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Hager, Hellmut
Die Anfänge des italienischen Altarbildes: Untersuchungen zur Entstehungsgeschichte des toskanischen Hochaltarretabels — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 17: München: Schroll, 1962

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https://doi.org/10.11588/diglit.48329#0098
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sollen sie dazu dienen, die Erinnerung an den Besuch oder die Stiftung durch den Heiligen zu bewahren.
Ähnlich scheint im Baptisterium zu Parma ein Lunettenfresko des hl. Franz, das ihn ohne die Stigmata
wiedergibt (die Aureole ist später hinzugefügt) auf den 1220/21 erfolgten Besuch anzuspielen. Der ört-
lichen Überlieferung nach soll es sogar während seines Aufenthaltes in Parma entstanden sein. Der Stil
weist jedoch erst auf die Zeit um 1260-1270, der auch die übrige malerische Dekoration angehört16.
In S. Maria Maggiore zu Assisi, deren Apsis der hl. Franz erneuerte, wurde sogar im Zusammenhang mit
der von P. Boverio in der Kalotte überlieferten Darstellung des Poverello durch eine Inschrift ausdrück-
lich auf den individuellen Zusammenhang hingewiesen17: „Nella chiesa di S. Maria Maggiore (quäl dicono
altre volte fosse la cattedrale) dell’istessa cittä si vede un’altra immagine del beato S. Francesco di dietro
dell’altare maggiore in un volto, il quäle avendo similmente un cappuccio lungo con la punta aguzza,
con la destra verso il cielo, mostra con la sinistra un libro aperto, in cui si leggono queste parole S. Fran-
cesco fece fare questa tribuna circa l’anno del Signore 1216 e fu ivi dipinta l’immagine non molto dopo
la sua beata morte, e cannonizatione.“
In Assisi verfügte man in dem Deckel des Sarges, der den Leichnam des hl. Franz vom Zeitpunkt seines
Todes am 4. 10. 1226 bis zu seiner Kanonisation am 16. Juli 1228 enthielt18, sowie in dem Brett, auf dem
er zu schlafen pflegte, über Gegenstände, deren reliquienhafter Wert sie als Malgrund der beiden „Er-
innerungsbilder“ empfehlen mußte, die heute im Tesoro von S. Maria degli Angeli auf bewahrt werden
(Abb. 118; Garr. 53; 1285-1295; Abb. 119; Garr. 52; 1265-1275?). Mit dem von außerhalb nach Assisi
gelangenden Bildtyp kehrt der hl. Franz gleichsam wie von einer Reise in effigie an die Ursprungsstätte
seines Ordens zurück, die sein Lieblingsaufenthalt gewesen ist und wohin er sich kurz vor seinem Tode
hatte transportieren lassen, um dort zu sterben. In noch vollkommenerer Weise als bei den in S. Maria
Antiqua zu Rom (Abb. 13f.) mit Reliquien von Heiligen verbundenen Ikonen treten Bild und Reliquie
hier zueinander, insofern diese durch ihre Tafelgestalt nicht nur ein der Heiligendarstellung beigefügter
Gegenstand ist, sondern als Träger mit ihr zu einer Einheit verschmilzt.
In der zur „Cappella del Transite“ umgestalteten Infermerie, die der Sterbeort des hl. Franz ist, befindet
sich über dem Trecentoaltar in einer Nische, die von Andrea della Robbia gefertigte 1,25 m hohe Statue
des Poverello19. Da sie - auch formatmäßig entsprechend - als Plastik den gleichen Typus vertritt wie
die Tafelikonen, wäre es möglich, daß sie vielleicht der Nachfolger der durch die größere Breite besser
als die sonst auftretenden Stücke für eine Verwendung als Retabel geeigneten Pala des Tesoro ist. Als
Sterbebrett20 steht sie ja zu diesem Raume in einer besonderen Beziehung, auf dessen Altar, nach einer
durch den hl. Bonaventura verbreiteten Legende21, das Herz des hl. Franz auf bewahrt wurde. Leider
besitzen wir über das Bild keine alten Nachrichten. Bevor es in das Museum kam, befand es sich über
dem Altar der Kapelle des hl. Karl Borromäus22.
Das von Cimabue auf den Sargdeckel gemalte Bild gelangte erst nach 1882 aus Privatbesitz, in dem es
sich, die Eigentümer wechselnd, seit seiner Entstehung befunden zu haben scheint, in die Kirche S. Maria
degli Angeli, wo es die Franziskaner an der Außenseite des Oratorio del Transite befestigten23.
Die Pala in S. Francesco a Ripa zu Rom (Abb. 117) wird von Wadding24 in der Sakristei der Kirche
erwähnt. Nach der von ihm überlieferten Tradition soll es sich um die Stiftung der Domina Jacobea de
Septemsolis, einer Verehrerin des Heiligen, handeln. Da die 1603 zu einem Raum vereinigten, zum
Ospizio S. Biagio gehörigen Kammern noch erhalten sind25, in denen der hl. Franz sich mit seinen Ge-
fährten aufhielt, kann mit Wadding angenommen werden, daß diese Stätte der ursprüngliche Standort
des Bildes gewesen ist. Die gegenwärtig erhaltene Tafel ist jedoch erst geraume Zeit nach dem 1239
erfolgten Tode der Gönnerin entstanden (1275-1285). Vermutlich handelt es sich um ein Nachfolgebild.
Im Jahre 1698 machte man die Tafel zum Mittelpunkt des Altaraufbaues26, der aus gewöhnlich ver-
deckten Reliquienbehältem gebildet wird, die durch einen Kurbelmechanismus hervorgedreht werden
können. Vorher befand sich an dieser Stelle ein Bild der Muttergottes und des hl. Franz von Domenico
Cerrini27.
Natürlich besteht auch die Möglichkeit der vom memorialen Anliegen weiter sich entfernenden oder sogar
hiervon unabhängigen Verwendung als gewöhnliches Devotionsbild. Bonaventura28 berichtet, ohne
Nennung eines Namens, von einer vornehmen Römerin, die sich den hl. Franz zum Patron erwählte und
sein Bild in ihrem Gemach auf bewahrte, wo sie zum Heiligen „in abscondito exorabat“. Bei einer solchen
Gelegenheit bemerkte sie, wie sich plötzlich die vom Maler nicht dargestellt gewesenen Wundmale
zeigten.

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