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N: 192.

Dienſtag, 17. Auguſt

1852,



ı2 H6,
Die Landwirthſchaftlichen


— erthetlt, die Spaltzeile in Peittfhrift 4 fr.

Das Waiſenhaus betreffend.
Die Einzeichnungéliſten ver Beuräge für
die Gründuͤng eines Waifenhaufes für die
hieſige Stadt ſind nunmehr vorläufig ge-
ſchlofſen, vorbehaltlich der noch zu erwarten-
den Beiſteuern von ſolchen hieſigen Orts-
bewohnern, welche zur Zeit der Sammlung
nicht anweſend waren, oder auch etwa aus
Verſehen uͤbergangen worden ſein ſollten.
Ueber das erfreuliche Ergebniß können wir
nun ſchon berichten, daß die Summe der
eingezeichneten Beiträge ſich auf ohngefähr
12,000 fl. beläuft, und daß das Waiſen-
hauscomite dadurch in den Stand geſetzt
iſt, das Werk zu beginnen. Das erfte, was
eg zu thun hat, ift, den Wohlthätern, durch
deren Gaben die Errichtung des Waiſen-
hauſes nunmehr möglich geworden iſt, feinen
innigſten Dank auszuſprechen! Es iſt nicht
nur reichlich, ſondern auch, wie die Samm-
ler bezeugen, größtentheils mit großer Freu-
digkeit gegeben worden. Es war in der
That die Barmherzigkeit gegen die verlaſ-
ſenen Geſchöpfe, welche Goſt denen, die et-
was übrig haben, ans Herz gelegt hat, was
die milden Hände öffnete, und kaum einige-
mal ift man einer Rede begegnet, wie die:
„Wenn ich ſterbe, brauchen meine Kinder
kein Waiſenhaus, ich gebe Nichts.“ Auch
die ärmere Klaſſe der Bürger iſt nicht zu-
ruͤckgeblieben, reiche Gaben aber haben
manche edle Menſchenfreunde dargebracht,
und dieſen verdanken wir hauptfächlich/ daß
nunmehr Diefe längſterſehnte wohlthätige
Anſtalt in das Leben gerufen werden kann.
Der vielfach in Anſpruch genommene und
auch vielfach bewährte Wohlthätigkeitsſinn
der diefigen Einwohner hat kaum jemals
einen würdigeren Zweck bei ter Darbringung
ſeiner Opfer gehabt. Hier läuft er nicht
Gefahr, wie es ſonſt wohl zuweilen der
Fall iſt die Armuth au pflanzen, anſtatt ſie
zu Deben, und der Iräyheit und Entſitt-
lichung Vorſchub zu leiſten, ſondern es gilt
hier, arme verlaſſene Kinder, welche außer-
dem zum großen Theil dem Verderben an
Leib und Seele, Preis gegeben wären und
wahrſcheinlich ſich und ihren Mitmenſchen
zum Fluche heranwachſen würden, zu retten
_ und zu nuͤtzlichen, geſitteten und zufriedenen
Menſchen zu erziehen. Freilich wird das
Waiſenhaus nicht allem Uebel abhelfen kön-
nen; es werden noch immerfort viele arme
unglückliche Kinder übrig bleiben, welche
nicht Waiſen ſind, und doch übler davan
find, als die verlaͤſſenen Waiſen ; ſie wer-
den unter den Händen gewiſſenlofer Eltern
verderben, von dieſen felbſt an die Sünde
gewöhnt werden, oder in einer laſterhaften
Aihmorphäre an Leib und Seele verkrüp-
peln. Dabin wird freilich das Waiſenbaus
nicht reichen; dieſe Armen aug ihrem BVer-
derben herauszureißen, hat es weder das
Recht, noch die Mittei. Aber e& wird da
helfen, wo es möglich iſt, und die menſchen.
freundlichen Geber, welche zu der Gründung
deſſelben beigetragen haben, dürfen die Me-
berzeugung haben, daß ein reicher Segen
für die Zuͤkunft aus ihren Gaben hervoͤr⸗
wachſen werde.
Es ſind verſchiedene Bedenken gegen das


