ALTCHINESISCHE KÜNSTLERLEGENDEN 163
ALTCMIJNESISCHE
%ÜJN STLERLEGENDE7N
Von Curt Glaser
Im achten Jahrhundert unserer Zeitrechnung lebte in China
der große Meister Wu Tao-tzu, dessen Ruhm die alten Malerbücher
nicht müde werden zu verkünden. Folgendermaßen lautet die Er-
zählung von seinem geheimnisvollen Ende:
„In dem Palaste des Kaisers Ming Huang waren die Wände
von großem Ausmaße. Auf eine von ihnen befahl der Kaiser dem
Wu Tao-tzu eine Landschaft zu malen. Der Meister bereitete sein
Gerät, ließ die Wand durch Vorhänge verhüllen und ging ans Werk.
Nach einer kurzen Weile zog er die Hüllen hinweg, und es war
ein herrliches Landschaftsbild zu sehen mit Bergen und Wäldern
und Wolken und Menschen und Vögeln und allen Dingen gleichwie
in der Natur selbst. Während der Kaiser noch in Bewunderung
versunken war, wies Wu auf eine Stelle des Bildes hin und sagte:
,Betrachtet diese Tempelgrotte am Fuße des Berges. Darinnen haust
ein Geist.' Dann klatschte er in die Hände, und dasTor der Höhle tat
sich plötzlich auf. ,Das Innere ist über alle Maßen herrlich', fuhr
der Meister fort, ,erlaubt mir, Euch den Weg zu weisen, damit Eure
Herrlichkeit die Wunder, die es birgt, betrachte.' Er schritt hinein und
wandte sich noch einmal um, seinem Herrn zu winken. Aber im
Augenblick schloß sich das Tor, und bevor der erstaunte Herrscher
einen Schritt zu tun vermochte, entschwand die Landschaft, und die
Wand war wieder weiß, wie sie gewesen, bevor sie des Meisters
Pinsel berührte. Wu Tao-tzu aber ward nimmermehr gesehen.«
ALTCMIJNESISCHE
%ÜJN STLERLEGENDE7N
Von Curt Glaser
Im achten Jahrhundert unserer Zeitrechnung lebte in China
der große Meister Wu Tao-tzu, dessen Ruhm die alten Malerbücher
nicht müde werden zu verkünden. Folgendermaßen lautet die Er-
zählung von seinem geheimnisvollen Ende:
„In dem Palaste des Kaisers Ming Huang waren die Wände
von großem Ausmaße. Auf eine von ihnen befahl der Kaiser dem
Wu Tao-tzu eine Landschaft zu malen. Der Meister bereitete sein
Gerät, ließ die Wand durch Vorhänge verhüllen und ging ans Werk.
Nach einer kurzen Weile zog er die Hüllen hinweg, und es war
ein herrliches Landschaftsbild zu sehen mit Bergen und Wäldern
und Wolken und Menschen und Vögeln und allen Dingen gleichwie
in der Natur selbst. Während der Kaiser noch in Bewunderung
versunken war, wies Wu auf eine Stelle des Bildes hin und sagte:
,Betrachtet diese Tempelgrotte am Fuße des Berges. Darinnen haust
ein Geist.' Dann klatschte er in die Hände, und dasTor der Höhle tat
sich plötzlich auf. ,Das Innere ist über alle Maßen herrlich', fuhr
der Meister fort, ,erlaubt mir, Euch den Weg zu weisen, damit Eure
Herrlichkeit die Wunder, die es birgt, betrachte.' Er schritt hinein und
wandte sich noch einmal um, seinem Herrn zu winken. Aber im
Augenblick schloß sich das Tor, und bevor der erstaunte Herrscher
einen Schritt zu tun vermochte, entschwand die Landschaft, und die
Wand war wieder weiß, wie sie gewesen, bevor sie des Meisters
Pinsel berührte. Wu Tao-tzu aber ward nimmermehr gesehen.«