Umschwung der Stimmung gegen Karl VIII.
Italien glatt und sanft zu des Königs von Frankreich Füßen gelegen, und jetzt galt es, sich
mit Gewalt den Rückweg durch ein feindliches Land zu bahnen. Karl nahm den Kampf an.
Einen Teil der Armee ließ er in Neapel zurück, der durch die Flotte mit Frankreich in Ver-
bindung blieb, mit der anderen Hälfte kehrte er um, auf Rom wieder los. Eben noch hatte er
Kuß und Umarmung mit dem Papste getauscht, davon war diesmal keine Rede mehr. In ganz
Italien hatte der König nur einen Bundesgenossen, und das waren die von Savonarola geleiteten
Bürger von Florenz, bei denen alle Anstrengungen der übrigen Mächte, sie zum Anschluß
an das große Bündnis herüberzuziehen, vergeblich blieben.
Der Mut Karls aber und sein Stolz litten nicht unter diesem Wechsel der Umstände. In
Siena erwartete ihn eine Gesandtschaft der Florentiner. Sie boten ilim Geld und Mannschaften
an. Er antwortete, seine eigenen Leute genügten ihm, Herr über seine Feinde zu werden. Noch
einmal trat ihm Savonarola entgegen. Das Evangelium in der Hand haltend beschwor er ihn,
die Strafe des Himmels zu fürchten und Pisa herauszugeben. Der König wich aus. Er konnte
sein Wort nicht beiden Parteien zugleich halten. Sogar mit den Medici stand er aufs neue in
Verkehr. Piero befand sich damals in seinem Gefolge und hoffte durch ihn in die Stadt zu
gelangen, in der seine Freunde als geordnete Partei der Savonarolas entgegenstanden und die
Rückkehr ihres ehemaligen Herrn vorbereiteten.
Ohne Florenz zu berühren ging Karl nach Norden weiter. Endlich kam es zur ersten Schlacht Karls Rückzug
in diesem Kriege. Bei Fornuovo am Taro stellte sich ihm das Heer der Verbündeten entgegen
und suchte ihn aufzuhalten. Beide Teile schrieben sich den Sieg zu, die Franzosen mit größerem
Rechte, denn sie schoben den Feind zur Seite und machten sich den Weg nach Piemont frei.
Am 6. Juli geschah dies im Norden Italiens, am 7. Juli kam im Süden Neapel schon wieder
in die Gewalt der Aragonesen. Es stand bedenklich mit der französischen Sache. Erst jetzt er-
langten die Florentiner, daß den 'Besatzungen der toskanischen Städte Befehl zum Abzüge
gegeben ward.
Der Kommandant von Pisa aber verweigerte den Gehorsam. Die Bitten der Pisaner, ihr Gold,
die Tränen eines schönen Mädchens, das die Erhaltung der Freiheit zum Preis ihrer Liebe
machte, endlich: entgegengesetzte Verhaltungsbefehle aus der Nähe des Königs selber brachten
es dahin, daß den Florentinern die Tore geschlossen blieben. Nur Livorno wurde ihnen ein-
geräumt; die übrigen Festungen verkauften die Franzosen an Lucca oder Genua. Florenz
mußte sich mit Gewalt sein Recht verschaffen. An der Allianz mit Frankreich hielt man fest,
aber Pisa mußte erobert werden. Savonarola feuerte dazu an, er verhieß die Wiedereinnahme
der Stadt im Namen Gottes, der auf seiten des Volkes stände.
Die Pisaner, gefaßt auf den Abzug der Franzosen, der kurz oder lang dennoch erfolgen mußte,
wandten sich an Venedig und an Lodovico Sforza. Beide unterstützten die flehende Stadt, weil
beide sie für sich selbst zu gewinnen hofften. Dieser Kampf der Pisaner um ihre Freiheit, diese
verzweifelte Anstrengung, sich aus der Schwäche emporzuraffen, in die sie durch die Floren-
tiner immer tiefer versenkt worden waren, muß jedem das Herz ergreifen, der die Ereignisse
näher betrachtet. Wenige Städte haben so bis auf das Äußerste ihre Mauern verteidigt. Aber
Savonarola rührte das nicht. Pisa war sein Karthago, das vernichtet werden müßte. Keine Spur
von Mitleid in seinen Worten, wenn er von der Unterjochung der Stadt als der Belohnung des
Himmels redet und die Bürger anfeuert, auszuhalten und der französischen Politik treu zu
bleiben. Er hatte den Staat wie weichen Teig in den Händen, was er wollte, wurde angenommen.
