Mittwoch, 17. März
1852
—
Zu dem mit dem 1. April I S
Großherzoglhum 1 fl. 29 fr. — Bet der großen
den beften Erfolg. E S 7
Heidelberg, den 15. März —
und Förderer der Kunſt.
Noch einmal ſei mir erlaubt, auf den frü-
her beſprochenen Gegenſtand zurückzukom-
men, indem ich an eine andere Anffaſſung
des bisher üblichen Zeichnen-Unterrichtes,
kann es nützen, im günſtigſten Falle einen
geringen Grad von Dillelantismus zu er-
ziefen und Productionen, wobei der Lehrer
das Beſte thun muß. (Wenn es nur auf
Täuſchung abgeſehen iſt, möchte Durchzeich-
nen noch mehr zu empfehlen fein.) o
eine Sache wie hier, fo ganz ohne allen
vernünftigen Erfolg getrieben wird, kann
geradezu eine Abneigung vor derſelben nicht
Ausbleiben, Wenn nun in der vorgeſchla-
genen Weiſe nicht ſogleich eine große Pro-
ductionsfähigkeit in Künfen hervorgerufen
werden wird, — Ddazu bedarf es allerdings
ſpeeieller Anftrengungen, —- fo würde dies
doch ein Mittel fein, einen allgemeinen Sinn
zu erwecken, an dem es meiner feften Ueber-
zeugung nach g änz hüſch fehlt; gewiffer-
maßen die Atmosphäre, ohne die ein wahres
Gedeihen der Kunſt unmöglich iſt.
Ich bin mir freilich nicht unbewußt, für
das Geſagte auf die Sywpathie nur We-
niger zählen zu dürfen; liegt doch Alles,
was der deutſche Kunftfleiß früherer Zeit
geſchaffen, gleich wie ein großer Kirchhof
da. Das Zeitalter zieht mit ünausſprech-
licher Seelennüchternheit vorbei an den Neber-
liefexungen alter Herrlichkeit. Es Neht, es
verſteht nicht die Zeugen, die aufgerichtet
ſtehen die herausfordern, Gleiches zu thbun,
ein VBolf, welches das erſte geweſen iſt der
chriſtlichen Weltz welches, wie geſagt wird,
kuͤndet nicht bald eine Oſterglocke neues Le-
ben und Blühen; bringt nicht bald ein neuer
Frühling neuen Segen und Gedeihen über
die deuiſche Erde?
Wie tief muß boch jeglicher Keim ver-
nur ſparſame Blüthen, heſonders der öffent-
lichen Kunſt hervorzutreiben im Stande war-
Und doch iſt jegliche Kraft überall und immer
vorhanden. Es bedarf nur des Moſisſtabes,
um die verborgene Quelle lebendig ſtroͤmen
zu machen, auch muß man nux an die Kraft
glauben, fo wird ſie auch Wunder thun,
Zweifel/ Mißtrauen und Indolenz find der
Mehlthau, der nichts ſich entfalten tãßt.
Wie viel mehr Stoff und Aufforderung
haͤtte nicht Unfere Zeit, die außer der Nelt-
gion, dem ausſchließlichen Thema der fruͤ—
Geren, ſich auch nocdh eine Geſchichte Dazır
erworben hat. Vos foll man aber fagen,
wenn Themata aus der Sobjiade, die Hür
ein geiſtkeich entworfenes Crogui ſich wohl
eignen, mit grobem Kraftaufwand und immer
Neuen Variaͤtionen aufgetiſcht werden, als
5a8 Hervorragendfie, Beifall finden, wäh-
rend der Hiftorien-Maler, der durch irgend
langer Mühe und Arbeit, meiſt Gelegenheit
findet, an ſich zu zWeifeln.
Um auf den Handiverker zurückzukommen,
und kein Selbfiveriranen an die eigue Kraft.
