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manismus entflammter Nürnberger, Christoph Scheuri, der am 23. De-
zember zum Doktor promovierte. Vielleicht hat Dürer seine Heimreise
deshalb nochmals verschoben, zumal auch ein politischer Umsturz in Bo-
logna eintrat, als Papst Julius II. am 6. November dort seinen Einzug
hielt. Ob Dürer damals Michelangelo begegnete, der mit einer Monumen-
talstatue des Papstes beauftragt war?
Christoph Scheuri jedenfalls hat bald darauf (1508) in der zweiten Auf-
lage einer Rede, die er vor deutschen Landsleuten zum Lobe Germaniens
und Nürnbergs gehalten hat, berichtet, wie begeistert Dürer, der über
Ferrara geritten kam, in Bologna aufgenommen wurde. Die Künstlerschaft,
an der Spitze das Haupt der Bologneser Malerschule Francesco Francia,
mit dem Scheuri befreundet war, begrüßten ihn als zweiten Apelles. Sie
räumten ihm in der Malerei die erste Stelle in der ganzen Welt ein und
versicherten, daß sie heiterer sterben würden, nachdem sie den so ver-
ehrten Albrecht Dürer gesehen hätten. Wenn das auch humanistische Lo-
besformeln sind und nicht allzu genau genommen werden dürfen, bekun-
den sie doch das Ansehen, dessen sich Dürer erfreute. Gleichzeitig wurden
ihm auch poetische Huldigungen zuteil, die von dem Humanisten Richard
Sbrullius stammen, den Dürer während seines Besuches porträtiert hat.
Ein weiteres Zeugnis für den großen Eindruck, den seine Erscheinung in
Venedig gemacht hat, findet sich in einem Fresko in der Scuola del Car-
mine zu Padua, das Giulio da Campagnola 1506 gemalt hat (Abb. 84).
Aus einer Schar anderer durchschnittlicher Köpfe hebt sich das blasse, ver-
geistigte, schmale Antlitz Dürers seltsam heraus. Seine Augen blicken for-
schend und sinnend zugleich den Beschauer an. Angesichts dieses fragen-
den Blicks, dieser kühn geschwungenen Nase, des dünnen Kinnbarts und
der langen, bis über die Schulter herabfallenden Haare, verstehen wir,
welches Aufsehen Dürers Erscheinung in Venedig erregen mußte.
In dem schon genannten langen letzten Brief lesen wir: »So mir Gott
heim hilft, weiß ich nit, wie ich mit Euch leben soll euer großen Weisheit
halben... Aber so Ihr so groß geachtet daheim seid, werdet Ihr nimmer
auf der Gassen mit einem armen Maler zu reden wagen...« Wohl sind
diese Worte ironisch gemeint, aber sie entstammen doch dem neuen Selbst-
gefühl, das ihm der Süden geschenkt hat. »Ich bin ein Tzentillam (ein
Edelmann) zu Venedig worden.«
Dürer ist zwar von seiner Heimat zu keiner Stunde verkannt worden.

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