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4. Die Wiener. A v. Pettenkofen 109
scheu Grundton des Freien, Geöffneten, Ungebundenen, und
auch lyrisch, gegenstandslos gemalt. Es ist keine bestimmte Ge-
gend, nur eine große formlose Fläche von unbestimmter und un-
begrenzter Raumtiefe mit viel Himmel darüber. In den Grund
sind rastende Zigeuner ganz fleckig und flächig hineingemalt.
Eine Frau laust ihren Jungen. Man denke sich das in den sau-
beren Stuben von 1830. Oder eine Zigeunerin mit zwei Kin-
dern tritt auf, schmutzig, zerlumpt und halb nackt. Das sind nicht
mehr wegen ihrer Besonderheit beschriebene Volkstypen, son-
dern Stimmungsfiguren. Was früher anstößig oder widerwär-
tig gewesen wäre, gefällt jetzt. Und in der Tat, in dieser fleckigen,
flüchtigen Malerei ist dies Sujet stilgemäßer als Waldmüllers
Kinder. Ein italienischer Bauernhof, den Pettenkofen malt, ist
auch keine Architekturaufnahme mehr, sondern es bleibt nur der
Eindruck von etwas Verbautem und Bizarrem mit sehr effekt-
vollen Hell- und Dunkelkontrasten. Eine Figur davor ist nichts
anderes als die Wäsche auf der Leine, Flecken im Tongewirr.
Das Ausgefaserte, Unbestimmte der Konturen läßt auch den Ein-
druck des freien Sonnenlichtes viel mehr aufkommen als die
grellen, linear abgefchnittenen Streifen bei Waldmüller. Zu-
gleich werden auch die Motive vereinfacht, von dem ganzen
Haus, wie es der Porträtist gemalt hätte, bleibt nur ein kleiner
Ausschnitt malerischer Flächengegensätze. Es drängt alles zu
einer stillebenhaften Behandlung hin, einem Arrangement toter
Dinge, so daß im Interieur die Wände und Möbel, im Garten
die Blumentöpfe, Mauern und Buschwerk nur als Ensemble von
Flecken und Farben wirken, dem sich auch die Personen, wenn
sie vorhanden sind, einzufügen haben. Man spürt nicht mehr das
emsige Walten der Hausfrau oder des Blumenliebhabers, son-
dern nur noch das erregte Auge des Malers.
Die Art Pettenkofens, zu malen und zu empfinden, hat etwas
völlig Modernes, Impressionistisches, den flüchtigen Eindruck,
Luft und Licht und Farbe wiederzugeben. Aber in dieser Art ist
er wenig großartig. Schon daß er sich gern mit kleinen, zu klei-
nen Formaten behilft. Mit Waldmüller verglichen, ist er sicher
der geringere Künstler. Aber das Lyrische, Gegenstandslose die-
ser Art, vom Motiv Unabhängige, hat etwas allgemein Mensch-
liches, Universalverständliches. Waldmüller ist deutscher, lokal
 
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