fluͤrzte endlich mit 2— — auf das
große Trlebrad der Mühle, von der erwartungs-
dollen Wenge mit Jubel begrüßt. Schon ſtaͤn—
den Säcke mit Gelreide bereit, um die Brauch-
barkeit des Werkes zu erproben, und bald dreh-
ten fich, durch das gewaltige Mühlkrad in Schwung
‚gefeßt, Die genau zufammengefügten großen
Maͤhlſteine und zerrieben die nährende Frucht
des Feldes und die ausgeſpannten Säcke füllz
ten fich mit prachtvoll feinem Mehl.
Erſt nach Verlauf von einigen Tagen, nach»
‘ "Dem das Waffer, vom fcblammtgen Erdreich ge-
fondert, rein und Har im Kaͤnalbette daͤhin-
ſtrömte, wurde auch das Werk des Thurmes,
welches die Wohnungen der — auf dem
Berge mit Waſſer verſehen follte, in ſeiner
Zweckdienlichkeit erprobt und bemwährt gefunden,
Ein Kettenwerk um zwet Wellen mit Schöpf-
eimern verfehen bewirkte den Aufhub Das
Kunſtwerk übertraf durch feine Trefflichkeit alle
Erwartungen und erwarb ſeinem Erfinder den
Dank feiner Amtebrüder in hohem Grade die
5a8g Waſſer bis dahin mit vielen Beſchwerden
ſich aus dem Thale hatten heraͤuffchaffen müſſen.
Heinrich wurde durch Copernikus als Werk-
meiſter in der Muͤhle angẽſtellt und nach Ver-
lauf einiger Wochen vereinigte der Segen der
Kirche das liebende Paar, das durch ein wun-
deraͤhnliches und noch für ſpäte Nachkommen
wohlthätiges Werk des unſterblichen Aſtronomen
die ungehoffte Erfuͤllung feiner Herzenswünſche
gefunden haͤtte. Copernikus ſelbſt vollzog ſei-
nem Verſprecheu gemäß die Trauung, und daß
die Hochzeiikuchen von dem Mehle, das auf der
neuen Mühle von dem geſchickten Bräutigam
von ſelbſt; auch ließ ſich's Vater Heilbronn
nicht nehmen, dem Ehepaar eine von ſeiner
Hand zierlichft — Wiege zum Ange-
binde zu macdhen, in der nach Jahresfriſt ein
ganz allerliebſter Enkel ſchlummerte.
Schon — — beinahe dret Jahrhun-
derte in Fühler Gruft; ein Grabſtein mit einer
ſchön unleſerlichen Inſchrift im Dom zu Frauen-
von ihm angelegte Mühle erhält noch das dank-
bare Andenken feines fegensreichen Wirkens in
dortiger Gegend! Auch der fogenannte „Kunft-
thurm“ ſteht noch, dem Zahn der Zeit trotzend
als ein Zeuge ehrenwerther Bauart da; doch ſein
künſtliches Schoͤpfwerk, das er einſt 2 iſt
durch den Unverſtand ſeine Nachkommen längſt
zerſtött Nur eine im Thurm eingemauerte
Steinplatte mit einer darauf eingegrabenen In-
ſchrift erzählt noch dem Fremdling, welchen
Zweck dleſer 14 gehadt hat. Die Inſchrift
lautet?
‚Hic_patiuntur aquae sursum properare coaetae‚
Ne careat sitiens incola montis ope.
Quod natura tribuit copernicus arte;
Unum pro cunctis. fama quuatur opus.
