Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hartlaub, Gustav Friedrich; Cranach, Lucas [Ill.]
Lukas Cranach d. Ä., Der Jungbrunnen, 1549 — Der Kunstbrief, Band 4: Berlin, [1943]

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.17133#0033
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
zu Dürer kaum sehr ernsthaft gewesen; nicht selten hat er die
mythologischen Stoffe geradezu parodistisch und bewußt naiv
in das zeitgenössische Kostüm gesteckt, womit er wohl mehr den
Beifall höfischer Kavaliere als den der strengeren Humanisten
errungen hat. Nie hat Cranach auch die Notwendigkeit ver-
spürt, nach Italien zu gehen, um dort die neuen Kunstmittel,
nicht zuletzt auch die neue Auffassung des Nackten, zu
studieren; sein Interesse für die Renaissanceideale bleibt ober-
flächlich, vielleicht bewußt zurückhaltend, um nicht zu sagen
„protestierend". Cranach bleibt der Provinzielle, der aus der Not
seines Provinzialismus am Ende eine Tugend macht. Während
wir einen Dürer uns nur an einem Mittelpunkt alter städtischer
Kultur vorstellen können, paßt es zu Cranach, daß er sein
Leben ziemlich nahe am Rande damaliger Zivilisation ver-
bringt, in einem noch bescheidenen und vernachlässigten
Städtchen, das die sächsischen Kurfürsten etwas hastig zum
Rang einer höheren Bildungsstätte erheben wollten. Be-
merkenswert auch, daß uns Cranachs Schaffen ziemlich spät
erkennbar wird — erst von dem etwa Dreißigjährigen werden
Arbeiten bekannt, während Dürers individuelle Linie noch
heute schon im Knabenalter aufgezeigt werden kann. Ist schon
Cranachs Art von Natur unbewußter, unpersönlicher, darum
auch widerspruchsvoller und sprunghafter in ihrem Werden
als Dürers im ganzen logisch fortschreitende Geistigkeit, so läßt
der ausgedehnte Werkstättenbetrieb unseren „Hofmaler" erst
recht in der Gemeinschaftsarbeit aufgehen — so sehr, daß
wenigstens in der zweiten Hälfte seines Lebens seine über-
legene persönliche Handschrift in der allgemeinen „Schön-
schrift" der Werkstatt zu verschwinden droht, was freilich
nicht immer ein Absinken, sondern vielmehr ein besonders
hohes Niveau der Gehilfen bedeutete, freilich auch eine gewisse
Lernbarkeit der Cranachschen Manier, wie sie bei einem
Dürer, Grünewald, Holbein nicht denkbar wäre.

13
 
Annotationen