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Hager, Werner
Die Ehrenstatuen der Päpste — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 7: Leipzig: Bibliotheca Hertziana, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.48325#0020
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faz VIII. in Bologna, dem die provinziale Unkenntnis römischer Bräuche zugute
zu halten sein wird, fehlt allen Freifiguren stehender Päpste das wirklich Über-
zeugende; dem begegnen einige, indem sie sich dadurch im Bereiche der maß-
gebenden Vorstellung halten, daß sie das Aufstehen vom Throne andeuten.
Die an die Cathedra gebundene Form der Darstellung ist die einzige, die dem
Inhalte entspricht.
Indem sich also in den Ehrenstatuen das Politische mit der erhabenen Bedeutung
des Bildes auf so sehr bezeichnende Weise verbindet, spiegelt sich in ihnen die
Verquickung des geistlichen und weltlichen Herrschaftsgedankens, welche der
Theorie des dominium temporale zugrunde liegt; sie sind eine der anschau-
lichsten Illustrationen zu der alten Streitfrage der weltlichen Priesterherrschaft.
Dadurch aber unterscheiden sie sich deutlich von den Grabdenkmälern der
Päpste, in denen die Gegenwart des Todes den Gedanken an Macht und Ruhm
sich unterwirft und ein Höheres in Erinnerung ruft.
Die Errichtung von Ehrenstatuen begann an der Schwelle von Mittelalter und
Neuzeit unter dem Papste Bonifaz VIII. Seine Bildsäulen treten in einem bedeu-
tenden weltgeschichtlichen Moment als neues historisch-ikonographisches Phä-
nomen auf, zugleich heben sie sich, durch ein volles Jahrhundert von ihren
nächsten Nachfolgern getrennt, als einzige aus dem engen Kreise der Geschichte
des Kirchenstaates heraus und stehen in einem umfassenden weltpolitischen Be-
züge. Ihr Erscheinen rief eine mächtige Bewegung der öffentlichen Meinung über
die grundsätzliche Frage ihrer Existenz hervor; sie bildeten eines der Hauptargu-
mente in dem berühmten Prozesse1, mit welchem Philipp der Schöne von Frank-
reich das Andenken seines Gegners Bonifaz moralisch zu vernichten suchte,
indem er ihn u. a. beschuldigte, er habe durch die selbstherrliche - also nicht
in mittelalterlicher Weise einem übergeordneten Rahmen eingefügte - öffentliche
Abbildung seiner Person die Menschen zur Idolatrie nach Art des antiken Kaiser-
kultes verführen wollen. Dies und die universalpolitische Tendenz der Bonifaz-
statuen verleiht ihnen eine historische Bedeutung, die über diejenige aller späteren
Papststatuen hinausgeht. Eine Ausnahme davon macht allein die Statue Julius’ II.
in Bologna, die schon wegen der Urheberschaft Michelangelos an Wert aus der
ganzen Reihe weit hervorragt, aber auch durch die Vermessenheit ihrer Errich-
tung über der Kirchentüre mit nie wiederholter Entschiedenheit das Wesen dieser
hieratisch-politischen Ruhmesbilder überhaupt verrät. Der Anstoß, den Bonifaz
1 Dieser Prozeß ist zuletzt ausführlich behandelt worden in der Dissertation von CI. Sommer: „Die Anklage
der Idolatrie gegen Papst Bonifaz VIII. und seine Porträtstatuen“, Freiburg i. Br. 1920. Unter den 29 Anklage-
punkten greift der Verf. den der Verführung des Volkes zur Götzenanbetung heraus. Genannt werden 8 Bild-
nisse des Papstes in Italien, nämlich 5 Statuen, die Büste und das Grabbild in St. Peter und das lateranische
Fresko, ferner eine silbervergoldete Statue, zur Sühne für einen Streit auf Geheiß des Papstes auf den Hochaltar
von Amiens gestiftet.

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