Zu deutſch etwa:
Schau hier ſträ ubende 8 5 —
ben,
Daß der Bewohner des Bergs —— 2 Hit'
nicht entbehr”,
Was die Natur hier verſagt, 4
ei
— einzige 5* * ſtatt aller mit Ruhm
2
ein — —
Vor dem hohen gewölbten Thorbogen des
Schloſſes Geroldseck, am öſtlichen Abhang der
Vogeſen gelegen, ſtand ein blondgelockter, zehn-
jaͤhriger Knabe und ſchaute andächtig zu dem
ſauber ausgehauenen Wappenſchildt über dem
Eingange empor, welches einen Hermelin in
rothem Felde mit dem Wahlſpruch: otius
/
2
mori quam foedari!l“ zeigte und von zwei mäch-
© Potius — mori — quam — foedari‚ 1a8
der Knabe langfam mit nachdenklicher Miene ;
mich däucht! die Worte hätt! ich ſchoͤn mehr-
mals aus dem Munde des Vaͤters gehört. Was
nicht, fuhr er nach einer Pauſe fort, e8 kann
nur lateiniſch oder italieniſch fein. Der Vater
wird mir den Spruch gewiß erklären koͤnnen:
ſobald er von der Jagd heimkommt, werd' ich
ihn darum bitten. Nach dieſen Worten hob
er ein Stückchen Kalk vom Boden auf und be-
falt an die uralte graue Thurmmauer zu ſchrei-
ben, welche die ſinkende Sommerſonne mit gol:
digem Schimmer umhüllte! Der Knabe —
Adalbert hieß er — war der Sohn des
Grafen Rudolf von Geroldseck, welchem das
Schloß und die uniliegenden Ländereien gehör-
ten! Der leßtere, ein kraͤftiger Fünfziger von
ritterlichem YNeußern, hatte den groͤßten Theil
ſeiner Jugend und ſeines Mannesalters am Hof
Ludwigs XIV. verlebt, welcher Monarch ihm
befonders gewogen geweſen war und ihn auf
maucherlei Weiſe ausgezeichnet hatte. Allein
trotz ſeines langjährigen Aufenthalts am Hof
hHatte er ſeinen biedern, edlen deutſchen Sinn
treu bewahrt und ſich von dem leichtfertigen,
genußſ üchtigen, ſcheinheiligen und ſittenlofen Trei-
ben, welches in den ſpäteren Regierungsjahren
—— XIV. am franzoͤſiſchen Hof herrſchte,
mit Entrüſtung abgewendet. - Da er nicht im
Stande gewefen . mar, feinen Unwillen allzeit
in fich zu verſchließen, fo hafte er ſich mehrere
Felnde gemacht, durch deren Ränke und Kaba-
len er ſich endlich veranlaßt gefehen, das ehren-
volle Amt, welches ihm der Koͤnig übertragen,
niederzulegen und ſich auf fein väterliches Schloß
zurückzuziehen! Seine Gaͤttin, die Tochter eines
burgundiſchen Edeluianns, die eı am Hof ken-
nen gelernt und trotz der Intriguen erbärm:
liher Neider endlich zum Altar geführt hatte,
war zu feinem unausſprechlichen Schmerz gleich
nach der Geburt Adalbert8 geftorben und eine
entfernte Anverwandte hatte während der erſten
Jußendjahre des Letzten Mutterſtelle bet dem-
ſelben vertreten: Jetzt lebie der Graf mit ſei-
nem zehnjährigen Sohn einſam auf der alten
ben alle feine Kräfte.
Das Schloß Iag auf dem —
Plateau eines waldbewachſenen Berges, der nach
Oſten ſteil gegen die Ebene abfiel, welche ſich
zwiſchen dem Rheinſtrom und den Vogeſen aus-
breitet! An der Südſeite des Purgberges ſtrömte
ein rauſchender Waldbach vorüber, der in mans
nigfachen Krümmungen durch üppige Frucht-
Norden aber ſchaute man in die ſtillen Gründe.
des Gebirgs binein, aus denen hier und da
eine einſame Mühle oder ein freundliches Dörf-
merte. Ein großer ſchattiger Park und ein
wohlgepflegter Frucht- und Blumengarten um-
gaben die Schloͤßhebaͤude, welche mit ihren al-
lerthuͤmlichen Thlürmen und Erkern ihren ho: '
hen Bogenfenftern und Portalen einen majes
Im dreißigjährigen
Krieg und im erſten Reichskrieg unter Ludwigs
XIV. äfivguerung war die Burg hart mitgenom-
men und ein Theil derſelben. gaͤnz zerſtört wor-
den; der Vaͤter des jetzigen Grafen aber hatte
das Beſchädigte forgfältig ausbeſſern und den
zerſtoͤrten Flügel in altem Styl wieder auf-
bauen (affen. Auf der Zinne eines der hobhen
Ausſicht auf die weite blühende, mit unzähligen
Dörfern und Staͤdten geſchmückte Ebene zu bei-
den Seiten des Roeins, auf die jenfeit des
Stroms ſich erhebenden blauen Kuppen des
— und auf 2 grünen * 8
Thaͤler der Vogeſen, welche das Schloͤß auf
drel Seiten umſchloſſen.