Er besaß eine wunderbare Gewalt, die natürlichsten, nüchternsten Reden zu unwidersteh-
lichem Fluß aneinanderzuketten. Sprichwörter, Fragen mit Antworten darauf, dazwischen
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Italien glatt und sanft zu des Königs von Frankreich Füßen gelegen, und jetzt galt es, sich
mit Gewalt den Rückweg durch ein feindliches Land zu bahnen. Karl nahm den Kampf an.
Einen Teil der Armee ließ er in Neapel zurück, der durch die Flotte mit Frankreich in Ver-
bindung blieb, mit der anderen Hälfte kehrte er um, auf Rom wieder los. Eben noch hatte er
Kuß und Umarmung mit dem Papste getauscht, davon war diesmal keine Rede mehr. In ganz
Italien hatte der König nur einen Bundesgenossen, und das waren die von Savonarola geleiteten
Bürger von Florenz, bei denen alle Anstrengungen der übrigen Mächte, sie zum Anschluß
an das große Bündnis herüberzuziehen, vergeblich blieben.
Der Mut Karls aber und sein Stolz litten nicht unter diesem Wechsel der Umstände. In
Siena erwartete ihn eine Gesandtschaft der Florentiner. Sie boten ilim Geld und Mannschaften
an. Er antwortete, seine eigenen Leute genügten ihm, Herr über seine Feinde zu werden. Noch
einmal trat ihm Savonarola entgegen. Das Evangelium in der Hand haltend beschwor er ihn,
die Strafe des Himmels zu fürchten und Pisa herauszugeben. Der König wich aus. Er konnte
sein Wort nicht beiden Parteien zugleich halten. Sogar mit den Medici stand er aufs neue in
Verkehr. Piero befand sich damals in seinem Gefolge und hoffte durch ihn in die Stadt zu
gelangen, in der seine Freunde als geordnete Partei der Savonarolas entgegenstanden und die
Rückkehr ihres ehemaligen Herrn vorbereiteten.
Ohne Florenz zu berühren ging Karl nach Norden weiter. Endlich kam es zur ersten Schlacht Karls Rückzug
in diesem Kriege. Bei Fornuovo am Taro stellte sich ihm das Heer der Verbündeten entgegen
und suchte ihn aufzuhalten. Beide Teile schrieben sich den Sieg zu, die Franzosen mit größerem
Rechte, denn sie schoben den Feind zur Seite und machten sich den Weg nach Piemont frei.
Am 6. Juli geschah dies im Norden Italiens, am 7. Juli kam im Süden Neapel schon wieder
in die Gewalt der Aragonesen. Es stand bedenklich mit der französischen Sache. Erst jetzt er-
langten die Florentiner, daß den 'Besatzungen der toskanischen Städte Befehl zum Abzüge
gegeben ward.
Der Kommandant von Pisa aber verweigerte den Gehorsam. Die Bitten der Pisaner, ihr Gold,
die Tränen eines schönen Mädchens, das die Erhaltung der Freiheit zum Preis ihrer Liebe
machte, endlich: entgegengesetzte Verhaltungsbefehle aus der Nähe des Königs selber brachten
es dahin, daß den Florentinern die Tore geschlossen blieben. Nur Livorno wurde ihnen ein-
geräumt; die übrigen Festungen verkauften die Franzosen an Lucca oder Genua. Florenz
mußte sich mit Gewalt sein Recht verschaffen. An der Allianz mit Frankreich hielt man fest,
aber Pisa mußte erobert werden. Savonarola feuerte dazu an, er verhieß die Wiedereinnahme
der Stadt im Namen Gottes, der auf seiten des Volkes stände.
Die Pisaner, gefaßt auf den Abzug der Franzosen, der kurz oder lang dennoch erfolgen mußte,
wandten sich an Venedig und an Lodovico Sforza. Beide unterstützten die flehende Stadt, weil
beide sie für sich selbst zu gewinnen hofften. Dieser Kampf der Pisaner um ihre Freiheit, diese
verzweifelte Anstrengung, sich aus der Schwäche emporzuraffen, in die sie durch die Floren-
tiner immer tiefer versenkt worden waren, muß jedem das Herz ergreifen, der die Ereignisse
näher betrachtet. Wenige Städte haben so bis auf das Äußerste ihre Mauern verteidigt. Aber
Savonarola rührte das nicht. Pisa war sein Karthago, das vernichtet werden müßte. Keine Spur
von Mitleid in seinen Worten, wenn er von der Unterjochung der Stadt als der Belohnung des
Himmels redet und die Bürger anfeuert, auszuhalten und der französischen Politik treu zu
bleiben. Er hatte den Staat wie weichen Teig in den Händen, was er wollte, wurde angenommen.
Er besaß eine wunderbare Gewalt, die natürlichsten, nüchternsten Reden zu unwidersteh-
lichem Fluß aneinanderzuketten. Sprichwörter, Fragen mit Antworten darauf, dazwischen
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