N‘ 195.
Freitag, 20. Auguſt
1852.
durch die
Mr
2 .. 0,
Die Landwirthſchaftlichen
4 Die Sophiſten und das Chri-
ſtenthuni.
¶ Schluß.)
Das Volksblait beklagt es, daß im 15.
Jahrhundert der „alte brave Römer“ ge-
fehlt habe, der aus gerufen hätte: „jagt mir
die Sophiſten fort;z“ und daß die goͤliliche
Borfehung in Folge deſſen dieſen Raͤlh nicht
genehmigen konnte; natürlich, hatte ſie felbft
keine Mittel weiter, das „Geſchmeiß der
„Gräeculi“ vom Abendland fern zu halten,
und in ihrer Rathloſigkeit ließ ſie zu, daß
es ſeine „giftigen Eier legte, aus denen
die überreiche Saat von Sophiſten auf-
ſproßte, die ſeit dem vorigen Jahrhundert
die Geiſter in fieberhafter Auftegung und
faſt das geſammte Europa in Zudungen
erhaͤlt. Nun, was im 15. Jaͤhrhuͤndert
fehlte, der alte brave Römer der den
Rath gegeben hatte: jagt die Sophiſten
fort, das iſt in dem Herrn Verfaffer des
Artikels im Volksblatt, einem ächten braven
neuen Römer vorhanden. Jagt die So-
phiſten fort, ruft er aus, die „Boten der
Auflöſung, deren Händen nahezu die ganze
Bildung der deutſchen Nalion anvertraut
iſt! Der Rath iſt gegeben; die goͤttliche
Vorſehung hat ihn gehört; ſie haͤt keine
Entſchuldigung mehr, wie im 15. Jahrhun-
dertz alles Unheil, wenn ſie ihn nicht ge-
nehmigt, fällt auf ſie! Und es ſcheint in
der Thaͤt nicht, als ob die göttliche Vor-
ſehung den Rath ihres Conſulenten im
Volksblatt genehm haͤlten wollte, wenigſtens
für Deutſchland nicht, weder im proteſtan-
tiſchen, noch im katholiſchen. Denn daß je-
mals bei uns Erziehung und Unterricht in
die Hände der Partei des Volksblatts ge-
yathe, davor wird der Herr in ſeiner Gnade
uns bewahren. Wen das Volksblatt mit
dem Namen der Sophiſten meint, iſt klar;
es meint damit den Stand der weltlichen
Lehrer, die, ſtatt der Kirche, die Bilduͤng
der Jugend leiten, Daß einzelne Manner
dieſes Standes politiſchen und religiöſen
Verirrungen ſich hingegeben haben, wer leug-
net es; iſt aber der katholiſche Elerus frei
davon geblieben? Iſt nicht in Italien, im
Kirchenſtaat felbft ſeit Jahrhunderten der
Unterricht in geiſtlichen Händen gegeben
und geleitet von der Kirche? Giebi eg im
Kirchẽnſtaat einen weltlichen volitiſchen Leh-
rerſtand, dem das Volksblatt den revoͤluͤ—
tionären Geiſt, den ſittlichen Verfall, die
tiefe Irreligioſität bei allem ormaliſliſchen
Abergiauben aufbürden kann? Iſt nicht
der italieniſche Klerus bei, der lombardi-
ſchen Revoluiton weſentlich betheiligt? Haͤt
er ſeine Bildung auf deutſchen Schulen
und Univerſitaͤten empfangen, und nicht viel-
mehr in den rein geiſtlichen Anſtalten Ita-
liens? Was für kine Bürgſchaft liegt für
Deutſchland darin, wenn den Jeſuiten etwa
die Schulen übexantworet würden? Wo
ſind die guten Früchte, der von ihnen in
Italien geleiteten Anſtalten? Haben ſie
gehindert daß der Stuhl Petri umgeſtürzt,
der Papſt aus Rom vertrieben wurde?