Die Bewohner einer ßenad)ßurten Burg,
welche nur durch ein tiefes Thaͤl von der Felz
Schweſter — eine Graͤftn von Retenſtein
— und deren einzig ſechsjährige Tochter He-
lene waren die einzigen, welche die tiefe Stille,
die auf Geroldseck herrfchte, dann und wann -
durch ihr Erſcheinen unterbrachen. Dieſer Obriſt
von Haͤgenau war ſchon in ſeinem achtzehnten
Jahr in die Dienſte des deutſchen Kaifers ge-
treten und hatte unter dem Prinzen Eugen von
Savohen mit großer Auszeichnung gegen die
Türken gekämpft. Nach dem Fıieden von Paſ-
men und hatte auf den Wunſch ſeiner Schwe-
fter, die damals eben ihren Gaͤllen verloren, die
Verwaltung ihres Beſitzthums uͤbernommen.
Dem graden, offenen, ritterlichen Kriegshelden
war das franzöjijche Hofleben noch verhaßter
alg dem Örafen, da er daffelbe in feiner gan-
zen Srbürmlichfeit während der Minderjährig:
keit Xudwigg XV. Fennen gelérnt hatte. Ob-
gleich er nur kurze Zeit in Varis und Vers
ſailles gewefen war, fo hatte ſein ſcharfer durd: .
dringender Blick doch gleich den tiefen Verfall
entdeckt, den man umfonft hinter einer glänzens
den Außenfeite zu verbergen trachtete. So oft -
der Graf und der Oberſt zufammenkamen, fiel
hr Geſpräch faſt unwillkürlich auf das täglich
überhand nehmende Sittenverderbniß des Hofes
und auf das tiefe Elend, welche8 die Erſten
des Staales durch ihre maßloſe und empörenvde
Verſchyendung über das gedruͤckte Volk brach-
ten. Wenn die beiden mannhaften, ritterlichen
Geſtaͤlten fo droben vor der uraͤlten grauen
Burg auf dem Gipfel des waloumrauſchten
Berges ſtanden und grollend gen Weſten fchau-
ten, nach der laſterhaͤften —4̃—* dem Quell
des allgemeinen Verderbens, da war es al8 ob
ſie gleich zwei Riefenwächtern Deutſchland vor
dem Peſthaͤuch bewahren wollten, der vom Un= -
Eas herüberwehte.
Eettſebung feizt)
Hoffnuug *
Tlieht mancher Lenz Dir freudenteer Gorbei, -
Steht welkentblättert noch der Strauch der Rofe. —
Und mahnt, daß Alles hier vergänglich fet,
Zerſtört auch nicht des ſtrengen Winters Kraft!
Verſtummt der Saͤnger Lied in — und Flur,
Und will der raͤuhe Froſt jed Hoffen decken —
Leduld, der Schnee fchißt ja die Saaten nur,
Damit der %niblmg ſie kann neu erweden!
Nimmt in die Fern demZug der Schwalben deer,
O zweifle nicht an ihrer Wiederfehr! - .
Loͤnt an Dein Ohr auch dumpf des — Klang,
Und will die Stunde nimmer Dir erſcheinen
Die täglich ſtillte Deines — Drang,
So lap das Auge feine Thräne weinen; -
Die Thräne mildert ja den- berbflen Schmerz,
Und füßes Weh und Stille kehrt in’$ %er&
Blick in b(e 3uftmft nur mit feſtem Muth,
Zed dunkle Nacht läßt einen Morgen hoffen —
Die Nebel all zertheilt der Sonne Gluth
Und über'm Berge wird die Ausficht offen !
Dort lebt ein. Sott in reinem Himmelsblau,
Drum dulde, hoffe, liebe und vertrau!
— —
— — * B, Riechher.
Druck und Verlag von G. Reich ard.
