Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verlag Fritz Gurlitt (Berlin) [Contr.]
Almanach auf das Jahr ... — 1919

Citation link:
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/gurlitt_almanach1919/0032

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
22

LOVIS CORINTH

brandet und Mitleid nicht kennt. Die wächst ihm zum Gleichnis auf
für den eigenen Lebensweg. Von hier aus hat er die Wanderung zum
Berge der Kunst angetreten, klaren Auges, seiner Kraft sich bewußt.
Ohne Straucheln, ohne abzuirren, hat er vierzig Jahre lang gemalt, in
München, in Antwerpen und Paris, in Königsberg und wiederum in
München, bis er spät in Berlin seßhaft wird, das ihn in entscheidenden
Jahren zu den Seinen zählt.
Corinth, das ist die letzte Einheit aus Persönlichkeit und '
künstlerischer Kraft, die Synthese von innerem Erleben und malerischem
Gefühl. In seiner Frühzeit, als er u. a. das lebensstarke Bildnis seines
Vaters malt, liegt ihm noch ein Schuß reinen Akademikertums im
Blute (von Königsberg her, wo er die erste technische Schulung er-
hielt) , aber der hält nicht lange vor. Das Beispiel der Alten, die ihm
wesensverwandt sind, der Rubens und Hals vor allem, läßt ihn
schnell gesunden — und so sehr ihn auch der Geschmack des Tages in
Versuchung führt und zu billigen Erfolgen lockt, er verharrt standhaft
und fest, malt lieber überhaupt nicht, als daß er jenen Modemalem ein
Zugeständnis machen möchte — und er bleibt so, was er immer ge-
wesen — Corinth.
Wie wenige Künstler haben damals ähnlich an ihrer Persönlich-
keit festgehalten, wie wenige den Mut der Konsequenz besessen. An
Talenten war gewiß kein Mangel, wie späte Entdeckungen längst
dargetan, aber sie sind weggespült worden von der breiten Woge
jenes schlimmen künstlerischen Banausentums, das die öffentliche
Meinung beherrschte, das billigen Eintagserfolgen nachhing, das in
jenen Tagen — man kann es heute ruhig aussprechen — speziell
das Schicksal der süddeutschen Kirnst gewesen ist. Corinth erkannte
fast zu spät, daß in München seines Bleibens nicht mehr sei — das
war der Moment seiner letzten Befreiung.
Berlin hat ihm raschen Erfolg auch nicht gebracht. Aber es
stellte ihn an der Seite der Leistikow und Liebermann mitten hinein
 
Annotationen