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die durch den großen Kaliſcher Brand Ver-
unglückten. — Die böſe Seuche hat unſere
Stadt, welche ſie um 3000 Einwohner aͤr⸗
mer gemacht, jetzt faſt ganz verlaſſen, doch
wüthete ſie noch in entſetzlicher Weiſe in
einigen kleinen Städten und auf den pol-
niſchen Dörfern, wo zum Theil jeder fünfte
Menſch dieſer Peſt erliegt. Aber ſelbſt bei
ihrem Scheiden hat die Krankheit ihren
verderblichen Charakter noch nicht abgeſtreift,
da ſte den böſen Typhus im Gefolge hatte,
der ebenfalls ſehr viele Opfer abforderte,
und dem nun alle möglichen Fieberkrank-
heiten gefolgt ſind. Der Himmel wolle ver-
hüten, daß die Seuche nicht im nächſten
Frühling wieder auflebe und ihren verwü-
ſienden Weltgang gegen Weſten fortſetze.
Für dies Jahr ſcheint es, daß ihre Kraft
dieſſeits der Oder gebrochen iſt. Wie aber
nichts ſo gräßlich iſt, daß es nicht auf ir-
gend eine Weiſe zum Privatvortheil aus-
gebeutet würde, ſo iſt es in unſerer Nach-
barſtadt M, auch der Fall geweſen, wo man
die Furcht vor der Seuche zum Einſchmug-
geln unverſteuerter Waaren, und zwar in
waͤhrhaft ſchaudererregender Weiſe benutzt
hat! Zur Zeit, alg die Seuche auf ihrem
Höhepuͤnkt ſtand, machte der jüdiſche Lei-
chenwagen täglich mehreremale die Fahrt
nach dem Kirchhofe, ohne daß er bei ſeiner
Nückkehr irgend angehalten worden wäre.
Dies wurde von der Speculation benutzt,
und der geſchloſſene Kaſten, in den die Lei-
chen gelegt wurden, ward nach deren Bes
erdigung mit Fleiſch und Mehl angefüllt,
das auf dieſe Weiſe unverſteuert in die
Stadt gelangte. Ein Steueraufſeher bemerkte
jedoch einmal, daß der leere Leichenwagen
19 ſchwer über das Pflaſter rollte; er un-
terſuchte den Kaſten, und fand ihn — in
dem noch vor einer Viertelſtunde eine offene
Choleraleiche gelegen — mit Fleiſch und
Mehl gefüllt.

Haunover, 26. Oct. (Fr. J.) Herr v.
Bothmer wird Frankfurt gegen Neujahr
verlaſſen, um nach Celle zurückzukehren, wo
derſelbe das Präſidium des Obergerichts
übernimmt. &in Nachfolger iſt für den je-
tzigen hannoveriſchen Bundestagsgeſandten
noch nicht ernannt.

Rendsburg Nach der Aarhuuſer Ztg.“
ſoll der vom König von Dänemark zu ie-
benslaͤnglichem Zuchtbaus begnadigte (ſchles-
wig ⸗holſteiniſche) Major Schütz bei ſeiner
Ankunft vor dem Zuchthausthor in Viborg
ohnmächtig geworden ſein, welches ſich wie-
derholt haben ſoll, alg er in den Hof ge-
kommen, ſo daß er vom Wagen getragen
werden mußte. Unterwegs in einem Kruge
ſoll er eine dort befindliche geladene Büchſe


ihm aber entwunden haben. Man will auf
dem übrigen Weg ſtarke Geiſteserſchütte-
rung bei im wahrgenommen haben; ſeine
(blinde ) Frau und Kinder waren die ein-
zigen Gedaͤnken, die ihn beſchäftigten.

Wien, 27. Oet. Dem SGefjandten und
diplomatiſchen Agenten Frankreichs iſt, wie
hieſige Blätter wiſſen wollen, eine Eircu-
larnote zugegangen wit der Weiſung, die
Kaiſerfrage im amtlichen Verkehre als einen
noch nicht zur Reife gelangten Gegenſtand
zu behandeln, deſſen Erledigung nicht von
dem Willen Einzelner, ſondern von dem
der Nation abhänging ſei.

Wien, 21. Ocl. Gr. Pztg.) Die Ver-
treter. dex Coalitionsſtaatn verſammelten
ſich bis jetzt im Miniſterium des Aeuhern
zu Vorbeſprechungen; naͤchſte Woche wer-
den die eigentlichen Conferenzen beginnen,
da die noch fehlenden Bevollmaͤchtigten
Würtembergs und Hadens heuͤte oder mor-
gen in Wien eintreffen werden.