—
große Trlebrad der Mühle, von der erwartungs-
dollen Wenge mit Jubel begrüßt. Schon ſtaͤn—
den Säcke mit Gelreide bereit, um die Brauch-
barkeit des Werkes zu erproben, und bald dreh-
ten fich, durch das gewaltige Mühlkrad in Schwung
‚gefeßt, Die genau zufammengefügten großen
Maͤhlſteine und zerrieben die nährende Frucht
des Feldes und die ausgeſpannten Säcke füllz
ten fich mit prachtvoll feinem Mehl.
Erſt nach Verlauf von einigen Tagen, nach»
‘ "Dem das Waffer, vom fcblammtgen Erdreich ge-
fondert, rein und Har im Kaͤnalbette daͤhin-
ſtrömte, wurde auch das Werk des Thurmes,
welches die Wohnungen der — auf dem
Berge mit Waſſer verſehen follte, in ſeiner
Zweckdienlichkeit erprobt und bemwährt gefunden,
Ein Kettenwerk um zwet Wellen mit Schöpf-
eimern verfehen bewirkte den Aufhub Das
Kunſtwerk übertraf durch feine Trefflichkeit alle
Erwartungen und erwarb ſeinem Erfinder den
Dank feiner Amtebrüder in hohem Grade die
5a8g Waſſer bis dahin mit vielen Beſchwerden
ſich aus dem Thale hatten heraͤuffchaffen müſſen.
Heinrich wurde durch Copernikus als Werk-
meiſter in der Muͤhle angẽſtellt und nach Ver-
lauf einiger Wochen vereinigte der Segen der
Kirche das liebende Paar, das durch ein wun-
deraͤhnliches und noch für ſpäte Nachkommen
wohlthätiges Werk des unſterblichen Aſtronomen
die ungehoffte Erfuͤllung feiner Herzenswünſche
gefunden haͤtte. Copernikus ſelbſt vollzog ſei-
nem Verſprecheu gemäß die Trauung, und daß
die Hochzeiikuchen von dem Mehle, das auf der
neuen Mühle von dem geſchickten Bräutigam
von ſelbſt; auch ließ ſich's Vater Heilbronn
nicht nehmen, dem Ehepaar eine von ſeiner
Hand zierlichft — Wiege zum Ange-
binde zu macdhen, in der nach Jahresfriſt ein
ganz allerliebſter Enkel ſchlummerte.
Schon — — beinahe dret Jahrhun-
derte in Fühler Gruft; ein Grabſtein mit einer
ſchön unleſerlichen Inſchrift im Dom zu Frauen-
von ihm angelegte Mühle erhält noch das dank-
bare Andenken feines fegensreichen Wirkens in
dortiger Gegend! Auch der fogenannte „Kunft-
thurm“ ſteht noch, dem Zahn der Zeit trotzend
als ein Zeuge ehrenwerther Bauart da; doch ſein
künſtliches Schoͤpfwerk, das er einſt 2 iſt
durch den Unverſtand ſeine Nachkommen längſt
zerſtött Nur eine im Thurm eingemauerte
Steinplatte mit einer darauf eingegrabenen In-
ſchrift erzählt noch dem Fremdling, welchen
Zweck dleſer 14 gehadt hat. Die Inſchrift
lautet?
‚Hic_patiuntur aquae sursum properare coaetae‚
Ne careat sitiens incola montis ope.
Quod natura tribuit copernicus arte;
Unum pro cunctis. fama quuatur opus.
