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Grimm, Herman
Michelangelo: sein Leben in Geschichte und Kultur seiner Zeit, der Blütezeit der Kunst in Florenz und Rom — Berlin: Safari-Verlag, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.71912#0112
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DIE GRABMÄLER JULIUS' II. UND DER MEDICI
1512—1525
[9, 1—9]
Julius 11. stirbt Freilich wollte Julius nichts wissen von Tod. Er trug sich mit politischen Plänen, als ständen
ihm noch Dutzende von Jahren in Aussicht. Er hatte Siena dem Kaiser abgekauft für den Herzog
von Urbino, das heißt Siena war altes kaiserliches Lehen, und Maximilian gab für eine bestimmte
Summe den notwendigen Vorwand zum Kriege her. Julius hatte ferner die Spanier zum Feld-
zuge gegen Ferrara im Solde. Er wollte die Medici wieder aus Florenz forthaben, weil sie
sich dort so unabhängig gebärdeten; er wollte in Genua einen anderen Dogen einsetzen: alles
im Frühjahr 1513. Und doch lag er seit Weihnachten schon zu Bette. Aber es gibt Naturen,
deren Energie die Schwäche des Körpers überwindet und Wachs in Stahl umschmiedet. Die
letzten Taten des Papstes zeigen ihn als einen solchen Mann. Mitten aus dem Fieber hatte
er sich vor kurzem noch in die Kälte des Winters gestürzt, das Volk von Bologna staunte,
wenn er auf einem widerspenstigen Pferde dennoch fest durch die Straßen sprengte. Er wollte
die Franzosen aus Italien haben: die Barbaren sollten fort, die ihn sein Leben lang in seinen
Plänen aufgehalten, obgleich er ihre Hilfe benutzte; als Erlöser Italiens von äußeren und inneren
Tyrannen erschien er sich selbst zu notwendig an seinem Platze, als daß ihn aus dieser sich nach
frischen Taten selmenden Kraft der Tod mit sich führen könnte. Am 21. Februar 1513 aber traf das
Ende aller Dinge doch ein. Der Papst war wirklich tot diesmal und täuschte die Welt nicht wieder.
Vertrag über Wenn irgendein Mann den Geist Julius' zu begreifen fähig war, so ist es Michelangelo.
das Grab- Gleich nach dem Tode des Papstes, den man nun wohl seinen alten Freund nennen darf, nahm
Julius II. er die Arbeit am Grabmonument wieder auf. Bei seinem Leben hatte Julius nicht wieder daran
gewollt: in seinem Testamente aber war gesagt, Michelangelo solle das Werk fortführen.
Zwischen Michelangelo und den Erben des Papstes wurde am 6. Mai 1513 ein Kontrakt
geschlossen, demzufolge das Werk in anderer Gestalt errichtet werden sollte. Das dafür an-
gefertigte Modell ist nicht mehr vorhanden, aber im Kontrakte selber ist es beschrieben. Das
Grabmal sollte nicht mehr frei in der Kirche stehen, sondern mit einer der schmäleren Seiten
an die Wand anstoßen. Während die beiden unteren Stockwerke ziemlich der Darstellung
entsprechen, die Condivi vom ersten Entwürfe gibt und die von der noch vorhandenen Zeichnung
bestätigt wird, war für die dritte Etage ein an die Wand sich anlehnender Abschluß von be-
deutender Höhe beabsichtigt. Deshalb auch wohl nennt Michelangelo das neue Projekt größer
als das frühere, maggior cosa, eine Größe, die allerdings nur durch die Benutzung der Wand
erzielt worden war. Ein Preis von 16500 Kammerdukaten wurde festgesetzt. So viel Bronze-
teile sollten dabei in Anwendung kommen, daß Michelangelo seinen Bedarf dafür auf mehr
als 200 Zentner Metall berechnete.
In den Jahren 1513 bis 1516 sehen wir ihn dieser Arbeit zumeist hingegeben. Er ließ die
Blöcke aus seiner Werkstätte am Vatikan weit hinüber zum Macel dei Corvi schaffen, unweit
des Kapitols, wo viele Bildhauerwerkstätten lagen und wo er ein eigenes Haus innehatte,
das er bis zu seinem Tode bewohnt hat. Auch bot dieser Umzug den Vorteil, daß er aus der
ungesunden leoninischen Vorstadt in einen der gesündesten Teile Roms versetzt wurde.
Der Moses Ich nehme an, daß er anfangs mit dem Moses vorzüglich beschäftigt war, obgleich die Statue
" °3°9 nach dieser Zeit noch vierzig Jahre in seiner Werkstatt blieb. Es ist als wäre diese Gestalt die
Verklärung all der gewaltigen Leidenschaften, die die Seele des Papstes erfüllten, das Abbild
seiner idealen Persönlichkeit unter der Gestalt des größten, gewaltigsten Volksführers, der
jemals eine Nation aus der Knechtschaft zu eigener Stärke wieder emporgebracht.

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