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Gröber, Karl
Schwäbische Skulptur der Spätgotik — Sammelbände zur Geschichte der Kunst und des Kunstgewerbes, Band 2: München: Riehn & Reusch, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.61219#0014
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Augsburg, am Ende des 15. Jahrhunderts eine der mächtigsten Städte des Reiches,
durch Beziehungen jeder Art mit der ganzen Welt verbunden, war so recht der Ort,
die gotische Kunst in die Renaissanceformen umzuprägen. Der Augsburger war nicht
konservativ wie der Ulmer. Vor 1500 war die künstlerische Tätigkeit geringer als in
Ulm, erst nach dieser Zeit begann der große Aufschwung. Die Stadt, in der
Kaiser Max so oft und gerne weilte, die Stadt der Reichstage und nicht zum wenigsten
die Stadt der Fugger, der reichsten Leute der Welt, mußte notwendig ’der Mittelpunkt
für einen großen Kunstbetrieb werden. Die Augsburger Meister arbeiteten daher be-
sonders für den Export, das mag viele auswärtige Künstler angezogen haben und so
kommt es, daß Augsburg allmählich Ulm, das am Anfang des Jahrhunderts noch führend
war in der schwäbischen Kunst, zur Seite drängte. Die kleinen Schulunterschiede der
von außen Zugezogenen verwischten sich bald. Die fremden Künstler paßten sich
rasch den weltstädtischen Bedürfnissen und Forderungen an. Der Humanismus brachte
ihn der Antike näher, die Werke der italienischen Renaissance wurden ihm durch die
reisenden Augsburger wohl bekannt. Alles half mit, die alte Gotik schnell zu verdrängen.
Ohne heftigen inneren Kampf ging es jedoch nicht ab. Der Künstler, noch tief verankert im
alten Wesen und Handwerksgebrauch, aufgewachsen in der Formgebung der Spätgotik,
nahm das Neue vorerst nur als etwas Äußerliches, gerade Modernes. Erst langsam geht
die neue Art ganz ins Blut über und zur äußeren Form tritt die innere bildende Seele.
Aber es fehlten jetzt die großen Aufgaben der Gotik, kleine Täfelchen mit pikanten
Darstellungen aus der Antike oder dem Alten Testament, Schmuck für das Haus des
reichen Kaufherrn, elegante Grabsteine für Gelehrte und Bürger traten an die Stelle
der großen Altarbauten. Die bürgerliche Kleinplastik, die Kunst des Medailleurs lösten
die kirchliche Kunst ab. Nur Augsburg konnte die alte Kunst in das neue Wesen um-
formen, im übrigen Schwaben nahm alles ein jähes Ende.
Die Zahl der uns bekannten Meister ist groß und viele von ihnen haben guten Klang
in der deutschen Kunst, wenn auch ihre Namen erst die jüngste Zeit ans Licht gebracht
hat. Vieler großen Künstler Namen aber liegen noch im Dunkel. Im Grunde ist auch
hier der Name Schall und Rauch und das große Kunstwerk bedarf keiner, oft nur ein
Wort bedeutender Etikette, um zum Herzen zu sprechen. Sie alle sichern der gotischen
Skulptur Schwabens einen ersten Platz in der Kunst der übrigen deutschen Stämme,
obwohl keine überragende Künstlerpersönlichkeit, wie sie Franken in Riemenschneider,
Veit Stoß und Peter Vischer, Altbayern in Hans Leinberger und Grasser besitzt, als
Repräsentant der Stammeskunst gelten könnte. Sich gleich in Kunst und Erfahrung
steht in jedem Landesgebiet eine Anzahl von Meistern vor uns, von , denen jeder ein
Großer ist, aber keiner die anderen so überragt, daß die Nachbarn in seinem Schatten
stehen würden. Die Stammesart bindet jeden so fest, daß er über die andern hinweg
den Griff zum Höchsten nicht machen darf. Seine Kunst hat es auch nicht nötig, die
Größe dieser Meister liegt auf ganz anderem Gebiete und für dämonisch wilde Genialität
war Schwaben nie ein Nährboden.
Die erste greifbare Persönlichkeit, die gleichsam als Mittler zwischen der schwin-

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