Die in Wien bereits eingetroffenen Be-

vollmächtigten des Zolleongreſſes haben, ſo
verſichert man von dort der Freimüthigen
Sachſenzeitung, „nicht im allergeringſten ei-
nen feindſeligen, fa nicht einmal einen auch
nur entfernt unfreundlichen Geiſt gegen
Preußen. Sie wünſchen alle eine Verſtaͤn—
digung mit Preußen, aber — lediglich auf
der Grundlage des Zuſtandekommens eines
Handels⸗ und Zollvertrags, welcher die
Zolleinigung mit Oeſterreich vorbereitet,
mit dieſem, und zwar gleichzeitig mit dem
Abſchluß des Zollvereins mit Hannover
und mit Erneuerung der Zollvereinsver-
träge. Wenn Preußen bei Verwerfung die-
ſer Grundlage beharrt, ſteht ebenſo einmü-
thig der Eniſchluß feſt, ſtatt des bisherigen
Zollvereins mit Preußen einen Zollverein
mit Oeſterreich einzugehen, deſſen Wirkſam-
keit am 1. Januar 1854 beginnt.

Aus dem Unterinnthal, 22. October.
Die heutige Nummer des Tyroler Boten
berichtet von einem ſchauerlichen Verbre-
chen, das in der Nähe Kufſteins verübt
wurde. Am 11. d. M, wurde im Dorfe
Köſſen der Jahrmarkt abgehalten. Eine
Bäuerin aus der Gemeinde Niederndorf,
Namens Barbara Greiderer, 40 Jahre alt,
Mutter von 8 unmündigen Kindern, Be-
ſitzerin zu Ried, beabſichtigte an dieſem
Tage verſchiedene Victualten zu Markte zu
bringen. Von dieſem Entſchluͤſſe hatte ihre
Nachbarin, die ſog. Endtinger Bäuerin, 28
Jahre alt, Muiter zweier Kinder, Kennt-
niß erhalten. Sie beſtellte nun die Riede-
rin anf den Markttag, um zwar um 4!a
Uhr früh zu ſich in den Stall, mit dem
Verſprechen ihr zum Einkauf 7 Gulden
N. W., welche ſie ihr ſchuldete, zu geben.
Die Greiderer erſchien gegen 54 Uhr im
Stall — wurde aber von dieſer Zeit an
den ganzen Tag hindurch von niemanden
mehr geſehen. Die Maushäuslin zu Ret-
tenſchöß, welche ſich früher ſchon der Rie-
derin zur Begleitung nach Köſſen angebo-
ten hatte, waͤrtete vergeblich; auch ſonſt
will niemand die Greiderer weder auf dem
Wege noch auf dem Markte geſehen ha-
ben. Der Bauer von Endting war um 6
Uhr früh nach Köſſen gegangen, kehrte zwi-
ſchen 2 und 3 Uhr nach Endting zurück,
begab ſich hierauf mit Lehrer Buchauer in
den Walr, pfiff und fang, und zeigte ſich
ungewöhnlich fröhlich. Beim Abendeſſen
ſagie die Endtingerin plötzlich: es ſcheine
ihr, man habe einen Wenſchen mit weißen
Strümpfen an ihrem Stubenfenlter vorbei,
zu ihrem Haus getragen. Der Lehrer
fand auf, ging hinaus, aber ſah nichte,
Auf des Weibes Befehl mußte der Bauer
in den Stall gehen, nachzuſehen, ob etwas
darin ſei. Er kam bald mit der Nachricht
zuruͤck, er habe die Thüren offen gefunden,
und die Riedexin liege ermordet in ſeinem
Futterkaſten. Jetzt eilte der Lebrer hinaus,
fand die Angabe beſiätigt, hengchrichtigte
davon alsbald den Gatten und die Kinder
der Ermordeten, und dieſe trafen die Mut-
ter ſörmlich abgeſtochen, wie Man ein Schaf
abſticht obne aͤlles Geld, ohne ihre ſchoͤne
werthvolle Uhr, ohne Korb und Eier, welche
die Ermordele auf den Markt für die Wir-
thin in Reitewinkl mitgenommen hatte. Die
Endtingex beinzichtigten einen, marktbeſu-
chenden Bayer, der wahrſcheinlich die Un-
glückliche ermordet und dann in den Stall
zetragen habe. Mittlerweile hatte der Leh-
rer den geſchehenen Mord der Gendarmerie
angezeigi. Am 12. d. . begann Unterſuch-
ungs Verhör; beim Nachſuchen fand man
im Miſte des Stalles die Haarnadel der
Ermordeten und viele Eierſchalen. Die
Endtinger Bäuerin war bei der Unterſuch-
ung zugegen, als ihr plötzlich die Uhr der
Ermördeten unten hinausfiel. Es waren

nunmehr der Spuren genug, die Verbrecher
zu entdecken. Die Endtingerin und ihr Mann
wurden nach Rattenberg abgeführt, um
wahrſcheinlich nie mehr wiederzukehren.

