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Hartlaub, Gustav Friedrich
Prospero und Faust: ein Beitrag zum Problem der schwarzen und weißen Magie — Dortmund, 1948

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https://doi.org/10.11588/diglit.17233#0032
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meinen Sogar in ihrem Doktor Rudolf Steiner so etwas wie den
Propheten und Vorläufer solchen Ubermenschentums präsentieren
zu können. Zweifellos eine großartige, eine berauschende Perspek-
tive. Wenn man freilich untersucht, was jener angebliche Vorläufer
gerade da, wo er nicht aus Uberlieferungen schöpfen, sondern
eigene „hellsichtige Forschungen" darbieten will, uns zumutet,
schrickt man zurück und kann selbst dasjenige, was von- der Masse
des Banalen, Verworrenen und Absurden sich günstiger abhebt,
höchstens als Anregung nehmen, die einer in sich verarbeiten
mag, ohne sie irgendwie autoritativ oder dogmatisch zu nehmen,
nach Art der Jünger. Der Traum unserer Anthroposophen, im We-
sentlichen übrigens ein recht alter Traum, stellt eine allzu kurz-
schlüssige, chiliastisch-infantile Vorwegnähme dar, in seiner ge-
danklichen Begründung, sprachlichen Verkündigung eher geeignet,
das Verzückt-Einleuchtende der Botschaft zu kompromittieren.
Nichts gegen die vorsichtige Wiedereinführung der Meditations-
übungen (wie sie auch Prospero und Faust getrieben haben mögen),
in die geistige Praxis des modernen Abendländers! Doch statt die
oft sehr wüsten Eingebungen ihrer „hellsichtig kritischen" Meister
gewissermaßen als Erfahrungstatsachen zu werten, sollten die
Theosophen und Anthroposophen lieber bescheidener und mit eini-
ger kritischer Wissenschaftlichkeit an der Sichtung und Sicherung
jener Phänomene arbeiten, denen sich die heute nur so mangelhaft
unterstützte und vielverdächtigte Parapsychologie zuwendet: Phäno-
mene, deren Hintergründe zu den empirischen Voraussetzungen
dessen gehören, was in den Spekulationen und Visionen der Gno-
sis, Theosophie und Anthroposophie etwa an fruchtbaren Ahnungen
stecken möchte.

VIII.

Doch noch ein zweites, uns direkt angehendes Problem erhebt
sich über unseren Betrachtungen. Wie sollen wir uns entscheiden da,
wo Shakespeare-Prospero und Goethe-Faust nicht einig sind?
Weltflucht oder Weltbejahung am Ende? Die Auffassung Prosperos,
daß das Leben ein Traum sei, die Erwartung, erst nach dem Tode
zur Wirklichkeit zu erwachen, kennzeichnet unser Daseinsgefühl im
Zeitalter der Weltkriegswirklichkeiten nicht mehr ausschließlich.
Aber auch das letzte, eigentlich überraschende Bekenntnis von Goe-
thes Faust: statt Todes- und Jenseitsgedanken, statt Abschied von


 
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