haben würden. Manchen iſt es anſtößig,
daß es ein Waiſenhaus für alle Confefſis-
nen zugleich werden ſoll und ſie hätten lie-
ber ein ungemiſcht kaͤtholiſches, andere ein
ungemiſcht evangeliſches gehabt. Allein ſie
bedenken nicht, daß es unmöglih iſt, für
Heidelberg zwei oder gar drei Waifenhäu-
ſer zu errichten. Zudem können wir nicht,
wie in den größeren derartigen Anſtalten,
eine Waiſenhausſchule damit verbinden, in
welchem Falle die Verſchiedenheit der Con-
feſſionen allerdings Schwierigleiten hervor-
rufen würde, ſondern die Waiſen beſuchen
ihre Confeſſionsſchulen und ihre Kirchen in
der Stadt. Was ſich dagegen einwenden
läßt, würde in viel höherem Grade von
ſoichen Familien gelten, in welchen die SI
tern und nach ihnen die Kinder verſchiedenen
Confeſſtonen angehören! Und doch iſt dies
ſehr häuftg der Fall und man wird ſchwer-
lich nachweiſen fönnen, daß aus ſolchen
Ehen verhältnißmäßig mehr urſittliche und
irreligiöſe Kinder hervorgegangen ſind, als
aus andern. Wie man aber auch darüber
denken mag, ſo wird man doch immerhin
zugeben müſſen, daß es beſſer ih wenn die
Kinder in ein gemiſchtes Waiſenhaus auf-
genommen werden als wenn ſie dem Elend
und der Verwilderung überlaffen bleiben.
Andere haben uns eingewendet die Stadt-
gemeinde habe die Verbindlichkeit, für ihre
arme Waiſen zu ſorgen, und man folle dazu
nicht die Privatwohithätigkeit in Anſpruch
nehmen. Wie von hieſigen Gemeindebür-
gern eine ſolche Einwendung gemacht wer-
den konnte, iſt unbegreiflich! Da ja damit
die Gründung des Waiſenhauſes allein auf
die Gemeindebürger gefallen wäre, und
alle jene ſehr bebeutenden Beiträge weg-
gefallen ſein würden, welche von ſolchen
Einwohnern der Stadt geleiſtet worden ſind,
die nicht Ortsbürger find, Es hat aber
noch einen andern viel wichtigern Grund,
warum man zu einer ſolchen Sammlung
ſeine Zuflucht zenommen hat. Es handelı
ſich hier nicht um eine Armenſteuer, fondern
um eine Liebespflicht, welche ſich nicht nach
dem Steuerkapital ausmeſſen läßt, Es ift
ganz in der Ordnung, daß für Straßen-
pfläſterung, Gasbeleüchtung u. ſ. w. jeder
Bürger nach ſeinem Vermögen beiträgt,
weil auch jeder den Nutzen davon hat.
Wenn es ſich aber um die Verſorgung
armer Waifen handelt, ſo kemmt dabei ein
Vortheil für die einzelnen Geber gar nicht
in Auſchlag, ſondern ein Jeder hat dabei
mit ſeinen befondern Verhäliniſſen oder
noch viel mehr mit ſeinem Herzen zu Rathe
zu gehen, und dieſes richtet ſich belannilich nicht
nach dem Steuerkapital. Wäre das Wai-
ſenhaus blos eine ſtädtiſche Anſtalt, ſo hätte
Niemand eine beſondere Veranlaſſung, et-
was dafür zu thun und ſich daſſeibe aͤnge-
legen ſein zu laffen. Iſt aber die Waifen-
anſtalt vorzugsweiſe ein Werk der freien
Wohlihätigkeil, ſo wird ſie auch immerfort
ein Pflegling derſelben bleiben und dadurch

zu einem immer beſſeren Gedeihen kommen.