Das Publicum ſteht ſich ungerecht vorzugs-
weiſe nach ausländiſchen Leiſtungen um ; wenn
nur viel Geld dafür auggegeben wurde, iſt
der Beſitzer zufrieden und dag Geld geht
aus dem Lande! Müſfen doch manche Ge-
werbserzeugniſſe, beſonders ſoͤlche, die Form
und Geſtalt haben, mitunter erſt verfandt
werden, mit franzöſiſcher oder englicher Eti-
quette verſehen zuruͤckkommen, um Kaufer zu
finden. In vielen Zweigen der Induſtrie
wagt es der Producent nicht, mit eigener
Adreſſe ſeine Arbeit anzuhleten! Werden doch
deulſchen Publieum̃ infallible gemacht, waͤh—
rend Jeffonda, Fauſt, Zempler und Juͤdin,
ohne ſolche Empfehlung nur mit größter
Vorſicht und nicht zu oft aufgeführt werden
dürfen. *
Soll dieſer Jammer denn kein Ende neh
men? Wäre es nicht Zeit, daß einmal der
Deutſche anfinge, ſich felbt achten zu ler-
nen-und Diejenigen, denen es ſo fehr er-
ſchwert wird, hervorzuragen unter uns zur
Ehre deutſchen NMamens, denen meiſt erfi
der Lorbeer auf den laͤlten Leichenſtein ge-
legt wird?
Darum ſei es noch einmal geſagt: der
unverantwortlichſte Indifferentigmus von
Unten bis Oben iſt Schuld daran, daß der
Segen der Kunft entwichen iſt. Es iſt Pflicht
zu forgen, daß es dem Künſtler, dem ftrebz
jamen Haͤndwerker beſſer werde, deren Loos
bet mangelnden Fähigkeiten ohnehin auf ſie
ſelbſt zurückfallt, waͤhrend der Gelehrte bei
aller Unfahigkeit für ſeinen Beruf, ſein
ſicheres Neft gebaut erhält! Der Künftter
und Handwerker ſoll erübrigen, um nicht in
Alter und Krankheit zu darden, wo der Ge-
Tebhrte, der Beamte für den Fall ſeine Pen-
ſion erhält.
Mögten daher die Archäologen, die in
ihren wußeſunden Ercurſtonen maͤchen im
Bereiche alter Kunft, beſonders meinen
Hilferuf vernehmen! Es iſt ſehr viel zu
hun und es muß gethan werden, Möchten
ſie der Anwalt fein fo Bieler, die unmündig
geworden, die ſchen gar nicht mehr Lebens-
zeichen äußern, weil ſie nicht gehört werden.
Muß man nicht oft mit unerhörter Anma-
ßung vernehmen von fogenannten Kunſt-
kritikern und uſurpirten Boͤrſchmeckern, daß
der Kuͤnſtler in eigenen Angelegenheiten in-
competent ſei und kein Urtheil habe! Bei
ſolchen Gelegenheiten wird ein Schwall von
Woͤrtern losgelaſſen, daß einem faſt bange
wird, und Nuͤtzliches gelagt — if nichis.
Welchen Zuſtand im Allgemeinen ſetzt eine
ſolche Ungerechtigfeit voraus! Nur gänz-
liche Unfenntnig kann dazu verleiten: denn
wer ſelbſt etwas weiß und kann achtet auch
die Leiſtungen Anderer. Für den Haͤnd?
werker etablirt man wohl Gewerbsnieder-
lagen und Creditvereine. Sie nützen jedoch
nur ſoweit, wie die Mediein dem Kraͤnken,
dem dieſelbe augenblicklich Linderung ver-
ſchafft; dem eigenilichen Nebel: dem Mangel
an Werkgeſchicklichkeit wird nicht abgeholfen.
Auch von (erlaubten) Handwerker⸗Bereinen
hört man, wo manches in der Schule Ver-
ſäumte nachgeholt werden foll; wer wollte
das nicht loben! Aber die Hauptfache:; bei
dem Handwerksgeſellen Achtung und Liebe
für ſein Fach und Freudigkeit zu erwecken,
ſcheint man außer Acht zu laffen. Ob Trac-
tätlein und Bearbeitungen im patriotiſchen
Sinne dafür Erſatz bieten, möchte ich be-
zweifeln. Endlich in den Gewerbſchulen
wird der Phantaſie, der einzig bewegende
Kraft jeder Kunſtthätigkeit, nicht binlänglich
Rechnung getragen! Bei den vorherrſchend
mathematiſchen Studien wird der Zögliug,
falls er empfänglich war und fleißig fich mehr
zum Ingenieur eignen, während man ihm in
ſeinem eigentlichen Handwerke zu wenig zu
Hilfe kam. Was ſollte aber wohl aus einem
Muſiker werden, der nur Noten, Intervallen
und Generalbaß lernt, wenn nicht Melodie
und Töne in ſeine Seele ziehen, Hf wohl
mit Metrik und Reim ein Gedicht fertig?