Und baben ſie ſeine Herrſchaft wieder auf-
gerichtei? Sind ſie im Stande, ſie zu
halten? Iſt. der Papſt, wenn er ſich
auf ſeine Römer verlaffen foll, audh
der Volksgeiſt bis ins tiefſte Mark hinein
angefreſſen und „zerſetzt?“ „Die Prophes
zeiungen lauten auf eine Wiederbelebung
des chrifilichen Geiſtes und Eine Burg ſteht
noch; die haben ſie (die Sophiften) noch
nicht erſtürmt und werden fie auch nicht
blind erſtürmen.“ Dieſe Burg iſt die Kirche
natürlich. Allein wem verdanft dieſe Burg,
daß ſie noch ſteht? Sich ſelbſt? Mit nich-
ten! Sie war erſürmt mehr alg Einmal;
immer aber iſt es der Staat gewefen, der
ſie befreite z und weniger als irgend eine Macht
der Erde hat Rom Urſache, ſeiner Unbe-
ſieglichkeit ſich zu, rühmen, Das Chri-
ſtenthum wird ſiegreich über ſeine Feinde
ſich erheben; fein Geiſt iſts, der im Kampf
mit dem Böſen die Fahne voran tragen
muß; ja, fein Geiſt in aller ſeiner geiſti-
gen und ſitilichen Tiefe, wie er in dem
Worte Gottes, nicht in menſchlichen Irr-
lehren, die über dieſes ſich erheben, offen-
bart iſt. Dieſes Geiſtes iſt der Staat
oft mehr gedenk geweſen, als die Kirche;
und darum wird ihm von Gott die Kraft
verliehen, nicht nur ſich ſelbſt, ſondern auch
die Kirche zu ſchirmen und zu retten gegen
die Feinde Gottes und die Invaſion der
Barbaren.
Von Soßhiſten, die am Geiſte des Chri-
ſtenthums freveln, ſpricht das Volksblatt.
&8 giebt ſolche Sophiſten, ohne allen Zwei-
fel; und vor ihnen zu warnen thut mehr
alg je noth gerade in unſerer Zeit. In die-
ſer Hinſicht dereinigen wir unſere Stimme
mit der des Volfablattes, andD wenn es
ihin ein Ernſt iſt, dem Tod alles Ehri-
ſtenthums, aller Religion, alles wahren Giau-
bens, aller Sittlichkeit entgegenzutreten, und
von der Kirche wie vom Staat ein ge-
meinſames Verderben abzuwenden, ſo ſuche
es die Sophiſten da, wo ſie zu finden ſind!
Wir wollen es auf die Fährte leiten, da
es dieſelbe verloren zu haben ſcheint.
Woher drohi dem waͤhren Chriſtenthume
die größte Gefahr? Was ſteht mit der
Lehrẽ feines goͤttlichen Stifters in dem
chneidendſten Gegenſatze? Was iſt geeig-
net, die welterlöſende, die den Willen hei-
ligende Kraft der , geoffenbarten chtiſt-
lichen Religion in baares Heidenthum zu
verwandeln, ja in das Zerrbild einer Re-
ligion und Moral, das tief unter dem der
Sophiſten des Alterthums ſtehi?
