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Hahm, Konrad
Deutsche Volkskunst — Jedermanns Bücherei: Breslau: Ferdinand Hirt, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.73719#0068
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II. Volkskunst und Handwerk

Wasserbütten, Kannen und Becher, Salzfässer und Kuchenformen
mit unermüdlicher Liebe zur Gestaltung in immer neuen Variationen
der geläufigen Muster verziert.
Die edlen Metalle, Silber und Gold, haben in der Volkskunst nur zur
Herstellung von Schmucksachen gedient. Der bäuerliche und klein-
städtische Schmuck für Frau und Mann ist fast allgemein aus Silber.
Goldschmuck ist eine große Seltenheit und wurde im allgemeinen nur
in Ostfriesland getragen. Die Herstellung des bäuerlichen Schmuckes
erfolgte in der Stadt beim Goldschmied, der neben den im Zeit-
geschmack hergestellten städtischen Schmucksachen den zur Volks-
tracht gehörigen Schmuck gesondert anfertigte. Die Ringe und Ohr-
ringe, Spangen und Schließen, Hefteln, Nadeln, Knöpfe, Gürtel, Ketten
zeigen in den verschiedenen Landschaften ein starkes eigenartiges Ge-
präge. In Norddeutschland findet sich, abgesehen von kugelförmigen
Knöpfen, mehr der flache, oft scheibenförmige Schmuck in getriebe-
nem Silber oder Goldblech, das durch Gravierung oder mit aufgesetzten
Filigranornamenten und bunten Glassteinen verziert ist. Er weist in
den Marschgegenden und in Friesland unter holländischem Einfluß in
seiner minutiösen Feinheit bewundernswürdige Leistungen auf. Sehr
altes Formgut findet sich in Norddeutschland in der Herzform des
Brustschmucks, wie in der Verwendung des alten Baummotivs mit
den zwei Vögeln in Verbindung mit Initialen und Datum, oder auch im
siebenbürgischen Brautschmuck, der frühmittelalterliche Schmuck-
formen bis heute bewahrt hat. In Süddeutschland überwiegt der
Silberfiligranschmuck, der ohne Folie weniger graphisch-ornamentale,
sondern gegenständliche Formen erstrebt. In den altschwäbischen
Florschnallen (Abb. 77) erhält er in Frucht-, Blüten- oder Blatt-
gebilden oft eine nervenfeine Struktur.
Auch diese feine alte Kunst der ländlichen Gold- und Silber-
schmiede ist mit dem Boden, auf dem sie gedeihen konnte, mit den
reichen Trachtengattungen, längst historisch geworden, und auch
hierbei muß wieder darauf aufmerksam gemacht werden, daß in
weitesten Volkskreisen, auch bei den für die Pflege und Erforschung
der deutschen Kunst und Kultur berufenen Stellen, bisher eine
erstaunliche Unkenntnis über die reiche nationale Handwerks- und
Geschmackskultur bestand, die gewissermaßen über Nacht zugrunde
ging und sich auch nach ihrer Auflösung einer unerklärlichen Nicht-
achtung erfreute, in einer Zeit, in der die öffentlichen Museen und
Studienanstalten mit großen Mitteln die Zeugnisse der exotischen
primitiven Kulturen zu retten für ihre Pflicht hielten.
 
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