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Gross, Walter Hatto
Bildnisse Traians — Das römische Herrscherbild, Abteilung 2 ; 2: Berlin, 1940

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https://doi.org/10.11588/diglit.42302#0116
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XI. DIE MÜNCHENER BÜSTE
UND DER SCHÖNE KOPF IN OSTIA

Taf. 32, b Die Münchener Glyptothek beherbergt eine Büste Traians (72), deren un-
gewöhnlich schöne Erhaltung und Arbeit bestechend wirken. Über der nackten
Brust der breiten, tiefen Büste trägt der Kaiser einen Schwertriemen, der wenig
seitlich der Mitte des unteren Büstenrandes endigt; die Kanten des schmalen
Bandes sind durch Rillen abgesetzt. Über der linken Schulter liegt die Aegis, das
Attribut des obersten Staatsgottes. Aus den vier umgeschlagenen Ecken des
Felles kommen die Schlangenleiber hervor und ringeln sich in genau abgewogenen
Windungen; zwischen ihnen, etwas nach oben verschoben, findet sich das Gor-
gonenhaupt, von langen, wellig fließenden Haaren umgeben, unter dem Kinn
der übliche Schlangenknoten. Zu diesen Abzeichen der Göttlichkeit kontrastiert
der Schmuck des Hauptes, die Bürgerkrone, die an der Rückseite durch ein Band
zusammengehalten ist, dessen Enden in mäanderartigen Windungen über die
Schulter herabfallen. In der Mitte vorn ist in den Eichenkranz ein Medaillon
eingelassen, das einst durch Bemalung näher charakterisiert war, sei es, daß hier
eine goldene Platte saß, vielleicht durch Treibarbeit verziert, sei es, daß ein
edler Stein hier eingelassen war. Die Haare, die unter der Krone in die Stirn
herabfallen, sind nach keinem der bekannten Typen angeordnet, sondern folgen
eigenen Gesetzen. Sie sind in eng nebeneinanderliegende Locken geteilt, deren
Enden von der Mitte bis zum rechten Ohr gleichmäßig schlicht nach unten ge-
strichen sind, die Enden sind leicht auswärts bewegt. Auf der anderen Kopfseite
liegen die Strähnen komplizierter; in der Mitte des Gesichts ergibt sich durch
Richtungswechsel eine kleine, etwa dreieckige Lücke, die durch eine eingeschobene
Locke aus einer nur hier und an der entsprechenden Stelle weiter links sichtbar
werdenden unteren Haarschicht ausgefüllt wird. Auf die erste und einzige in
der Richtung zum linken Ohr hin schwingende Stirnlocke folgt eine Reihe
weiterer Strähnen in der umgekehrten Richtung; an der Stelle des Aufeinander-
treffens der Richtungen ergibt sich eine infolge der fast senkrecht fallenden
Locken sehr schmale Zange. Wenig seitlich des linken äußeren Augenwinkels
folgt dann wieder ein Richtungswechsel, dessen Trennungslücke behandelt ist
wie die in der Mitte. Da alle Locken nicht scharf bestimmt sind in ihrer Form,
sondern weich und fast unklar gebildet sind (sie erinnern in gewisser Weise an
den Basaltkopf des Thermenmuseums), sind die einzelnen Motive nicht auffällig,
sondern man muß sie sich erst mühsam zusammensuchen; sie beleben den gleich-
mäßig, etwas langweilig wirkenden Haarkranz nicht. Es scheint durchaus, der
Künstler habe kein besonderes Interesse an der Anordnung und Durchgestaltung
der Haarpartie gehabt und habe sie darum so gleichgültig behandelt. Das ist
aber auch der einzige Punkt, welcher Schärfe der Form vermissen läßt; im übrigen
ist gerade die Schärfe und Klarheit der Form, die Härte und Nüchternheit der
Arbeit charakteristisch für den Stil des Werkes. Das Gesicht des Kaisers ist fast

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