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Hartlaub, Gustav Friedrich; Cranach, Lucas [Ill.]
Lukas Cranach d. Ä., Der Jungbrunnen, 1549 — Der Kunstbrief, Band 4: Berlin, [1943]

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https://doi.org/10.11588/diglit.17133#0041
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bereits mit Recht von einer Rückkehr zur Gotik, von einer
gegen das „Verhängnis der Renaissance" gerichteten Kunst-
absicht sprechen können, wenn man auch eine solche Reaktion
nicht allzu sehr als bewußtes Programm des Meisters Cranach
nehmen dürfte. Auf unserem Tafelbilde fallen wegen des
großen Formates diese „reaktionären" Züge vielleicht noch
deutlicher ins Auge. Bei dem hochgezogenen Horizont der
Landschaft ist die perspektivische Einpassung der Figuren
keineswegs korrekt; das ganze Figuren werk wirkt, da Über-
schneidungen möglichst vermieden wurden, da auch von ein-
heitlicher Beleuchtung nicht die Rede ist und die Schatten-
gebung nur schwach sich andeutet, ein wenig bilderbogen- oder
doch wenigstens miniaturhaft, bei aller emailleartig feinen, zarten
Modellierung im einzelnen. Man möge sich einmal vorstellen,
wieviel moderner ein Holbein oder später ein Stimmer die
Szene verkörpert haben, zu schweigen von dem michel-
angelesken Aufwand, mit welchem etwa die Florentiner
Manieristen — ein Pontormo zum Beispiel — oder auch die
niederländischen sogenannten Romanisten sich der Sache ange-
nommen haben würden! Cranach wollte von solchem "Wesen
nichts wissen. Er hielt sich an den Eindruck, den auch die
mittelalterlichen Wandmalereien und Teppiche mit solchen
Gegenständen erzielt hatten. Denn zu einem altertümlichen
Geschehen gehörte für ihn auch eine altertümliche Kunstweise.
Womit er freilich auf seine verschwiegene Manier doch manche
persönliche Erfindung, auch manche scharf realistische Be-
obachtung zu verbinden wußte.

Und dieser „archaische Realismus" war ihm jetzt vielleicht
das eigentlich Wichtige. Die träumerische Landschaft im
Hintergrund war nur noch eine Zutat, keine unbedingt not-
wendige Begleitmusik mehr zu dem bedeutsamen Spiel auf der
Vorderbühne. Das ameisenhafte Menschentreiben auf weitem
Plan, diese ganze kreatürliche Bekundung menschlicher Narr-
 
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