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mich ihrer erinnere, sogar wenn ich vor ihnen stehe, während
der gegen die Akademie sich auflehnende, von Künstlern und
Publicum Anfangs ausgestoßene Millet mich anmuthet wie
die Natur selber, die unseren Augen, als wären wir eben
vom Schlafe erwacht, frisch sich aufthut? Und warum rührt
mich Millet's niedriges, in Entbehrungen vor der Zeit ab-
genutztes Leben mehr als die brillanten Erlebnisse jener
andern sammt Adelstitel und Orden? Millet, nachdem er
vergebens gestrebt, auf der alten Route etwas zu erreichen,
vertauschte das glatte Pflaster der Stadt mit den rauhen
Wegen seines abgelegenen Dorfes, wo er arbeitete und
darbte. Millet hatte einen treuen Freund, Sensier, lange
Jahre der einzige Mann, der seine Bilder zuweilen für-
traurige Preise anbrachte und ihm so die Existenz möglich
machte und nach des Meisters Tode dann sein Leben be-
schrieb. Es hat Tage gegeben, wo Millet das Holz fehlte,
um sein Zimmer zu erwärmen. Die Biographie Sensier's
läßt uns den unermüdlichen Künstler bis in die Tiefe seines
Herzens kennen. Wir empfangen denselben Eindruck er-
habenen Elends, das Carstens uns einflößt, wenn wir
Fernow lesen. Carstens und Millet begehrten nur das
Eine für sich: nicht verhungern zu müssen. Sie lebten ein
verstecktes höheres Dasein. Carstens im Verkehr mit jenen
Anschauungen, die ihm als die wahre Natur erschienen,
Millet unter den landbauenden ruhigen Menschen, die er in
ihrem alltäglichen bäuerlichen Thun darstellt, der ewigen
Arbeit, auf der das Glück und die Kraft der Völker beruht.
Die in der Stille, wie das Getreide, aufwachsenden Gedanken,
die die Leidenschaften und die Phantasie der Menschen wohl-
 
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