Zu deutſch etwa:
Schau hier ſträ ubende 8 5 —
ben,
Daß der Bewohner des Bergs —— 2 Hit'
nicht entbehr”,
Was die Natur hier verſagt, 4
ei
— einzige 5* * ſtatt aller mit Ruhm
2
ein — —
Vor dem hohen gewölbten Thorbogen des
Schloſſes Geroldseck, am öſtlichen Abhang der
Vogeſen gelegen, ſtand ein blondgelockter, zehn-
jaͤhriger Knabe und ſchaute andächtig zu dem
ſauber ausgehauenen Wappenſchildt über dem
Eingange empor, welches einen Hermelin in
rothem Felde mit dem Wahlſpruch: otius
/
2
mori quam foedari!l“ zeigte und von zwei mäch-
© Potius — mori — quam — foedari‚ 1a8
der Knabe langfam mit nachdenklicher Miene ;
mich däucht! die Worte hätt! ich ſchoͤn mehr-
mals aus dem Munde des Vaͤters gehört. Was
nicht, fuhr er nach einer Pauſe fort, e8 kann
nur lateiniſch oder italieniſch fein. Der Vater
wird mir den Spruch gewiß erklären koͤnnen:
ſobald er von der Jagd heimkommt, werd' ich
ihn darum bitten. Nach dieſen Worten hob
er ein Stückchen Kalk vom Boden auf und be-
falt an die uralte graue Thurmmauer zu ſchrei-
ben, welche die ſinkende Sommerſonne mit gol:
digem Schimmer umhüllte! Der Knabe —
Adalbert hieß er — war der Sohn des
Grafen Rudolf von Geroldseck, welchem das
Schloß und die uniliegenden Ländereien gehör-
ten! Der leßtere, ein kraͤftiger Fünfziger von
ritterlichem YNeußern, hatte den groͤßten Theil
ſeiner Jugend und ſeines Mannesalters am Hof
Ludwigs XIV. verlebt, welcher Monarch ihm
befonders gewogen geweſen war und ihn auf
maucherlei Weiſe ausgezeichnet hatte. Allein
trotz ſeines langjährigen Aufenthalts am Hof
hHatte er ſeinen biedern, edlen deutſchen Sinn
treu bewahrt und ſich von dem leichtfertigen,
genußſ üchtigen, ſcheinheiligen und ſittenlofen Trei-
ben, welches in den ſpäteren Regierungsjahren
—— XIV. am franzoͤſiſchen Hof herrſchte,
mit Entrüſtung abgewendet. - Da er nicht im
Stande gewefen . mar, feinen Unwillen allzeit
in fich zu verſchließen, fo hafte er ſich mehrere
Felnde gemacht, durch deren Ränke und Kaba-
len er ſich endlich veranlaßt gefehen, das ehren-
volle Amt, welches ihm der Koͤnig übertragen,
niederzulegen und ſich auf fein väterliches Schloß
zurückzuziehen! Seine Gaͤttin, die Tochter eines
burgundiſchen Edeluianns, die eı am Hof ken-
nen gelernt und trotz der Intriguen erbärm:
liher Neider endlich zum Altar geführt hatte,
war zu feinem unausſprechlichen Schmerz gleich
nach der Geburt Adalbert8 geftorben und eine
entfernte Anverwandte hatte während der erſten
Jußendjahre des Letzten Mutterſtelle bet dem-
ſelben vertreten: Jetzt lebie der Graf mit ſei-
nem zehnjährigen Sohn einſam auf der alten
ben alle feine Kräfte.
Das Schloß Iag auf dem —
Plateau eines waldbewachſenen Berges, der nach
Oſten ſteil gegen die Ebene abfiel, welche ſich
zwiſchen dem Rheinſtrom und den Vogeſen aus-
breitet! An der Südſeite des Purgberges ſtrömte
ein rauſchender Waldbach vorüber, der in mans
nigfachen Krümmungen durch üppige Frucht-
Norden aber ſchaute man in die ſtillen Gründe.
des Gebirgs binein, aus denen hier und da
eine einſame Mühle oder ein freundliches Dörf-
merte. Ein großer ſchattiger Park und ein
wohlgepflegter Frucht- und Blumengarten um-
gaben die Schloͤßhebaͤude, welche mit ihren al-
lerthuͤmlichen Thlürmen und Erkern ihren ho: '
hen Bogenfenftern und Portalen einen majes
Im dreißigjährigen
Krieg und im erſten Reichskrieg unter Ludwigs
XIV. äfivguerung war die Burg hart mitgenom-
men und ein Theil derſelben. gaͤnz zerſtört wor-
den; der Vaͤter des jetzigen Grafen aber hatte
das Beſchädigte forgfältig ausbeſſern und den
zerſtoͤrten Flügel in altem Styl wieder auf-
bauen (affen. Auf der Zinne eines der hobhen
Ausſicht auf die weite blühende, mit unzähligen
Dörfern und Staͤdten geſchmückte Ebene zu bei-
den Seiten des Roeins, auf die jenfeit des
Stroms ſich erhebenden blauen Kuppen des
— und auf 2 grünen * 8
Thaͤler der Vogeſen, welche das Schloͤß auf
drel Seiten umſchloſſen.
