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Kunsthandlung Victor Hartberg [Contr.]; Neuhaus, Fritz Berthold [Ill.]
Fritz Berthold Neuhaus — Veröffentlichungen des Kunstarchivs, Berlin, Band 7: Berlin: Das Kunstarchiv Verlag, 1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.63293#0005
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schmack, Qeschicklichkeit des Auges und der Hand? Und was
sagten die Bilder, die er malte, von seinem tieferen, eigensten Innern
aus? Sie zeigten, was er gelernt hatte, nicht was er war. Und schon
ein Vierziger, suchte und betrat er den Weg in seine Stille, in seine
Einsamkeit, in der allein man seine Seele belauscht.
Er fand sie, fern aller Kultur, im Süden auf jener Inselgruppe, die,
Sicilien vorgelagert, der Sage nach das Reich des Äolus gewesen
ist. Es sind die aus dem Meer ragenden Gipfel eines unterirdisch
weitgestreckten vulkanischen Gebirges, verschieden nach Größe
und Form, aber alle verwandt im Charakter urweltlicher Unbe-
rührtheit. Manche heben nur wie Riesentiere den runden Rücken
aus der Flut, andere zeigen in drohendem Farbenprangen wild auf-
getürmtes Felsgestein, wie erstarrt im Augenblick, wo es ein vul-
kanischer Ausbruch emporschleuderte. Hier steigen Wände kahl
und faltig gekerbt aus dem Wasser, dort wuchert die indische
Feige, hängt Wein in schweren Trauben, schäumt der gelbe
Ginster und dicht daneben entquellen dem rissigen Boden weiß-
liche Schwefelschwaden. Um sie singt der Raum seine gewaltigen
Melodien: die Weite des Meeres, die Unendlichkeit des Himmels.
Ihr Leben aber empfangen sie, wie seit Jahrtausenden, vom Lichte,
das ihr Angesicht zum Spiegel einer kosmisch großartigen Beseelt-
heit gestaltet. Urtriebe und Urleidenschaften prägt der Wechsel
der Stunde, des Tages und der Jahreszeit, die Stille oder die Er-
regtheit der Atmosphäre in diese steinernen Profile. Geglättet in
allen Falten und Rissen schwimmen sie, wie von der eigenen
Schwere erlöst, in dem entkörpernden Schimmer südlichen Sonnen-
glanzes, dämonisch drohend, Unheil brütend, Unheil gebärend
liegen sie geduckt unter lastendem Gewitterhimmel, finster und
feindlich, voll erhabener Melancholie, wenn schwefelgelber Abend-
himmel ihre Umrisse scharf und schneidend macht. Zur Festigkeit
der Form, zur Weite des Raumes, zum Wandel des Lichtes kommt
der Eigenwert der farbigen Erscheinung. Da ist zunächst das Meer

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