Hunderts strahlen alle die selige Verträumtheit einer Schönen Madonna aus, während am
Ende des Jahrhunderts sowohl Gesichtsausdruck, Faltenwurf als auch die Herbheit der
großen holzgeschnitzten Figuren und Altäre sich auch in den kleinen Figuren ausprägt
(Tafel 14).
Das ausgehende fünfzehnte Jahrhundert bringt noch einmal die Durchdringung des kirch-
lichen Geräts mit Architekturwerk, und zwar in Gestalt von Turmmonstranzen, die im
Osten oft eine beträchtliche Höhe aufweisen. Diese Art der Turmmonstranz hält sich fast
bis in die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts. Das typische Beispiel dieser Art dürfte
die aus der katholischen Pfarrkirche von Ratibor vom Jahre 1495 sein (Tafel 13). In ihrer
Höhe von 128 cm ist sie allein schon ein außerordentlich repräsentatives und stattliches
Stück. Ob sie direkt einem Breslauer Meister oder einem aus Neiße zugewiesen werden
muß, wird wegen Mangel an archivalischen Unterlagen wohl kaum geklärt werden können.
Für die Behauptung, daß Veit Stoß in Krakau zumindest den Entwurf für diese Monstranz
geliefert habe, sind keinerlei Beweise vorhanden. Hier dürfte wohl der Wunsch der Vater
des Gedankens sein. Jedenfalls erinnern die kleinen Heiligenfigürchen, die unter Bal-
dachinen angebracht sind, ebenso wie die plastische Halbfigur des aus erstehenden Christus
an die kleinen Reliquiare, die als Breslauer Arbeiten völlig gesichert sind. Eine in Schlesien
mehrfach vorkommende Form zeigt die Monstranz aus der katholischen Pfarrkirche von
Glogau, eine Arbeit des Breslauer Goldschmieds Oswald Rothe. Auf achtpassigem, stark
gebuckeltem Fuß erhebt sich über sechskantigem Schaft eine turmartige Architektur mit
Maßwerk, Fialen und vielen Figürchen. Sie dürfte in ihrer architektonischen und
statischen Wirkung neben der Ratihorer eine der besten Arbeiten des späten Mittelalters
in Schlesien sein. — Das Ende des fünfzehnten Jahrhunderts bringt den schlesischen Gold-
schmieden eine neue Technik. Gelegentlich der Besprechung des Dorotheenreliquiars wurde
das ungarische Drahtemail erwähnt, das sicher durch die enge politische und kulturelle
Anlehnung Schlesiens während der Regierungszeit des Corvin und seiner Nachfolger einige
Verbreitung fand. Um 1500 entstand neben anderen ganz ähnlichen Stücken das Kapsel-
reliquiar aus dem Breslauer Domschatz (Tafel 15), dessen beide Seiten dieses Drahtemail
aufweisen. Rund zwei Jahrzehnte hält diese Mode an, deren letzte Zeugen mehrere Kelche
des Domschatzes sind. Der damalige Breslauer Bischof, gleichzeitig Inhaber des Fürsten-
tums Neiße, war Johannes Thurzo, ein begeisterter Förderer der Künste. Er stammte aus
einem ungarisch-zipser Bergherrengeschlecht und mag vielleicht der Mittler zwischen
Schlesien und dem damals angrenzenden Ungarn gewesen sein. Daß diese Emailarbeiten
jedenfalls nicht in Ungarn, sondern in Breslau gefertigt wurden, ist durch die Tatsache
bewiesen, daß wir für diese Kelche (Tafel 22) den Meister Erasmus Schleupner in An-
spruch nehmen können. Als Zierat an Reliquiaren und Kelchen finden wir neben dem
Drahtemail das getriebene oder gegossene Laubwerk, das sich stilistisch eng an das
Sprengwerk spätgotischer Altäre anschließt. Beispiele dafür sind das Kapselreliquiar aus
dem Diözesanmuseum (Tafel 16) und die breite Rankenborte um die Dorotheenbüste.
Ein Einzelstück seiner Art ist das 1511 von dem schon mehrfach erwähnten Bischof
Johannes Thurzo gestiftete Retabelreliquiar im Breslauer Domschatz, das eine Inschrift
in Niello und außerordentlich zarte Gravierungen auf Vorder- und Rückseite aufweist
(Tafel 17). Sicher ist es Thurzos Kunstfreudigkeit zuzuschreiben, wenn wir gerade aus
seiner Regierungszeit in so reichlichem Maße künstlerisch bedeutsame Werke im Dom
und anderen Breslauer Kirchen erhalten haben. Von Oswald Rothe, dem Meister der
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Ende des Jahrhunderts sowohl Gesichtsausdruck, Faltenwurf als auch die Herbheit der
großen holzgeschnitzten Figuren und Altäre sich auch in den kleinen Figuren ausprägt
(Tafel 14).
