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Verlag Fritz Gurlitt (Berlin) [Contr.]
Almanach auf das Jahr ... — 1920

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WIE ICH DAS RADIEREN LERNTE

schmiererei satt bekam und nur noch in der zeichnerischen Art
weiter studieren wollte.
Wie Christus und Mohammed sich in die Wüste zurückzogen,
sich in die Einsamkeit retteten, um ihre Lehren zu kontrollieren, so
tat ich auch mit meinen Arbeiten. Als nun ein Farbenreiber in
mein Atelier eintrat, um Farben zu verkaufen, beichtete ich ihm
kleinlaut, daß ich nicht mehr malen wollte und deshalb auch keine
Farben benötigte. Ein Blick, den er auf meinen ganz verstaubten
Malkasten warf, schien ihm tatsächlich meine Absicht zu bestätigen.
Mit dem eifrigen Zeichnen hatte ich es bereits zu einer umfang-
reichen Kollektion gebracht — die Titel waren: „Versuchung
des Antonius", „Weiber von Weinsberg", „Marie Antoinette zum
Schafott", und viele Arbeiten schwebten mir noch vor, mit denen
ich hauptsächlich durch ausgefallene Originalität der Motive dem
Publikum und meinen Kollegen zu imponieren gedachte. Zu
Radierungen war dank diesen zahlreichen Kompositionen leicht
ein Zyklus zusammengestellt, wo ich nur nach Wunsch interessante
Motive auszuwählen brauchte. Mit gewisser Vorsicht ging ich nun
an die Ausführung meines Gedankens. Vor allen Dingen berechnete
ich die Größe der Platten und den Preis derselben. Zufällig wollte
nun der Maler Hubert von Heyden, mit dem ich zu jener Zeit
befreundet war, zwei Platten verkaufen, welche gerade der Größe
meiner Entwürfe entsprachen. Vor einigen Jahren hatte er ein
Löwenpaar in Riesenformat radiert, und diese Platte hatte er dann,
nachdem er sie ausgenutzt hatte, halbiert und abschleifen lassen. Er
versprach mir auch, daß er bei dem Ätzen helfen wollte, und so ging
ich denn mit frischem Mut an die Ausführung meines Radierungs-
zyklus „Tragikomödien". Wenn ich nun eine Komposition fertig geätzt
hatte und sie drucken ließ, so ließ ich die vorige Platte abschleifen,
damit ich für die andern Entwürfe wieder Platz hatte. So kam es,
daß ich das ganze Werk mit nur zwei Platten beendigen konnte.
 
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