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Voll, Karl [Bearb.]
Hanfstaengls Maler-Klassiker: die Meisterwerke der bedeutendsten Galerien Europas (Band 1): Die Meisterwerke der Königl. Älteren Pinakothek zu München: 263 Kunstdrucke nach den Originalgemälden : nach photographischen Neuaufnahmen 1905 — London, München, New-York: Franz Hanfstaengl, 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.71031#0012
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Neben der fränkischen Schule war im 15. und 16. Jahrhundert die schwäbische
die bedeutendste. Sie ist in der Pinakothek, abgesehen von der dem Martin
Schongauer zugeschriebenen Madonna, nur mit Werken aus der späteren
Zeit vertreten. Da tritt uns Hans Holbein der Ältere mit dem nur teilweise
von ihm ausgeführten Kaisheimer Altar und mit dem Sebastiansaltar entgegen,
dessen Mitteltafel wohl von ihm herrührt. Um das Jahr 1515 gemalt zeigt dieses
vielbesprochene Hauptwerk der älteren schwäbischen Schule vor allem in der
erstaunlich sicheren Technik nocli alle Vorzüge des gotischen Stils, aber auch
das Enge und Ungelenke, was ihm eigen war. Auf den Flügeln aber, die aussen
eine graziöse Verkündigung und innen die ungemein geschmackvoll arrangierten
Heiligen Barbara und Elisabeth darstellen, herrscht bereits die echte nordische
Renaissance, und zwar nicht nur in dem Ornament, sondern auch in der Anmut
und Freiheit der Bewegungen, vor allem aber in dem wundervollen silbernen
Kolorit, das eine Leichtigkeit besitzt, wie sie bei keinem gotischen Künstler
gefunden wird. Das ist auch der Grund, warum Hans Holbein der Jüngere
als Urheber der Flügel anzusehen ist. Diese sind dann wohl die letzte Arbeit seiner
Hand, ehe er Deutschland verliess und nach Basel zog. Von ihm rührt noch
ein kleines Miniaturbildnis her, das von einer in der alten Kunst nur sehr selten zu
treffenden Wahrheit der Fleischbehandlung ist. Ihm wird endlich auch noch das
Porträt^des Brvan Tuke zugeschrieben, das leider nicht in der alten Originalform
erhalten ist. Die berühmte Figur des Todes mit Stundenglas und Sense wurde erst in
späterer Zeit eingefügt. Bernhard Strigels Porträt des Patriziers Rehlingen
und seiner Kinder ist ein vorzügliches Beispiel für die Zuverlässigkeit der alten
deutschen Bildnismaler. Die Art, wie in den Kindern die Familienähnlichkeit
unmittelbar ins Auge fällt und dabei doch der Unterschied in Alter und
Geschlecht auf das stärkste betont erscheint, ist bewundernswert.
Hinsichtlich des Geschmacks in Kolorit und feinster malerischer Ausführung
ist der Erasmusaltar, den Grünewald gegen 1525 für eine Kirche in Halle
gemalt hat, vielleicht der schönste altdeutsche Altar, den es überhaupt gibt. Der
Künstler hat mit einer fast modern anmutenden Konsequenz alle Fragen koloristisch
behandelt, sodass er die damalige übertriebene Schärfe der Zeichnung fast ganz
aufgibt. Auffallend ist die Komposition. Mit einem in deutscher Kunst nicht
üblichen Parallelismus der Gliederung wird die heilige Konversation, die von den
beiden vornehmen, im Vordergrund stehenden Männern in so würdevoller Weise
geführt wird, durch deren Begleiter in sehr geschickter Ausnützung der psycho-
logischen Momente etwas weniger ernsthaft aufgenommen und weitergeführt. Die
künstlerische Herkunft des rätselhaften Meisters Mathias Grünewald von
Aschaffenburg kann heute immer noch nicht genau bestimmt werden. Vielleicht
kommt er aus dem äussersten Süden des damaligen Deutschland, aus der Schule des
Michel Pacher. Er erscheint in manchen Beziehungen der Formengebung und

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