36 II. Monumentalkunst und Klassizismus
zart und schlank die Figuren, aber in allen Haltungen und Ge-
bärden herrscht eine Gemessenheit, eine von außen herangetra-
gene Regelmäßigkeit und Glätte, die sich mit dem sinnlich wei-
chen Kolorit schlecht verträgt. So wirken die Bilder süß oder
vielmehr süßlich, denn es sind Kieselsteine, nicht Früchte, die hier-
gezuckert sind. Die Themen sind kirchliche Stosse, eine büßende
Magdalena, Heiligenverklärungen und Himmelfahrten, in de-
nen dem Zeitgeschmack entsprechend das Bewegte und Ver-
schwommene oder das Sinnlich-Reizende geschildert werden
konnte. Aber es werden „frostige Ekstasen", wie der Maler Füßli
WinckelmannsAltertumsschwärmerei nannte, Messiaden inHexa-
metern. Oder es treten in dekorativen Bildern jene idealen Ge-
stalten auf, die das gesellschaftliche Leben der Zeit, Anmut und
Grazie in göttlicher Vollkommenheit widerspiegelten und für die
der vorbildlich dekorativen Tendenz entsprechend die Stoffe der
antiken Mythologie entnommen wurden, wie Apoll unter denMu-
sen, oder das Urteil des Paris. Feine, zarte Gestalten, nackte Kör-
per bewegen sich schön in idyllischen Situationen, aber ohne sinn-
liches Leben, kühl und akademisch. Aus den kstss ebumxstrss
des Rokokos ist eine Welt geworden, in der man sich langweilt;
ein Tanzmeister scheint allen Bewegungen ihr Maß vorgeschrie-
ben zu haben. Augustus und Kleopatra von Mengs, ein Thema,
bei dem das Rokoko — man denke an Tiepolo — das ganze Raf-
finement feiner galanten Psychologie, von Koketterie und Diplo-
matie entfaltet hätte, ist eine steife Gegenüberstellung histori-
scher Personen. So ist auch das, was in den Bildern Adam
Friedrich Ofers (1717—1799) die feine Malkultur ausmacht,
das Erbe des Rokokos, eine nebulöse Weichheit verschwimmender
Umrisse mit abrupten Lichtern, ähnlich Correggio, und staubige
fahle Farben, wie das xouärs des Rokokos durch einen grauen
silberigen Ton zusammengehalten. Aber in seinen kirchlichen
Bildern sucht auch er das Stille und Edle der Bewegungen, so
wie er auf der andern Seite in das Bildnis seiner Kinder ähn-
lich wie Chodowiecki eine bürgerlich-gemütliche Auffassung hin-
einträgt. Ein seltsames und kaum erträgliches Gemisch von
Sinnlichkeit und Kühle ist dieser Phase eigen, ein schwärmeri-
scher Klassizismus, eine nebulöse Malerei porzellanener Pla-
stiken, eine geleckte Süßlichkeit.
zart und schlank die Figuren, aber in allen Haltungen und Ge-
bärden herrscht eine Gemessenheit, eine von außen herangetra-
gene Regelmäßigkeit und Glätte, die sich mit dem sinnlich wei-
chen Kolorit schlecht verträgt. So wirken die Bilder süß oder
vielmehr süßlich, denn es sind Kieselsteine, nicht Früchte, die hier-
gezuckert sind. Die Themen sind kirchliche Stosse, eine büßende
Magdalena, Heiligenverklärungen und Himmelfahrten, in de-
nen dem Zeitgeschmack entsprechend das Bewegte und Ver-
schwommene oder das Sinnlich-Reizende geschildert werden
konnte. Aber es werden „frostige Ekstasen", wie der Maler Füßli
WinckelmannsAltertumsschwärmerei nannte, Messiaden inHexa-
metern. Oder es treten in dekorativen Bildern jene idealen Ge-
stalten auf, die das gesellschaftliche Leben der Zeit, Anmut und
Grazie in göttlicher Vollkommenheit widerspiegelten und für die
der vorbildlich dekorativen Tendenz entsprechend die Stoffe der
antiken Mythologie entnommen wurden, wie Apoll unter denMu-
sen, oder das Urteil des Paris. Feine, zarte Gestalten, nackte Kör-
per bewegen sich schön in idyllischen Situationen, aber ohne sinn-
liches Leben, kühl und akademisch. Aus den kstss ebumxstrss
des Rokokos ist eine Welt geworden, in der man sich langweilt;
ein Tanzmeister scheint allen Bewegungen ihr Maß vorgeschrie-
ben zu haben. Augustus und Kleopatra von Mengs, ein Thema,
bei dem das Rokoko — man denke an Tiepolo — das ganze Raf-
finement feiner galanten Psychologie, von Koketterie und Diplo-
matie entfaltet hätte, ist eine steife Gegenüberstellung histori-
scher Personen. So ist auch das, was in den Bildern Adam
Friedrich Ofers (1717—1799) die feine Malkultur ausmacht,
das Erbe des Rokokos, eine nebulöse Weichheit verschwimmender
Umrisse mit abrupten Lichtern, ähnlich Correggio, und staubige
fahle Farben, wie das xouärs des Rokokos durch einen grauen
silberigen Ton zusammengehalten. Aber in seinen kirchlichen
Bildern sucht auch er das Stille und Edle der Bewegungen, so
wie er auf der andern Seite in das Bildnis seiner Kinder ähn-
lich wie Chodowiecki eine bürgerlich-gemütliche Auffassung hin-
einträgt. Ein seltsames und kaum erträgliches Gemisch von
Sinnlichkeit und Kühle ist dieser Phase eigen, ein schwärmeri-
scher Klassizismus, eine nebulöse Malerei porzellanener Pla-
stiken, eine geleckte Süßlichkeit.