Frankreich.

Paris, 28. Oet. Der /Conſtitutionnel“
bringt einen langen Artikel, „die vierte
Dynaftie“ überſchrieben, weiche er die der
Napoleoniden nennt. Er ſucht darin zu be-
weifen, daß Frankreich immer eine Ratio-
naldynaſtie gehabt, und immer zu gewiffen
Zeiten, bet drohenden Gefahren, eine an-
dere von Gott auserleſene Familie Frank-
reich gerettet habe. Chlodwig Karl Martel!
und Hugo Capet haben nach dem „Conſti-
tutionnel“ ihre Dynaſtien durch das Nieder-
ſchmettern der Barbaren des Auslandes
gegründet, Napoleon aber hat ſich ſeine
Krone durch die Vernichtung der Baͤrbaren
des Inlandes, d. h. der Socialiſten er-
kämpft.

Paris, 29. Oet. Der heutige „Moni-
teur zählt abermals gegen vierthalbtauſend
Kaiſexadreſſen auf. — Geſtern Nachmittag
kam AbdezeleKader hier anz derſelbe wird
ungefähr acht Tage hier verweilen, dann
wieder nach Amboiſe zurückkehren, und vor
ſeiner Ueberſiedelung nach Bruſſa nochmals
nach der Hauptſtadt kommen, um die Pro-
clamation des Kaiſerreichs durch ſeine Ge-
genwart zu verherrlichen. Er lebt hier ganz
frei. Allenthalben hört man ſeine intereffan-
ten Züge rühmen und das Publikum ſchenkt
ihm große Aufmerkſamkeit.! „Man weiß in
Frankreich einen beſtegten Feind zu achten?,
fagt darüber der /Moniteur“ in einem lan-
gen Bericht. Zufolge einer heute in Pas
ris eingeiroffenen Oepeſche ſind die Orne
und Vire aus ihren Ufern getreten und
richten in der Stadt Caen große Verwü-

ſtungen an.

Straßburg, 26. Oet. Die Coneeſſion
für den Bau der Eiſenbahn von Befancon
nach Mülhauſen wird erwartet Die Straß-
burg Baſeler Eiſenbahngeſellſchaft hat ge-
gründete Hoffnung, ſie zu erlangen. Die
Regierung hat bereits eine Zinſenbürgſchaft
von 4 Proe. zugeſichert. Das erforderliche
Capital von 20 Millionen iſt ſchon längſt
unterzeichnet. Die Nachricht der Parifer
Blätter, als ſtände eine Verſchmelzung der
Bafeler Eiſenbahngeſellſchaft init der Pa-
rie Straßburger zu erwarten, iſt unges
gründet. — In dem nahen Colmar de-
Gaftigt man ſich Ddamit, dem deutſchen
Dichter Pfeffel ein Denkmal zu errichten.

Aus dem Elſaßz, 26. Oet. Die Re-
gierungsorgane beſchäftigen ſich alle mit der
Frage ob die Abſtimmung über das Kai-
ſerthum dieſelbe impoſantẽ Mehrzahl zum
Vorſcheine bringen werde, wie ſie Louis
Napoleon im December v. J. erlangte. Wir
glauben, daß dieſes im Elſaß der Fall ſein
werde. Die Adreſſen zu Gunſten des Kai-
ſerthums waren ſo zahlreich unterſchrieben,
daß mit Beſtimmtheit angenommen werden
darf, Louis Napolcon werde bei dem neuen
Plebiseit S Mill. Stimmen erlangen.

Düntkirchen, 23. Oet. (Köln. 3.) Sie
erhalten heute von mir einen Brief aus
der Vaterſtadt Jean Bart's, des glorrei-
chen Admirals, wo ich ſeit 2 Tagen das
Dampfboot erwarte, welches mich nach Al-
bions Geſtaden hinüberfahren ſoll. Hier
in der äußerſten Ecke Frankreichs iſt die
politiſche Stimmung wie im ganzen Depar-
tement du Nord dem herrſchenden Regi-
ment durchaus günſtig. Die Vorſtände als
ler Gemeinden ohne Ausnahme hahen die-
ſer Tage Adreſſen nach Paris zu Gunſten
des Kaͤiſerreichẽ abgefandt, und hier fah
ich an aͤllen öffentlichen Orten Petitionen
im gleichen Sinn aufgelegt, die bereits mit
 
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