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Grimm, Herman
Michelangelo: sein Leben in Geschichte und Kultur seiner Zeit, der Blütezeit der Kunst in Florenz und Rom — Berlin: Safari-Verlag, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.71912#0162
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DIE SAKRISTEI VON SAN LORENZO
1530—1534
[11, 1-41
Am 9. August läßt die Regierung bekanntmachen, jedem stände frei, die Waffen niederzu-
legen und seinen Geschäften nachzugehen. Am 10. verlangen diejenigen Bürger, welche sich
an Malatesta angeschlossen hatten, die Loslassung der politischen Gefangenen. 65 Edelleute er-
halten ihre Freiheit wieder. Malatesta läßt den Dominikaner, der am wütendsten gegen den
Papst gepredigt, festnehmen. Er wünschte Clemens mit dem Manne ein angenehmes Geschenk
zu machen, der nach Rom geschafft und in die Engelsburg gesteckt, in Schmutz und Elend
langsam verhungern mußte.
Am II. wird die Kapitulation angenommen, am 12. unterzeichnet. Die Armee draußen
erhält 80000 Skudi. Innerhalb zweier Tage sollen Gonzaga bis zu einer Höhe von 50 Personen
alle die ausgeliefert werden, welche er bezeichnet. Malatesta bewacht die Stadt, bis weitere
Befehle vom Kaiser kommen. Übrigens solle alles vergeben und vergessen sein. Dies der Schluß.
Wer nur die geringste Erfahrung besaß, wußte, daß die ganze Kapitulation sich in den einen
Satz zusammenziehen ließ: der Papst verfährt mit der Stadt nach Belieben und nimmt Rache
an seinen Gegnern, wo er ihrer habhaft werden kann. Wer entfliehen konnte, entfloh; die
meisten nach Venedig und Frankreich. Viele auch verbargen sich in der Stadt. In Kirchen,
Klöstern und Häusern gab es Schlupfwinkel genug. Jedes Haus hatte damals einen versteckten
Ort, wie es für Zeiten der Pest und Hungersnot seine geheimen Vorratskammern besaß.
Michelangelo Auch Michelangelo wurde unsichtbar. Während sein Haus zu wiederholten Malen durch
nait sich unj durcli untersucht ward, saß er im Glockenturm von San Niccolo oltra Arno im südlichen
Teile der Stadt, nicht weit von dem nach San Miniato führenden Tore. Er hatte bis zuletzt
auf seinem Posten ausgehalten.
Langsam gingen die Medici jetzt vorwärts. Nur mit Mühe gelang es, das über die versagte
Plünderung wütende Heer von den Mauern abzuhalten und zum Abmarsche zu bringen. Die
Spanier und die deutschen Landsknechte lieferten sich eine förmliche Schlacht zwischen ihren
Lagerplätzen. In den Nächten aber griffen jene die Stadt an und mußten blutig zurückgewiesen
werden. Aus Rache verhinderten sie die Zufuhr. Kaum war es möglich, Lebensmittel herbei-
zuschaffen. Keine Ernte gab es in diesem Jahre. Ringsum das Land verheert und die kleinen
Städte ausgesogen wie Florenz selber. Hier, nachdem so viele Bürger getötet, gestorben und
entflohen waren, nehmen die Hinrichtungen ihren Anfang, und die Gefängnisse füllen sich
wieder. Girolami wurde im Turm zu Pisa vergiftet.
Der 20. August war der erste Tag der neuen Ordnung, Baccio Valori läßt die große Glocke
anschlagen und das Parlament berufen. Zwölf Männer erhalten Machtvollkommenheit, der Stadt
eine neue Verfassung zu geben. Den erklärtesten Anhängern der Medici wird dies Amt über-
tragen. Am 12. September verläßt Malatesta die Stadt, ein Zug von Wagen folgt ihm, um das
fortzuschaffen, was er für sich erworben hatte. Auch von der Artillerie wird ihm zum Geschenke
gemacht. Die deutschen Landsknechte, die einen Teil der Belagerungsarmee gebildet, ziehen
als päpstliche Besatzung ein. Wieder sind sie es, deren Menschlichkeit gerühmt wird. Nardi
erzählt, wie sie florentinischen Frauen und Kindern, die vom Hunger getrieben sich ins Freie
wagten, beistanden und den Italienern zu Leibe gingen, die sich über sie hermachen wollten.
Die Medici So waren die Medici endlich wieder die Herren.
'"""stadt Michelangelos Name war zu groß, als daß man die Schmach hätte auf sich laden dürfen,
einen solchen Mann zu töten oder ins Gefängnis zu werfen. Außerdem, es gehörte zur Politik
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