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Verlag Fritz Gurlitt (Berlin) [Contr.]
Almanach auf das Jahr ... — 1920

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DER ALMANACH

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erst in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts auf dem
Umwege über Frankreich. In dem unendlich geringen Bücher-
vorrat, den ein Haushalt, selbst ein besserer, seinen Angehörigen
zur Verfügung stellte, hatte der Kalender schon von jeher einen
Ehrenplatz behauptet, was nicht eben schwer war, denn außer
Bibel und Kochbuch gehörte nichts weiter dazu. Nun macht man
ihn zum Vehikel, auf dem man dem schönen Geschlecht alle die
Kenntnisse zukommen läßt, die es bis dahin hatte entbehren müssen.
Dazu ändert der alte Kalender seine Form und seinen Namen.
Aus dem unförmigen Heft mit den grobkalibrigen Monatsbildern
wird ein zierliches Duodezbändchen, aus dem abgedroschenen
Kalender der kokette Almanach. Der seit 1765 in Paris erscheinende
„Almanac des Muses" ist der Stammvater eines Geschlechtes
geworden, das sich vermehrte wie der Sand am Meer. Ein in
Göttingen lebender Verleger J. C. Dietrich faßte die Idee, eine
ähnliche Blumenlese lebender deutscher Dichter zu veranstalten
und führte sie 1770 mit Hilfe von Bürger, Hölty, Voß u. a. auch
aus. Der erste Göttinger Musenalmanach war indessen noch nicht
erschienen, da hatte der Leipziger Verleger Schwickert dem
Göttinger Kollegen auch schon seine Idee und sein Material dazu
gestohlen, und zwar mit solcher Fixigkeit, daß der Leipziger Nach-
druck noch vor dem Göttinger Original herauskam. Dieser Alma-
nach hat, man möchte sagen, das Tor aufgestoßen, durch das sich
alsbald eine Schar von Nachahmern drängte. Dem Göttinger und
Leipziger folgen der Frankfurter, Berliner, Wiener, Salzburger,
der schwäbische, schweizerische, schlesische, österreichische,
rheinische, hessische, pfalz-bayrische und Gott weiß wie viele
Musenalmanache noch. Keine Landschaft, die den Musen nicht
ein besonderes Opfer hätte darbringen wollen, kein Dichter, den
es nicht gekitzelt hätte, seinen eigenen Musenalmanach heraus-
zugeben. So sind in den fünf Jahrgängen von Schillers Musen-
 
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