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Erstes Kapitel.
Das Erbe.

Goethe gab in den „Propyläen" des Jahres 1801 eine
„flüchtige Übersicht" über die Kunst in Deutschland, in der er mit
wenig Worten den Stand der Leistungen in den verschiedenen
Hauptstädten des Schaffens darzustellen bestrebt war.
Man kann, bei aller Verehrung für den Großmeister, der ge-
rade damals ans Werk herangetreten war, durch die Propyläen
der deutschen Kunst einen neuen Mittelpunkt zu schaffen, sich des
Staunens darüber nicht erwehren, wie arm, wie „flüchtig" diese
Übersicht ist.
Sie hat ihm böses Blut von verschiedenen Seiten eingetragen;
namentlich von Berlin. Dort schien Goethe der Naturalismus
mit der Wirklichkeits- und Nützlichkeitsforderung zu Hause zu sein
und der prosaische Zeitgeist sich am meisten zu offenbaren. Poesie,
sagt er, wird durch Geschichte, Charakter und Ideal durch Porträt,
symbolische Behandlung durch Allegorie, Landschaft durch Aussicht,
das Allgemein-Menschliche durchs Vaterländische verdrängt. Viel-
leicht überzeuge man sich bald, daß es keine patriotische Kunst und
patriotische Wissenschaft gebe. Beide gehören, wie alles Gute, der
ganzen Welt an und können nur durch allgemeine, freie Wechsel-
wirkung aller zugleich Lebenden in steter Rücksicht auf das, was
uns vom Vergangenen übrig und bekannt ist, gefördert werden.
Wen meinte Goethe mit diesen Aussprüchen? Bernhard Rode,
Fritsch, Meil, Darbes, Weitsch und wie die Maler der Berliner
Akademie alle hießen? Es ist in dem Aufsätze hiervon nichts gesagt.
Wohl aber antwortete einer der besten, den Berlin besaß, der Bild-
hauer Gottfried Schadow. Für ihn ist ein Naturalist der, der
. Gurlitt, Kunst. 3. Aust. 1
 
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