129
sie in allen Stufen ihres Daseins kennen gelernt und im
Kunstwerke nachgebildet. Das ungeheuerlich Kraftvolle wird
hier zum Natürlichen. Als moderne Titanen sehen wir sie
mit dem Innern der Erde im Kampfe, oder, ausruhend,
zu plumper Bewegungslosigkeit zusammengesunken. Ihre
Leidenschaften scheinen versteckt, aber erwartungsvoll wie
unter dem Eise zu liegen. Ihre gewaltigen Hände und
Arme führen einen unablässigen schweigenden Kampf mit den
Fundamenten der Erdoberfläche. Sonnenlos mühen sie sich
ab für ihnen fremde, begüterte Mitmenschen, die, unbekannt
mit diesem Dasein, das Licht des Tages und die Freuden
der Jahreszeiten genießend, der die Erde in Finsterniß durch-
wühlenden Mitmenschen sich kaum erinnern. Victor Hugo,
der Dichter des modernen Frankreichs, hat in einer der
wunderbaren Visionen, die er „die Legende des 19. Jahr-
hunderts" nannte, beschrieben, wie die Götter auf den Höhen
des Olymp bei ihrem unsterblichen Gelage plötzlich ein ihre
Paläste ins Zittern bringendes, sie selber bis ins Herz
erschreckendes Getöse dicht unter sich vernehmen. Die in dis
ewig verschlossenen Höhlen der Erde verbannten Titanen
haben sich emporgearbeitet. Mitten unter den goldnen San-
dalen der Familie des Zeus bricht der Boden auseinander
und eine furchtbare Faust mit dem Hammer, den sie um-
klammert, reckt sich empor. (Dieses Bild ist neuerdings ost
benutzt worden.) So sieht Meunier seine Arbeiter. Ihre
körperliche Rückbildung ins Elementare macht er zum Träger
von Gestalten, deren eine wir gedankenlos ruhig dastehend
in übermenschlicher Höhe aufragen sehen.
Begreiflich muß erscheinen, daß ein solcher Künstler für
Herman Grimm, Fragmente. II. 9
sie in allen Stufen ihres Daseins kennen gelernt und im
Kunstwerke nachgebildet. Das ungeheuerlich Kraftvolle wird
hier zum Natürlichen. Als moderne Titanen sehen wir sie
mit dem Innern der Erde im Kampfe, oder, ausruhend,
zu plumper Bewegungslosigkeit zusammengesunken. Ihre
Leidenschaften scheinen versteckt, aber erwartungsvoll wie
unter dem Eise zu liegen. Ihre gewaltigen Hände und
Arme führen einen unablässigen schweigenden Kampf mit den
Fundamenten der Erdoberfläche. Sonnenlos mühen sie sich
ab für ihnen fremde, begüterte Mitmenschen, die, unbekannt
mit diesem Dasein, das Licht des Tages und die Freuden
der Jahreszeiten genießend, der die Erde in Finsterniß durch-
wühlenden Mitmenschen sich kaum erinnern. Victor Hugo,
der Dichter des modernen Frankreichs, hat in einer der
wunderbaren Visionen, die er „die Legende des 19. Jahr-
hunderts" nannte, beschrieben, wie die Götter auf den Höhen
des Olymp bei ihrem unsterblichen Gelage plötzlich ein ihre
Paläste ins Zittern bringendes, sie selber bis ins Herz
erschreckendes Getöse dicht unter sich vernehmen. Die in dis
ewig verschlossenen Höhlen der Erde verbannten Titanen
haben sich emporgearbeitet. Mitten unter den goldnen San-
dalen der Familie des Zeus bricht der Boden auseinander
und eine furchtbare Faust mit dem Hammer, den sie um-
klammert, reckt sich empor. (Dieses Bild ist neuerdings ost
benutzt worden.) So sieht Meunier seine Arbeiter. Ihre
körperliche Rückbildung ins Elementare macht er zum Träger
von Gestalten, deren eine wir gedankenlos ruhig dastehend
in übermenschlicher Höhe aufragen sehen.
Begreiflich muß erscheinen, daß ein solcher Künstler für
Herman Grimm, Fragmente. II. 9