Wie wenig überhaupt mit dem nüchternen
Berſtand in aller Kunſt ausgerichtei wird,
beweiſt der Umſtand, daß foweit meine Er-
fahrung reicht, kein junger Mann, der in
der Schule nach heutigen Begriffen viel
gelernt, in der Kunſt viel geleiftet hätte,
Die Loryphäen der Kunſt haben alle, be-
vor ſich die Phantaſte und Seelenthätigkett
bei ihnen zur Klarheit und zur Thätigkeit
nach Außen entwickelt, auf fehr niedriger
(Schul=) Bildungsſtufe ſich befunden. Was
der Künſtler ſpäter an Realien nöthig het,
weiß er ſtels mit vielem Tatt zu wählen
und mit großer Leichtigkeit ſich ſelbſt anzu-
eignen. Oft wird dies freilich verfäumt;
ſolche leuchten dann wie Meteore eine kurze
Zeit und verſchwinden.! Mag dies Mans
chem paradox erſcheinen; den Umftand zu -
begründen überlaſſe ich dem Pſycholegen;
fär mich iſt er unumſtößlicher Erfahrungs-
ſatz und nicht wohl außer Acht zu laſſen
Auch für die Geſitlung, falls ſie noch
Werth hat, glaube ich in der Förderung
der Kunſtintereſſen eine Feſtigung zu er-
bliden, indem ich mich berufe auf die Ein-
wirkung der Kunſt auf ihre Jünger. Wer
Gelegenheit hatte an Akademieorten Ddas -
Zuſammenleben von Hunderten von Künſt-
lern zu beachten, wird einräumen müffen,
daß nicht leicht eine höhere Geſittung bei
allem Uebermuth und jugendlichem Froy-
ſinn anzutreffen iſt! Auch der Künſtlerfeſte
fet hier noch erwähnt! Welcher menſchliche
Sinn vermag wohl Schöneres zu erſinnen
und zu denken, wie es hier hervorluillt.
In jeher ſchimmernden Geſtalt fritt Dder
Bedaͤnke hervor mit aller Weihe der Bez
gabtheit. An welchem Hof der Welt fah
man fo zauberifchen Aufmand an Sraste,
Poefie und Geſchmack? Daß die Kunſt
1852
—
Zu dem mit dem 1. April I S
Großherzoglhum 1 fl. 29 fr. — Bet der großen
den beften Erfolg. E S 7
Heidelberg, den 15. März —
und Förderer der Kunſt.
Noch einmal ſei mir erlaubt, auf den frü-
her beſprochenen Gegenſtand zurückzukom-
men, indem ich an eine andere Anffaſſung
des bisher üblichen Zeichnen-Unterrichtes,
kann es nützen, im günſtigſten Falle einen
geringen Grad von Dillelantismus zu er-
ziefen und Productionen, wobei der Lehrer
das Beſte thun muß. (Wenn es nur auf
Täuſchung abgeſehen iſt, möchte Durchzeich-
nen noch mehr zu empfehlen fein.) o
eine Sache wie hier, fo ganz ohne allen
vernünftigen Erfolg getrieben wird, kann
geradezu eine Abneigung vor derſelben nicht
Ausbleiben, Wenn nun in der vorgeſchla-
genen Weiſe nicht ſogleich eine große Pro-
ductionsfähigkeit in Künfen hervorgerufen
werden wird, — Ddazu bedarf es allerdings
ſpeeieller Anftrengungen, —- fo würde dies
doch ein Mittel fein, einen allgemeinen Sinn
zu erwecken, an dem es meiner feften Ueber-
zeugung nach g änz hüſch fehlt; gewiffer-
maßen die Atmosphäre, ohne die ein wahres
Gedeihen der Kunſt unmöglich iſt.
Ich bin mir freilich nicht unbewußt, für
das Geſagte auf die Sywpathie nur We-
niger zählen zu dürfen; liegt doch Alles,
was der deutſche Kunftfleiß früherer Zeit
geſchaffen, gleich wie ein großer Kirchhof
da. Das Zeitalter zieht mit ünausſprech-
licher Seelennüchternheit vorbei an den Neber-
liefexungen alter Herrlichkeit. Es Neht, es
verſteht nicht die Zeugen, die aufgerichtet
ſtehen die herausfordern, Gleiches zu thbun,
ein VBolf, welches das erſte geweſen iſt der
chriſtlichen Weltz welches, wie geſagt wird,
kuͤndet nicht bald eine Oſterglocke neues Le-
ben und Blühen; bringt nicht bald ein neuer
Frühling neuen Segen und Gedeihen über
die deuiſche Erde?