Die Bewohner einer ßenad)ßurten Burg,
welche nur durch ein tiefes Thaͤl von der Felz
Schweſter — eine Graͤftn von Retenſtein
— und deren einzig ſechsjährige Tochter He-
lene waren die einzigen, welche die tiefe Stille,
die auf Geroldseck herrfchte, dann und wann -
durch ihr Erſcheinen unterbrachen. Dieſer Obriſt
von Haͤgenau war ſchon in ſeinem achtzehnten
Jahr in die Dienſte des deutſchen Kaifers ge-
treten und hatte unter dem Prinzen Eugen von
Savohen mit großer Auszeichnung gegen die
Türken gekämpft. Nach dem Fıieden von Paſ-
men und hatte auf den Wunſch ſeiner Schwe-
fter, die damals eben ihren Gaͤllen verloren, die
Verwaltung ihres Beſitzthums uͤbernommen.
Dem graden, offenen, ritterlichen Kriegshelden
war das franzöjijche Hofleben noch verhaßter
alg dem Örafen, da er daffelbe in feiner gan-
zen Srbürmlichfeit während der Minderjährig:
keit Xudwigg XV. Fennen gelérnt hatte. Ob-
gleich er nur kurze Zeit in Varis und Vers
ſailles gewefen war, fo hatte ſein ſcharfer durd: .
dringender Blick doch gleich den tiefen Verfall
entdeckt, den man umfonft hinter einer glänzens
den Außenfeite zu verbergen trachtete. So oft -
der Graf und der Oberſt zufammenkamen, fiel
hr Geſpräch faſt unwillkürlich auf das täglich
überhand nehmende Sittenverderbniß des Hofes
und auf das tiefe Elend, welche8 die Erſten
des Staales durch ihre maßloſe und empörenvde
Verſchyendung über das gedruͤckte Volk brach-
ten. Wenn die beiden mannhaften, ritterlichen
Geſtaͤlten fo droben vor der uraͤlten grauen
Burg auf dem Gipfel des waloumrauſchten
Berges ſtanden und grollend gen Weſten fchau-
ten, nach der laſterhaͤften —4̃—* dem Quell
des allgemeinen Verderbens, da war es al8 ob
ſie gleich zwei Riefenwächtern Deutſchland vor
dem Peſthaͤuch bewahren wollten, der vom Un= -
Eas herüberwehte.
Eettſebung feizt)
Hoffnuug *
Tlieht mancher Lenz Dir freudenteer Gorbei, -
Steht welkentblättert noch der Strauch der Rofe. —
Und mahnt, daß Alles hier vergänglich fet,
Zerſtört auch nicht des ſtrengen Winters Kraft!
Verſtummt der Saͤnger Lied in — und Flur,
Und will der raͤuhe Froſt jed Hoffen decken —
Leduld, der Schnee fchißt ja die Saaten nur,
Damit der %niblmg ſie kann neu erweden!
Nimmt in die Fern demZug der Schwalben deer,
O zweifle nicht an ihrer Wiederfehr! - .
Loͤnt an Dein Ohr auch dumpf des — Klang,
Und will die Stunde nimmer Dir erſcheinen
Die täglich ſtillte Deines — Drang,
So lap das Auge feine Thräne weinen; -
Die Thräne mildert ja den- berbflen Schmerz,
Und füßes Weh und Stille kehrt in’$ %er&
Blick in b(e 3uftmft nur mit feſtem Muth,
Zed dunkle Nacht läßt einen Morgen hoffen —
Die Nebel all zertheilt der Sonne Gluth
Und über'm Berge wird die Ausficht offen !
Dort lebt ein. Sott in reinem Himmelsblau,
Drum dulde, hoffe, liebe und vertrau!
— —
— — * B, Riechher.
Druck und Verlag von G. Reich ard.
—