Manche der Geber befanden ſich auch
in einem wirklichen Irrthume! Sie dachten
ſich bei der an ſte ergangenen Aufforderung
überhaupt nur eine Sammlung, wie ſie zur
Abhülfe eines augenblicklichen Bedürfniſſes
in der letzten Zeit öfters ſtattgefunden hat;
ſie haͤtten nicht gerade Zeit, Ju Überlegen,
daß es ſich hier darum handle, eine Wohl-
thätigkeiteanſtalt ins Leben zu rufen, was
nur Feſchehen kann durch ein größeres
Opfer, welches die hieſige Einwohnerſchaft
bringt. In dieſem Irrihume haben Manche
eine geringere Summe gezeichnet, als ſie
nach ihren Verhältniſſen und nach ihrem
ſonſt bewährten Wohlthätigkeitsſinne ge-
zeichnet haben würden. Es wird ihnen, ſo
wie denen, die durch andere Bedenkeh, die
vielleicht jetzt Lefeitigt ſind, ſich haben hin-
dern laſfen eiwas beizutragen, nicht un-
angenehm ſein zu erfahren, daß das Waͤt—
ſenhauscomite fortwährend zur Empfang-
nahme der milden Beiträge bereit iſt! Die
vorhandene Summe reicht zwar hin, um
dem allerdringendſten Bedürfniffe abzubel-
fen; je mehr Unterſtützungen aber dem
Fond zufließen, einer deſto größeren Anzaͤht
von armen Waiſen kann geholfen werden.

Das Waiſenhauseomite.

Amtliche Nachrichten.

Karlsruhe, 14. Auguſt. Das geſtern
erſchienene Regierungsblatt Nr. 38 enthält
außer dem (Nr. 191) bereits mitgetheilten
proviforifjcdhen Geſetz über die Abänderung
des $ 40 der Semeindeordnung zunächft
eine aUerböchlandesherriiche VBerordnung,
durch welche beftimmt wird, daß die Ge-
meindebeamten, welche während des Kriegsa
zuſtandes an die Stelle der von ihrem Amt
entfernten oder zum Antritt deffelben nicht
Augelaffenen gewählten Gemeindebürger im
Wege anderweiter Wahl durch die Ge-
meinde oder der Einſetzung durch die Staats-
behörde getreten ſind, auch nach Beendi-
gung des Kriegszuſtandes bis zum Ablauf
der geſetzlichen Amtsdauer im Dienſt bleis
ben, Ferner eine allerhöchſtlandesherr-
liche Veroͤrdnung die Unterkunft und Ver-
pflegung von Erecutionstruppen betreffend.
— Ferner Ordensverleihung. Se. koͤnigl.
Heheit der Regent baben unter dem 18.
Juli d. J. dem großh. außerordentlichen
Geſandten und bevollmächtigten Miniſter
am k. preußiſchen Hofe, Kanimetherrn und
Legationsrath Frhrn. von Meyſenbug, das
Tommandeurkreuz Höchſtihres Ordens vom
Zähringer Löwen allergnädigſt zu verleihen
geruht. — Ferner Erlaubniß zur Annahme
fremder Orden. Se. k. Hoheſt der Regent
haben zur Annahme und zum Tragen frem-
der Orden die Erlaubniß ghädigſt zu er-
theilen geruht: unter dem 10. Mai d. Iı
dem Hofmarſchall Frhrn. Röder v. Dierse
burg für das ihm von Sr Hoh. dem Her-
zog von Sachſen Koburg-Gotha verliehene
Tommandeurkreuz 1. Kiaſſe des Sachſen-
Erneſtiniſchen Hausordens; dem geheimen
Cabinetsſeeretär Hacker für das ihm von
Sr. Hoh. dem Herzog von Sachſen Koburg?
Gotha verliehene Eommanteurkreus zweiter
 
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