Wie tief muß boch jeglicher Keim ver-
nur ſparſame Blüthen, heſonders der öffent-
lichen Kunſt hervorzutreiben im Stande war-
Und doch iſt jegliche Kraft überall und immer
vorhanden. Es bedarf nur des Moſisſtabes,
um die verborgene Quelle lebendig ſtroͤmen
zu machen, auch muß man nux an die Kraft
glauben, fo wird ſie auch Wunder thun,
Zweifel/ Mißtrauen und Indolenz find der
Mehlthau, der nichts ſich entfalten tãßt.
Wie viel mehr Stoff und Aufforderung
haͤtte nicht Unfere Zeit, die außer der Nelt-
gion, dem ausſchließlichen Thema der fruͤ—
Geren, ſich auch nocdh eine Geſchichte Dazır
erworben hat. Vos foll man aber fagen,
wenn Themata aus der Sobjiade, die Hür
ein geiſtkeich entworfenes Crogui ſich wohl
eignen, mit grobem Kraftaufwand und immer
Neuen Variaͤtionen aufgetiſcht werden, als
5a8 Hervorragendfie, Beifall finden, wäh-
rend der Hiftorien-Maler, der durch irgend
langer Mühe und Arbeit, meiſt Gelegenheit
findet, an ſich zu zWeifeln.
Um auf den Handiverker zurückzukommen,
und kein Selbfiveriranen an die eigue Kraft.
Das Publicum ſteht ſich ungerecht vorzugs-
weiſe nach ausländiſchen Leiſtungen um ; wenn
nur viel Geld dafür auggegeben wurde, iſt
der Beſitzer zufrieden und dag Geld geht
aus dem Lande! Müſfen doch manche Ge-
werbserzeugniſſe, beſonders ſoͤlche, die Form
und Geſtalt haben, mitunter erſt verfandt
werden, mit franzöſiſcher oder englicher Eti-
quette verſehen zuruͤckkommen, um Kaufer zu
finden. In vielen Zweigen der Induſtrie
wagt es der Producent nicht, mit eigener
Adreſſe ſeine Arbeit anzuhleten! Werden doch
deulſchen Publieum̃ infallible gemacht, waͤh—
rend Jeffonda, Fauſt, Zempler und Juͤdin,
ohne ſolche Empfehlung nur mit größter
Vorſicht und nicht zu oft aufgeführt werden
dürfen. *
Soll dieſer Jammer denn kein Ende neh
men? Wäre es nicht Zeit, daß einmal der
Deutſche anfinge, ſich felbt achten zu ler-
nen-und Diejenigen, denen es ſo fehr er-
ſchwert wird, hervorzuragen unter uns zur
Ehre deutſchen NMamens, denen meiſt erfi
der Lorbeer auf den laͤlten Leichenſtein ge-
legt wird?
Darum ſei es noch einmal geſagt: der
unverantwortlichſte Indifferentigmus von
Unten bis Oben iſt Schuld daran, daß der
Segen der Kunft entwichen iſt. Es iſt Pflicht
zu forgen, daß es dem Künſtler, dem ftrebz
jamen Haͤndwerker beſſer werde, deren Loos
bet mangelnden Fähigkeiten ohnehin auf ſie
ſelbſt zurückfallt, waͤhrend der Gelehrte bei
aller Unfahigkeit für ſeinen Beruf, ſein
ſicheres Neft gebaut erhält! Der Künftter
und Handwerker ſoll erübrigen, um nicht in
Alter und Krankheit zu darden, wo der Ge-
Tebhrte, der Beamte für den Fall ſeine Pen-
ſion erhält.
Mögten daher die Archäologen, die in
ihren wußeſunden Ercurſtonen maͤchen im
Bereiche alter Kunft, beſonders meinen
Hilferuf vernehmen! Es iſt ſehr viel zu
hun und es muß gethan werden, Möchten
ſie der Anwalt fein fo Bieler, die unmündig
geworden, die ſchen gar nicht mehr Lebens-
zeichen äußern, weil ſie nicht gehört werden.
