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Pacher, Michael [Ill.]; Halm, Peter [Bearb.]
Michael Pacher - Der Kirchenväter-Altar — Werkmonographien zur bildenden Kunst in Reclams Universal-Bibliothek, Band 19: Stuttgart: Reclam, 1957

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Die Formkräfte von Pachers Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.62590#0042
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dungsmächte, der künstlerischen Zeitlage waren Pacher
und Mantegna nicht zu weit voneinander getrennt. Es
lag Verbindendes und Gemeinsames in ihrer Wahrhaftig-
keit, in ihrer weltoffenen Daseinsbejahung, in ihrer
Freude, die Wirklichkeit zu erleben, dem Willen, sie zu
erfassen, dem Drang, sie zu gestalten und ihr im Bilde
dauernde Gegenwart zu verleihen.
Als Goethe am 27. September 1786 die Fresken Man-
tegnas in der Kirche der Eremitaner zu Padua sah,
empfing er den ersten tief haftenden Eindruck italieni-
scher Malerei. „Die Kirchen und Altarblätter kriegt man
so satt, daß man manches Gute übersieht“, so hatte er
noch in Vicenza wie im Vorübereilen notiert. Hier aber
stand er gefesselt und erstaunt vor einem Phänomen,
dessen künstlerische und historische Bedeutung sich ihm
in der ganzen Unmittelbarkeit des ersten Eindrucks
offenbarte. Suchend und treffend drängen sich die um-
schreibenden Worte, mit denen er die Eigenart und das
Keimhafte, in die Zukunft weisende Wesen dieser Kunst
erschließt. „Was in diesen Bildern für eine scharfe, sichere
Gegenwart dasteht! Von dieser ganz wahren, nicht etwa
scheinbaren, effektlügenden, bloß zur Einbildungskraft
sprechenden, sondern derben, reinen, lichten, ausführ-
lichen, gewissenhaften, zarten, umschriebenen Gegenwart,
die zugleich etwas Strenges, Emsiges, Mühsames hatte,
gingen die folgenden Maler aus . . .“
Kaum drei Wochen vorher war Goethe nach kurzer
Rast vom Brenner aufgebrochen. „Mit entsetzlicher
Schnelle und bei Nacht wie der Schuhu“ fährt er durch
Brixen („wo man mich wieder gleichsam entführt“) nach
Bozen, bis er nach fünfzigstündiger Fahrt in Trient wie-
der zu Rast und Sammlung kommt. Und nun ist es wie
ein denkwürdiges Symbol, wenn ihn die rastlose Be-
gierde nach dem Lande seiner Sehnsucht in jener Nacht
auch an dem stillen Stift vorübereilen läßt, in dem
— wohl fast vergessen, aber erfüllt von unsterblichem
Leben — der Kirchenväter-Altar stand, wie ein letzter
Gruß aus dem Norden und zugleich ein erster Bote einer
südlicheren Welt. Hätten nicht — so darf man beden-
ken —, hätten nicht schon im Angesicht von Pachers

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