56 _III. Die Malerei der Restaurationszeit
und glatt herabhängenden Haaren, das Prototyp aller späteren
Christusdarstellungen, die aus ihm einen Naturapostel machen.
Und dann gibt der Künstler am Bildrande eine Frauengruppe,
Maria zwischen Begleiterinnen ausspringend und die Arme nach
dem Sohn ausstreckend. Ein Motiv, das von der Kreuztra-
gung hergenommen ist und verrät, wie diese Nazarener aus
unvereinbaren Themen sich ihre Motive erborgen. Denn bei
keinem wie bei Overbeck wird auch so deutlich, daß für die monu-
mentalen Aufgaben, die die Kirche stellte, diesen gefühligen
Künstlern jedes Pathos, jede konstruktive Phantasie fehlte, und
daß sie, schlimmer als der Klassizismus bei der Antike es tat,
Anleihen machen mußten bei der kirchlichen Kunst der klassischen
und der frühen Renaissance. So wird eine Auffindung Moses'
von Overbeck aus den Loggien Raffaels entnommen und in den
jüngserlich-mädchenhaften Stil umgesetzt. Eine heilige Familie
wird nach dem Schema Andrea del Sartos zur reichen pyra-
midalen Gruppe, aber die Madonna ist ohne den Reiz der
Sartoschen Frauengestalten. Sein Triumph der Religion in den
Künsten ist zusammengestoppelt aus Raffaels Disputa und der
Schule von Athen, das architektonische Gefüge jeder einzelnen
Komposition ist völlig außer acht gelassen, und wo bei Raffael
Bewegung und Rhythmus herrscht, sind die Gestalten einfach
nebeneinandergestellt mit genrehaften Zufallsgebärden oder ge-
quält tiefsinnigen Physiognomien. So ist es auch kein Zufall,
daß die sogenannte altdeutsche Kunst und die prärafsaelitische
diesen Künstlern als das Ideal vorschwebte, denn in beiden war
der verwandte Zug einer gewissen kleinbürgerlichen, engen und
befangenen Gesinnung, und in beiden die Anlehnung an eine
feierlich komponierende Kunst, an einen hieratischen Stil, in der
italienischen prärafsaelischen an die gotische Kunst, in Deutsch-
land an diese gotisierende italienische Renaissance. Aber wäh-
rend dort die kirchliche Tradition noch nicht abgerissen, und vor
allem die Naturanschauung eine ganz eigne und frische war, hiel-
ten sich die Nazarener in Stil wie Inhalt an diese Kunst, so eine
Kunst zweiter, ja dritter Hand schassend, ein Produkt von ab-
soluter Sterilität.
Eine Kunstgeschichte, die diese Bilder nur als Malerei betrach-
tet, kann ihnen weder im guten noch schlimmen gerecht wer-
und glatt herabhängenden Haaren, das Prototyp aller späteren
Christusdarstellungen, die aus ihm einen Naturapostel machen.
Und dann gibt der Künstler am Bildrande eine Frauengruppe,
Maria zwischen Begleiterinnen ausspringend und die Arme nach
dem Sohn ausstreckend. Ein Motiv, das von der Kreuztra-
gung hergenommen ist und verrät, wie diese Nazarener aus
unvereinbaren Themen sich ihre Motive erborgen. Denn bei
keinem wie bei Overbeck wird auch so deutlich, daß für die monu-
mentalen Aufgaben, die die Kirche stellte, diesen gefühligen
Künstlern jedes Pathos, jede konstruktive Phantasie fehlte, und
daß sie, schlimmer als der Klassizismus bei der Antike es tat,
Anleihen machen mußten bei der kirchlichen Kunst der klassischen
und der frühen Renaissance. So wird eine Auffindung Moses'
von Overbeck aus den Loggien Raffaels entnommen und in den
jüngserlich-mädchenhaften Stil umgesetzt. Eine heilige Familie
wird nach dem Schema Andrea del Sartos zur reichen pyra-
midalen Gruppe, aber die Madonna ist ohne den Reiz der
Sartoschen Frauengestalten. Sein Triumph der Religion in den
Künsten ist zusammengestoppelt aus Raffaels Disputa und der
Schule von Athen, das architektonische Gefüge jeder einzelnen
Komposition ist völlig außer acht gelassen, und wo bei Raffael
Bewegung und Rhythmus herrscht, sind die Gestalten einfach
nebeneinandergestellt mit genrehaften Zufallsgebärden oder ge-
quält tiefsinnigen Physiognomien. So ist es auch kein Zufall,
daß die sogenannte altdeutsche Kunst und die prärafsaelitische
diesen Künstlern als das Ideal vorschwebte, denn in beiden war
der verwandte Zug einer gewissen kleinbürgerlichen, engen und
befangenen Gesinnung, und in beiden die Anlehnung an eine
feierlich komponierende Kunst, an einen hieratischen Stil, in der
italienischen prärafsaelischen an die gotische Kunst, in Deutsch-
land an diese gotisierende italienische Renaissance. Aber wäh-
rend dort die kirchliche Tradition noch nicht abgerissen, und vor
allem die Naturanschauung eine ganz eigne und frische war, hiel-
ten sich die Nazarener in Stil wie Inhalt an diese Kunst, so eine
Kunst zweiter, ja dritter Hand schassend, ein Produkt von ab-
soluter Sterilität.
Eine Kunstgeschichte, die diese Bilder nur als Malerei betrach-
tet, kann ihnen weder im guten noch schlimmen gerecht wer-