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Handbuch des Kunstmarktes: Kunstadressbuch für das Deutsche Reich, Danzig und Deutsch-Österreich — Berlin: Antiqua Verl.-Ges. Kalkoff, 1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.52375#0009
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geringerem Maße auf sich zu laden. Als ich einmal im Zimmer
eines alten Freundes saß, der zu den höchsten Stufen der preußischen
Beamtenhierarchie emporgestiegen war, und meine Bewunderung
vor der jungfräulichen Reinheit seines Schreibtisches nicht zurück-
halten konnte, sagte er lächelnd: „Bei mir gibt’s keine Reste“. Ich
wand mich vor seelischen Qualen, als ich dies erschütternde
Wort hörte. Denn nie, so weit ich zurückdenken kann, bin ich
bei aller ehrlich-heissen Bemühung und Anstrengung die Erin-
nyen dieser „Reste“ losgeworden. Ich glaube jedoch, man tut
den Künstlern kein Unrecht, wenn man von ihnen sagt, daß sie —
im Durchschnitt versteht sich, im Durchschnitt — von den ge-
nannten Furien noch hitziger verfolgt werden als die Leute von
der Feder, für die die Benutzung von Tinte und Schreibmaschine
schließlich zu den Alltäglichkeiten des Berufes gehört.
Nie werde ich ein kleines Erlebnis vergessen, das mir beschie-
den war, als ich, noch ein junger Adept der Kunstwissenschaft,
zum ersten Male in Max Klingers Leipziger Behausung trat. Der
verstorbene Herr Meder, Besitzer der Kunsthandlung Amsler und
Ruthardt in Berlin, dem ich ein paar Tage zuvor gelegentlich
erzählt hatte, daß ich den Künstler, der ihm, wie ich wußte,
persönlich nahe stand, besuchen würde, hatte mir gesagt: „Da
können Sie mir einen großen Gefallen erweisen. Fragen Sie doch
bitte Klinger, warum er mir seit drei Monaten auf eine Geldsendung
von 5000 M. nicht geantwortet hat und seitdem weiter hartnäckig
schweigt. Ich bin in solchen Dingen mancherlei bei ihm gewöhnt,
aber dies Verhalten ist mir unverständlich.“ Als wir nun im Atelier
zu Plagwitz saßen und aus höllenschwarzen Zigarren dampften —
„Roochen Sie?“ pflegte Klinger jeden Besucher sofort zu fragen —,
lud ich bei schicklicher Gelegenheit meinen Auftrag ab. Der Erfolg
war unerwartet. Klinger brauste auf wie ein wütender Zentaur.
Sein Gesicht wurde so rot wie seine Haare. „Reden Sie mir nicht von
Meder“, schrie er außer sich vor Erregung, „der Mann ist mir seit drei
Monaten 5000 M. schuldig und schickt mir nichts!“ Vorsichtig
tastend suchte ich den Erbosten zu beruhigen, mit dem schüchtern
vorgebrachten Hinweis, Meder hätte mir doch eigentlich seine
Bestellung nicht mitgeben können, wenn er wissentlich die Zu-
sendung des Geldes unterlassen hätte. Ebenso schnell, wie sie
emporgezüngelt, sank die Gischt des Zornes bei Klinger zusammen.
Er wurde nachdenklich. Sann und sann. Auf einmal sagte er:

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