Das ausgehende fünfzehnte Jahrhundert bringt noch einmal die Durchdringung des kirch-
lichen Geräts mit Architekturwerk, und zwar in Gestalt von Turmmonstranzen, die im
Osten oft eine beträchtliche Höhe aufweisen. Diese Art der Turmmonstranz hält sich fast
bis in die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts. Das typische Beispiel dieser Art dürfte
die aus der katholischen Pfarrkirche von Ratibor vom Jahre 1495 sein (Tafel 13). In ihrer
Höhe von 128 cm ist sie allein schon ein außerordentlich repräsentatives und stattliches
Stück. Ob sie direkt einem Breslauer Meister oder einem aus Neiße zugewiesen werden
muß, wird wegen Mangel an archivalischen Unterlagen wohl kaum geklärt werden können.
Für die Behauptung, daß Veit Stoß in Krakau zumindest den Entwurf für diese Monstranz
geliefert habe, sind keinerlei Beweise vorhanden. Hier dürfte wohl der Wunsch der Vater
des Gedankens sein. Jedenfalls erinnern die kleinen Heiligenfigürchen, die unter Bal-
dachinen angebracht sind, ebenso wie die plastische Halbfigur des aus erstehenden Christus
an die kleinen Reliquiare, die als Breslauer Arbeiten völlig gesichert sind. Eine in Schlesien
mehrfach vorkommende Form zeigt die Monstranz aus der katholischen Pfarrkirche von
Glogau, eine Arbeit des Breslauer Goldschmieds Oswald Rothe. Auf achtpassigem, stark
gebuckeltem Fuß erhebt sich über sechskantigem Schaft eine turmartige Architektur mit
Maßwerk, Fialen und vielen Figürchen. Sie dürfte in ihrer architektonischen und
statischen Wirkung neben der Ratihorer eine der besten Arbeiten des späten Mittelalters
in Schlesien sein. — Das Ende des fünfzehnten Jahrhunderts bringt den schlesischen Gold-
schmieden eine neue Technik. Gelegentlich der Besprechung des Dorotheenreliquiars wurde
das ungarische Drahtemail erwähnt, das sicher durch die enge politische und kulturelle
Anlehnung Schlesiens während der Regierungszeit des Corvin und seiner Nachfolger einige
Verbreitung fand. Um 1500 entstand neben anderen ganz ähnlichen Stücken das Kapsel-
reliquiar aus dem Breslauer Domschatz (Tafel 15), dessen beide Seiten dieses Drahtemail
aufweisen. Rund zwei Jahrzehnte hält diese Mode an, deren letzte Zeugen mehrere Kelche
des Domschatzes sind. Der damalige Breslauer Bischof, gleichzeitig Inhaber des Fürsten-
tums Neiße, war Johannes Thurzo, ein begeisterter Förderer der Künste. Er stammte aus
einem ungarisch-zipser Bergherrengeschlecht und mag vielleicht der Mittler zwischen
Schlesien und dem damals angrenzenden Ungarn gewesen sein. Daß diese Emailarbeiten
jedenfalls nicht in Ungarn, sondern in Breslau gefertigt wurden, ist durch die Tatsache
bewiesen, daß wir für diese Kelche (Tafel 22) den Meister Erasmus Schleupner in An-
spruch nehmen können. Als Zierat an Reliquiaren und Kelchen finden wir neben dem
Drahtemail das getriebene oder gegossene Laubwerk, das sich stilistisch eng an das
Sprengwerk spätgotischer Altäre anschließt. Beispiele dafür sind das Kapselreliquiar aus
dem Diözesanmuseum (Tafel 16) und die breite Rankenborte um die Dorotheenbüste.
Ein Einzelstück seiner Art ist das 1511 von dem schon mehrfach erwähnten Bischof
Johannes Thurzo gestiftete Retabelreliquiar im Breslauer Domschatz, das eine Inschrift
in Niello und außerordentlich zarte Gravierungen auf Vorder- und Rückseite aufweist
(Tafel 17). Sicher ist es Thurzos Kunstfreudigkeit zuzuschreiben, wenn wir gerade aus
seiner Regierungszeit in so reichlichem Maße künstlerisch bedeutsame Werke im Dom
und anderen Breslauer Kirchen erhalten haben. Von Oswald Rothe, dem Meister der
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