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Grimm, Herman
Michelangelo: sein Leben in Geschichte und Kultur seiner Zeit, der Blütezeit der Kunst in Florenz und Rom — Berlin: Safari-Verlag, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.71912#0032
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Savonarola
herrscht in
Florenz

Michelangelo und Savonarola
Ehrgeiz, Eigennutz, Fanatismus und gutem Willen blieb zurück und strebte aus sich selbst
nach fester Gestaltung.
Diese zu gewinnen, war keine leichte Sache. Man hatte die Medici verjagt und dennoch
die Regierung, die von ihnen selbst aus ihren eigenen Anhängern gebildet worden war, im Amte
gelassen. Diese Herren hatten sich ja im Sturme der allgemeinen Empörung an die Spitze
des Aufruhrs gestellt, ihr Benehmen erschien bei so uneigennütziger Handlungsweise nur um
so leuchtender. Nach dem Abzüge Karls beriefen sie ein Parlament, das dem Herkommen
nach eine Zahl Männer mit diktatorischer Macht behufs Neubesetzung der Staatsämter aus-
rüstete. Die Mitglieder der alten Regierung wurden gewählt und ihnen dadurch abermals
das höchste Vertrauen bewiesen. Unterdessen waren diese aber und überhaupt die Freunde
der Medici zur Besinnung gekommen. Sie fühlten, daß sie übereilt gehandelt hätten, und sahen
sich im Besitze der Gewalt. Notorische Persönlichkeiten, die als Gegner der Medici bekannt
waren, wurden nun bei Verteilung der Stellen übergangen. Eine Anzahl der größten Familien
mit mächtigen Männern an der Spitze fühlten sich gekränkt. Die Bürgerschaft fing an unruhig
zu werden. Savonarola hatte seine Pläne.
Er drängte auf eine totale Änderung der Dinge. Geistig und politisch wollte er die Stadt
umschmieden. Er deutete unablässig auf die wunden Stellen. Er hatte das Größte, eine Um-
gestaltung Italiens im Auge und fing beim Kleinsten, beim Herzen jedes einzelnen seiner Zu-
hörer mit der Reform an. Er predigte Güte und Versöhnlichkeit, aber wehe denen, die seinen
Worten nicht Folge leisteten! Seiner Idee nach sollte an der Spitze des Staates der Wille einer
Versammlung aller stimmfähigen Vollbürger als höchste Gewalt stehen.
Noch vor der Mitte des Jahres war die Partei der Medici aus der Regierung und aus ihren
Stellen verdrängt und das Consiglio grande konstituierte sich. Alles tat Savonarola. Er lenkte
die Majorität, der er im Namen Gottes seine entscheidenden Befehle zukommen ließ. Francesco
Valori und Paolantonio Soderini, Anhänger seiner Lehre und erbitterte Gegner der Medici,
beide zuerst bei der Stellenausteilung übergangen, standen als die Führer der herrschenden
Partei mit ihm als die mächtigsten Männer im Staate da. Zwei Zielpunkte hatten sie im
Auge. Nach innen, Durchführung der Reform; nach außen, Wiedererlangung Pisas und der
übrigen Städte, die sich in der Gewalt der Franzosen befanden; denn obgleich Florenz keine
französische Besatzung in seinen Mauern hatte: solange Pisa und Livorno Frankreich gehörten,
war auch Florenz von ihm abhängig.
Karls Vordringen nach Neapel war ein Triumphzug. Fast alle französischen Kriege in Italien
haben mit blendendem Siegesglanze begonnen und mit Unterliegen geendet. Machiavelli
sagt von den Franzosen seinerzeit, was Cäsar schon von den alten Galliern geurteilt: beim
ersten Angriffe wären sie mehr als Männer, beim endlichen Rückzüge weniger als Weiber.
In Rom schloß der König mit dem Papste zärtliche Freundschaft. Von da ging er weiter
nach Neapel. Ende Februar hielt er seinen Einzug, das Volk hatte zu seinen Gunsten rebelliert
und die Aragonesen davongetrieben. Die Neapolitaner haben ein Bedürfnis nach frischen
Königen, urteilt Guicciardini. Karl wurde mit überschwänglichen Freudenbezeugungen auf-
genommen.
Bis zu diesem Tage hatte es noch keiner Schlacht bedurft. Die Tore taten sich auf, wo er
sich zeigte. Allein nun kam der Rückschlag. Vor ihm war alles gewichen, hinter ihm schloß
es sich wieder zusammen. Lodovico Sforza war der erste, der abfiel. Statt Livorno und Pisa
ihm zu geben, hatten die Franzosen die Städte selbst behalten. Venedig, der römische König,
Spanien und der Papst machten gemeinschaftliche Sache mit Mailand. Eben noch hatte ganz

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