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Die argivischen Akrotere wurden von Eichler112) vor allem wegen der an der Tempelsima113)
zu beobachtenden übereinstimmenden Blattgestaltung mit der Errichtung des Baues (420 — 10)
zeitlich eng verknüpft. Unsere Vorderansichten der Fragmente XIII und XIV aus Akroter B
(Taf. XVIII 2 u. XX 1) bestätigen jene Feststellung entschiedener als die Rückseiten dieser
Fragmente, die Eichler abbildete114); in gleicher Weise können die vorderseitigen Blattformen
der Bodengewächsblätter und des unteren Stammknotens von B verglichen werden (Taf. XV
3, 4; XVI 2). Aus dem Akroter A könnte man vielleicht auch noch die Zwickelblüten der
Innenspiralen anführen, während die Blattformen des Bodengewächses und der Stamm-
knoten von A kaum zum Vergleich mit der Sima auffordern. Doch können diese in anderer
Weise verglichen werden: Die Stammknotenblätter mit ihrer muldigen Gliederung und
ihren weichen Blattrandbögen kommen dem Weigandschen „Palmettenlaub", einer zeit-
genössischen häufigen Blattform115) sehr nahe, die besonders von den Stammknoten und
Palmettenkelchen des Parthenonakroters A her bekannt ist. In den Bodengewächsblättern
aber mit ihren herausgewölbten ,Pfeifen', die sich am Rande vermutlich eingezogen haben,
und den dazwischenliegenden, sehr wahrscheinlich zackig endenden, schärferen Faltungen
dürfen wir ein frühes Beispiel derjenigen Blattart erkennen, die sich dann am Anthemienband
des Grabmals der 394 bei Korinth gefallenen Ritter einfindet116). Wir haben somit keinen
Anlaß, die Akrotere Argos A und B zeitlich voneinander zu trennen; beide Akrotere
werden als jüngste Architekturglieder des Tempels, kurz nach den Giebelfiguren, etwa um
410 entstanden sein. Zu den die Bekrönungsspiralen einleitenden Stammausläufen und
den hier zu den Spiralen vermittelnden Hüllblättchen im Akroter B sei schließlich auf die
Sima des Athener-Tempels auf Delos117) hingewiesen: zum erstenmal begegnen wir hier
diesem Motive118).
Eine vergleichende Gegenüberstellung der vier Akroterrekonstruktionen vom Parthenon und
aus Argos darf nun wohl trotz mancherlei ungewiß bleibender Faktoren gewagt werden: Von
den vierspiraligen Akroteren (Parthenon B, Argos B) erweist sich das parthenonische durch
seine vornehme Detailzeichnung als das athenische Meisterwerk hoher Schule, das argivische
als ein Bildhauerwerk schöner, schwerfällig ernster Sprache. Deutlich zeigt sich auch, daß Par-
thenon B einen strafferen Wuchs aufwies, während Argos B ein kurvenreicheres, insofern
auch ein gewissermaßen schwerflüssig-ornamentales Gebilde darstellte, ein Unterschied, der
sich wohl eher aus stilistischer Entwicklung als aus landschaftlicher Bedingung erklärt: eine
Nuance zur ,Barockisierung', die auch durch die Stammausläufe mit den zu den Bekrönungs-
spiralen überleitenden Hüllblättchen, die Verdoppelung der Blattkelche der oberen Stamm-
knoten, die weit ausladenden unteren Stammhüllblätter offenbar wird.
Den aus diesem Vergleich sich ergebenden Unterschied wird man ähnlich auch für die sechs-
spiraligen Akrotere der beiden Tempel, für Parthenon A und Argos A erwarten und bestätigt
finden. Dem steil im Bodengewächs stehenden und hier in feiner s-förmiger Schwingung
straff aufstrebenden Stammpaar in Parthenon A — eine differenzierte Führung, die gewiß als
eine einmalige kühne Schöpfung eines größten Meisters angesehen werden muß, dessen hohe
Kunst wir auch durch die unvergleichlichen Einzelformen verfolgen können — steht in Argos A
eine weicher lastende Stammkurvierung gegenüber. Trotz des prächtigeren Aufbaus des
Bodengewächses von Parthenon A wirkt die Gesamterscheinung hier minder artikuliert, ge-
schlossener. So wenig auch von Argos A erhalten sein mag, man kann doch nur einen wechsel-
volleren Umriß, ein Sichwölben, -öffnen und -vordrängen der Formen erschließen; es fällt vor

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