Muß man nicht oft mit unerhörter Anma-
ßung vernehmen von fogenannten Kunſt-
kritikern und uſurpirten Boͤrſchmeckern, daß
der Kuͤnſtler in eigenen Angelegenheiten in-
competent ſei und kein Urtheil habe! Bei
ſolchen Gelegenheiten wird ein Schwall von
Woͤrtern losgelaſſen, daß einem faſt bange
wird, und Nuͤtzliches gelagt — if nichis.
Welchen Zuſtand im Allgemeinen ſetzt eine
ſolche Ungerechtigfeit voraus! Nur gänz-
liche Unfenntnig kann dazu verleiten: denn
wer ſelbſt etwas weiß und kann achtet auch
die Leiſtungen Anderer. Für den Haͤnd?
werker etablirt man wohl Gewerbsnieder-
lagen und Creditvereine. Sie nützen jedoch
nur ſoweit, wie die Mediein dem Kraͤnken,
dem dieſelbe augenblicklich Linderung ver-
ſchafft; dem eigenilichen Nebel: dem Mangel
an Werkgeſchicklichkeit wird nicht abgeholfen.
Auch von (erlaubten) Handwerker⸗Bereinen
hört man, wo manches in der Schule Ver-
ſäumte nachgeholt werden foll; wer wollte
das nicht loben! Aber die Hauptfache:; bei
dem Handwerksgeſellen Achtung und Liebe
für ſein Fach und Freudigkeit zu erwecken,
ſcheint man außer Acht zu laffen. Ob Trac-
tätlein und Bearbeitungen im patriotiſchen
Sinne dafür Erſatz bieten, möchte ich be-
zweifeln. Endlich in den Gewerbſchulen
wird der Phantaſie, der einzig bewegende
Kraft jeder Kunſtthätigkeit, nicht binlänglich
Rechnung getragen! Bei den vorherrſchend
mathematiſchen Studien wird der Zögliug,
falls er empfänglich war und fleißig fich mehr
zum Ingenieur eignen, während man ihm in
ſeinem eigentlichen Handwerke zu wenig zu
Hilfe kam. Was ſollte aber wohl aus einem
Muſiker werden, der nur Noten, Intervallen
und Generalbaß lernt, wenn nicht Melodie
und Töne in ſeine Seele ziehen, Hf wohl
mit Metrik und Reim ein Gedicht fertig?
Wie wenig überhaupt mit dem nüchternen
Berſtand in aller Kunſt ausgerichtei wird,
beweiſt der Umſtand, daß foweit meine Er-
fahrung reicht, kein junger Mann, der in
der Schule nach heutigen Begriffen viel
gelernt, in der Kunſt viel geleiftet hätte,
Die Loryphäen der Kunſt haben alle, be-
vor ſich die Phantaſte und Seelenthätigkett
bei ihnen zur Klarheit und zur Thätigkeit
nach Außen entwickelt, auf fehr niedriger
(Schul=) Bildungsſtufe ſich befunden. Was
der Künſtler ſpäter an Realien nöthig het,
weiß er ſtels mit vielem Tatt zu wählen
und mit großer Leichtigkeit ſich ſelbſt anzu-
eignen. Oft wird dies freilich verfäumt;
ſolche leuchten dann wie Meteore eine kurze
Zeit und verſchwinden.! Mag dies Mans
chem paradox erſcheinen; den Umftand zu -
begründen überlaſſe ich dem Pſycholegen;
fär mich iſt er unumſtößlicher Erfahrungs-
ſatz und nicht wohl außer Acht zu laſſen
Auch für die Geſitlung, falls ſie noch
Werth hat, glaube ich in der Förderung
der Kunſtintereſſen eine Feſtigung zu er-
bliden, indem ich mich berufe auf die Ein-
wirkung der Kunſt auf ihre Jünger. Wer
Gelegenheit hatte an Akademieorten Ddas -
Zuſammenleben von Hunderten von Künſt-
lern zu beachten, wird einräumen müffen,
daß nicht leicht eine höhere Geſittung bei
allem Uebermuth und jugendlichem Froy-
ſinn anzutreffen iſt! Auch der Künſtlerfeſte
fet hier noch erwähnt! Welcher menſchliche
Sinn vermag wohl Schöneres zu erſinnen
und zu denken, wie es hier hervorluillt.
In jeher ſchimmernden Geſtalt fritt Dder
Bedaͤnke hervor mit aller Weihe der Bez
gabtheit. An welchem Hof der Welt fah
man fo zauberifchen Aufmand an Sraste,
Poefie und Geſchmack? Daß die Kunſt