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Marées, Hans von; Grote, Ludwig
Die Fresken in Neapel — Werkmonographien zur bildenden Kunst in Reclams Universal-Bibliothek, Band 35: Stuttgart: Reclam, 1958

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https://doi.org/10.11588/diglit.62595#0006
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Die strengen, hohen Ansprüche, die er an sich stellte,
machten ihm alle verächtlich, die Leben und Kunst leicht
nahmen. Er war stolz auf seine Erkenntnis des Wesens
der Kunst und ihrer Gesetze, aber er war niemals mit der
Verwirklichung im Werke zufrieden. Die ständige Selbst-
kritik, der Wechsel von Hochgefühl und seelischer Not
machte ihn im Umgange auch für seine Freunde über-
empfindlich und schwierig.
Sehr bald fand Marees Jünger, die an seine Sendung
glaubten. Conrad Fiedler sah in ihm den großen Ordner
der aus den Fugen geratenen Zeit. Mit jedem Schritt, den
er Marees näher kam, glaubte er das Wesen der Kunst
besser zu erfassen und wurde für Marees der selbstloseste
aller Mäzene. Seinen Johannes fand Marees in Hilde-
brand. Alles, was er unter schweren Mühen erringen
mußte, sah er diesem Jüngling als Geschenk zufallen.
„Du bringst eigentlich alles von der Natur mit, du
brauchst nur zu lernen, nur immer feiner zu werden."
Im Jahre 1870 kehrte Marees nach Deutschland zu-
rück. Nach dem deutsch-französischen Krieg arbeitete er
mit Hildebrand in Berlin Wand an Wand. Hier trat der
Schotte Charles Grant zu ihnen. Nur wenig älter als
Hildebrand, war er in Jena dessen Lehrer und Freund
geworden. Mittellos von Haus aus, aber auch sozial aus
Überzeugung, von tiefem Mitgefühl für die Armen be-
seelt und grenzenlos gutmütig, liebte er das einfache
Volk und lebte auf seinen Wanderungen bedürfnislos in
seiner Mitte. Grant war von Deutschland begeistert und
bewunderte die Dichtung seines klassischen Zeitalters. In
Berlin sprang sofort die Verehrung Hildebrands für Ma-
rees auf ihn über, und er begann dessen Aussprüche über
die Kunst zu sammeln. Eine schwere Erkrankung Hilde-
brands trennte die Freunde. Die Berliner Atmosphäre
lähmte die Schaffenskraft Marees. Er siedelte nach Dresden
über, wo Fiedler ihm ein Atelierhaus baute, nachdem er
ihn schon vorher von wirtschaftlichen Sorgen unabhängig
gemacht hatte. Marees malte einige hervorragende Bild-
nisse, aber zu seinem eigentlichen Werk fand er keine
Sammlung. Er rieb sich an den Ecken und Kanten der
engen deutschen Verhältnisse wund. Die Sehnsucht nach

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