Was hält das Volksblatt von jenen
Sophiſten, welche die alles Moralprin-
eip vernichtenden Lehren des Probabilis-
mus, der Kunſt, ſeine Abſicht zu lenken,
des Vorbebalts in Gedaͤnken erfunden zu
haben? Giebt es eine Schandthat, eine
Sünde, die nicht mit Hülfe dieſer Sophi-
ſtik entſchuldigt oder gar vextheidigt wer-
den könntẽ? Heißt es die Tugend befoͤr—
dern, wenn ein ſolcher Sophiſt die Frage
aufwirft, ob eine Frau, die ihren Mann
ermordet um ihren Buhlen zu heirathen,
in der Beichte dies bekennen müſſe, und
antwortet: Henriguez cein ſpaniſcher So-
phiſt) ſagt ja; Leſſius, (ein anderer) ſagt
neinz ich ſtimme dem letzteren bei. Leſſius
iſt ein angeſehener Doctor; die Mörderin
kann ſich aͤlſo auf ihn berufen!! Heißt es
die Gerechtigkeit, heißt es die Moralitaͤt
ſchützen, wenn der Sophiſt Gregorius von
Valencia ſagt: ein Richter kann recht gut zum
Vortheil eines Freundes partheliſch fein,
wenn er glaubt, daß ſich etwas dafür ſa-
gen läßt er kann ſelbſt in derſelben Sache
heute dieſer, morgen jener Meinung fol-
gen, wenn nur kein Seandal daraus er-
folgt. Iſt es chriſtliche Moral, wenn
derſelbe Sophiſt die Guͤte einer Handlung
lediglich nach dem Gebot der Klugheit
bemißt? Heißt es den Staat ſchützen,
wenn der Sophiſt Eskobar fjagt: „Dhrig-
keit und Unterthanen haben eine entgegen-
geſetzte Meinung; muß der Unterthan ges
horchen? Salad fagt: ja, aber Palao ſagt:
Wenn der Unterthan ſich auf eine pro-
bable Meinung flützt, daͤß das Gebol der
Trigkeit unerlaubt ſei, oder daß fie ihre
Macht überſchreite, fo braucht er nicht zu
gehorchen, weil es einem Jeden frei ftebt,
einer wahrſcheinlichen Meinung zu folgen.“
Und welche Tiefe des chriſtlichen Geiſtes,
welche Uebereinſtimmung mit den Lehren
des Erlöſers liegt nicht in der Lehre der
Sophiſten von der Abſichtslenkung!
Nach dieſer naͤmlich braucht man nur beim
Handeln die Abſicht ſo zu lenken, daß man
nicht gerade jündigen, ſondern einen be-
liebigen exlaubten Zweck erreichen wolle.
Strafbar iſt man nur, wenn man das Boͤſe
thut, aus Gefallen am Böfen, nicht
aber, wenn man es thut, um etwas Bor-
theilhaftes zu erreichen! So darf, nach dem
Sophiſten Hurtado, der Sohn ſich über
den Tod ſeines Vaters freuen, weil er
deſſen Güter erbt; ja man darf morden,
wenn es nur nicht aus Luſt am Morden
geſchieht, ſondern um einen Vortheil zu er-
reichen, odex der Schande zu entgehen re.
Das Volksblatt wird ohne Zweifel mit
dem alten braven Römer ausrufen: fort
mit dieſen Sophiſten! Es wird auch nichts
wiſſen wollen von dem dritten Kunſtſtück
der Sophiſten, der reservatio mentalis, d. h.
dem Vorbehalt in Gedanken! Aber wird
nicht feine prieſterliche Geſinnung ſich mit
Abſcheu von dem Sophiſten Sanchez
wegwenden, der da ſagt: Wenn Jemand
einen Pater ermordet hat und deshalb ges
fragt wird, ſo darf er antworten: ich habe
ihn nicht getödtel; wenn er nur in Ge-
danken an einen andern dieſes Namens
denkt; oder er darf ſelbſt an den Gemor-
deten denken, nur mit dem Vorbehalt: ich
habe ihn nicht getoͤdtet — vor ſeiner Ge-
burt. — Was ſagt das Volksblatt zu die-
ſer Sophiſtit?
Wir wollen, ſtatt weiterer Beiſpiele die-
ſer Sophiſtik, das Volksblatt einfach auf
die Provinzialbriefe des frommen Pascal
und auf die Bulle dominus et redemtor
neuer Römer dieſen Sophiſten
Ziel geſetzt hat. Wir wollen eg erinnern,
wie gerade die in ſittlicher Hinſicht hervor-
ragendſten Päpſte, z. B. ein Innocenz XI.
diejen Soyhifen und Entheiligern des