schätzen könnte oder müßte, sondern die Beobachtungen eines
Mannes, der sich mit der Kritik der bei den gebildeten Völkern
umgehenden Ansichten über den Dichter hier nur resumirend
beschäftigt. Er sagt: „Anerkannt wird als Gemeinplatz, daß
die Oiviva Ooimuoäia, diese „heiligen Gesänge", den Geist,
den Wissensinhalt, die Religion des Mittelalters enthalten,
daß Dante mit ihnen das Italienische als Sprache geschaffen,
der kirchlichen Kunst ihren Inhalt gegeben und die moderne
Literatur begründet hat. Der Einfluß seines Gedichtes ist
noch im Steigen begriffen, sechs Jahrhunderte nach dem ir-
dischen Dasein des Dichters; durch seine Verse ist all das,
was in ebenso langer Zeit vor seiner Geburt von der Mensch-
heit empfunden, geglaubt und gethan worden ist, mit ver-
herrlichendem Lichte übergossen worden." Es erklärte sich
hieraus, warum Dante dem vorigen Jahrhundert so wenig
 
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