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Verlag Fritz Gurlitt (Berlin) [Contr.]
Almanach auf das Jahr ... — 1919

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140

MEHMED ALI

ME HM ED ALI*
Eine Erzählung aus dem Orient
Von Herbert Eulenberg
Spät am Abend erst kam in das kleinasiatische Städtchen, bei
dem Mehmed Ali wohnte, die Nachricht, daß sich am andern Morgen
die Redifs, die Landwehrleute zwischen fünfundzwanzig und dreißig
Jahren, zum Kriegsdienst zu melden hätten. Sie traf ihn gerade noch,
als er im Begriff war, mit einem neu gekauften Strick für sein Maultier
und mit einer Oke Salz, die er beim Krämer erstanden hatte, nach
Hause zu gehen. Er war etwas länger im Städtchen geblieben, weil
es sehr schwül war und er den weiten Heimweg von zwei Stunden
erst in der Abendkühle antreten wollte. Da packte ihn, als er einen
letzten Trunk am Brunnen auf den Marsch mitgenommen, das Auf-
gebot, das von einem Trommelschläger und einem Gendarmen in den
Straßen verkündet wurde.
Mehmed Ali war sechsundzwanzig Jahre alt, mithin an der Reihe
auszurücken. Als ihm nach ein paar Fragen an die herumstehenden
Städter die Sache eingegangen war, wurde er traurig wie nie zuvor.
Er machte sich hurtig fort und atmete erst wieder auf, als er die
letzten Häuser hinter sich hatte. Über die Maisfelder, durch die er
nach Hause schritt, warf der Mond sein stilles, rötlich-gelbes Licht.
Das rastlose Zirpen der Grillen, das nächtliche Uhrticken der Natur

* Aus dem in Vorbereitung befindlichen Novellenband „Kriegsgeschichten“.
 
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