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Grimm, Herman
Michelangelo: sein Leben in Geschichte und Kultur seiner Zeit, der Blütezeit der Kunst in Florenz und Rom — Berlin: Safari-Verlag, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.71912#0135
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MICHELANGELO UND CLEMENS VII.
1525—1529
[10, 1, 1—6]
Das Jahr 1525 war kein günstiges. In Rom und in Florenz wiederholtes Auftreten der Pest.
Krieg in der Lombardei. Ein Komet am Himmel, der die Furcht erregt, die ganze Welt werde
durch eine neue Sündflut zugrunde gehen. In demselben Jahre auch Jubiläum in Rom, aber
die Pest beeinträchtigt das Zusammenströmen der Pilger, die Feierlichkeiten und die Einnahmen.
Clemens VII., diesen Namen hatte Medici angenommen, nachdem ihm die Auswahl
viel Kopfzerbrechen gekostet, berief Michelangelo im Jahre 1525 zu sich. Michelangelo
hatte sich dem Bau der Sakristei von San Lorenzo mit aller Kraft zugewandt, dagegen waren
nun die Erben Julius II. aufs neue klagbar geworden. Sie bestanden darauf, daß ein Ab-
kommen getroffen werde. Deshalb zitierte der Papst Michelangelo, und dieser stellte sich.
Die Angelegenheit wurde den Wünschen des Papstes gemäß erledigt. Schon damals behauptete
der Herzog von Urbino, der Repräsentant der Roveres in dieser Sache, Michelangelo habe
mehr ausgezahlt erhalten, als er zugeben wolle, aber erst später kamen die Streitigkeiten
darüber zum offenen Ausbruch. Für jetzt genügte der Wille des Papstes, daß man seinen eigenen
Plänen zuliebe von der weiteren Verfolgung der Sache Abstand nahm.
Condivi sagt, Michelangelo sei ungern in Rom gewesen und habe sich rasch wieder nach
Florenz gemacht, weil er die späteren Ereignisse vorausgesehen. Kein Mensch aber konnte
damals ahnen, was sich zwei Jahre später ereignen würde. Eher hätte ihn die Pest bestimmen
können, sich nicht länger als notwendig dort aufzuhalten; daß er aber ungern in Rom war,
findet seine Erklärung vielleicht in der Art und Weise, wie am päpstlichen Hofe in Sachen der
Kunst gewirtschaftet wurde. Denn was Michelangelo selbst früher bei Julius II., Raffael dann
bei Leo X. gewesen, als das spielte sich Bandinelli jetzt bei Clemens VII. auf und benutzte
gerade in jenen Tagen diese Gunst, um Michelangelo eine empfindliche Beleidigung zuzufügen.
Clemens hatte keinen Geschmack. In jenem Jahre kam Clemens noch mit einem Projekte Clemens'
zum Vorschein, welches Michelangelo für alle Bandinelli eingeräumten Vorteile entschädigt ^stlensrhe
hätte. Es sollte vor dem Garten der Medici in Florenz ein achtzig Fuß hoher Koloß von Michel-
angelo errichtet werden. Clemens ließ von verschiedenen Seiten deshalb bei ihm anfragen, ja
hat ihm selber vielleicht deshalb geschrieben, und die Antwort Michelangelos auf eine dieser
Anfragen ist erhalten geblieben.
Mit unbarmherzigem Spotte weist er ihn darin ab. Indem er auf die Sache einzugehen scheint,
baut er in Gedanken einen Koloß auf, wie der Papst ihn etwa wünschen möchte. Nicht da,
wo Seine Heiligkeit ihn aufstellen wolle, sondern auf der anderen Seite der Straße werde er
besser stehen, weil er da weniger Platz fortnehme. Freilich befinde sich da der Laden eines
Barbiers, allein der Mann brauche deshalb in seinem Geschäfte nicht gestört zu werden: man
könne die ganze Bude ja in den Koloß hineinbauen, wenn man diesen in sitzender Gestalt
errichtete. Um den Barbier beim Feuermachen nicht zu hindern, könne man dem Kolosse
ein Horn des Überflusses in den Arm geben, welches als Schornstein diente. Und damit auch
der Kopf zu etwas gut wäre, so ließe sich ein Taubenhaus darin anbringen, oder noch besser,
man könne Glocken hineinhängen und der Riese als Kampanile für die Kirche von San Lorenzo
dienen. Wenn dann der Klang der Glocken aus seinem offenen Munde herausströme, würde
es lauten, als rufe er Misericordia, was besonders an den hohen Festtagen, wo die große Glocke
geläutet würde, bedeutenden Effekt tun müsse. Was den Marmor dafür anlange, so müsse man
ihn nachts und wohlverpackt nach Florenz bringen, damit ihn ja niemand sehe. Das Schreiben

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