Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
einen innigen Antheil an ſeinem Verluſt zu
nehmen und ließen es ſich fo angelegen ſein,
ihn durch Freundſchafts⸗ und Liebesbeweiſe aller
Art zu zerſtreuen und zu erheitern, daß der
tiefe Eindruck, den die plaͤtzliche Trauerkunde,
die Anwefenheit und die Worte des Oberſten
auf ſein ertegbares Gemüth hervorgebracht hat-
ten, ſchneller verſchwand, als er e8 in ſeinem
Schmerze gedacht. Die heilende Zauberkraft
der Zeit, welche auch die tiefſten Wunden mit
leiſer Haͤnd ſchließt, hatte an der Liebe und
an dem bewegten und fröhlichen Getümmel der
glänzenden Hauptſtadt zwei mächtige Bundes-
genoſſen. Namentlich erwies ſich die erſtere der
beiden als eine wahre Wundverthäterin. -

(FortfeBung folgt.)

Die Marketenderin von Fontenoy.
Erzaͤhlung aug der Regierungszeit Ludwigs XV.
(Schluf.)

Kaum hatte Ludwig XV. feine Unruhe auss
gefprochen, fo fah man drei Reiter mit verhäng:
ten Zügeln in der Richtung zum Hauptquar-
tier heranſprengen. Der Herzog v. Richelieu,
leicht erkenntlich am weißen Buſche feines Hu-
te8, hielt bald vor dem König.

Herbei doch, Vetter, rief Ludwig XV.; ich
zitterte, es möchte Euch ein Unglück zugeſtoßen
fein!

Sire! Dank meinem Schwert und der hel-
denmüthigen Hingebung dieſes Feldwebels und
dieſer Marketenderin bin ich einem Haufen eng-
liſcher Soldaten entfommen, die ſich an mich
gedrängt hatten, wie eine Schaar raſender Hunde.

Ich weiß, Vetter, daß Ihr Euch nicht ge-
ſchont habt und der Herr Marſchall wußten
auch, daß Ihr den Feind an der Spitze eines
Banners Meiner tapfern franzöſiſchen Leibwa-
chen angegriffen hattet.

Sire! Diefes Banner hatte faſt alle ſeine
Offtziere verlaren und kämpfte dennoch nicht
minder entſchloſſen! Derſelbe Feldwebel, dem


terte ſeine Genoſſen auf, nicht nur durch ſein


ſpiel einer unvergleichlichen Tapferkeit. Diefe
Tapfern waren die Erſten, welche die engliſche
Reihe erreichten. Urtheilen Sie, Sire, ob ich
mich nicht an ihre Spitze ſtellen mußte.

Der Koͤnig von Frankreich iſt mit Euch
zufrieden, Vetter, und wird Euch heute jede
erbetene Gnade gewähren.
Weil ſtch's ſo verhält. Sire, und mit Er-
laubniß des Herrn Marſchalls, fordere ich die
Epauletten für dieſen tapfern Feldwebel.

Wie heißt Er? fragte der König-

Tourneſol, ſeit zehn Jahren in Dienſt bei
den franzoͤſiſchen Leibwachen.

Toutneſol, das iſt ein NMame, der einem
Offtzier nicht ziemt .. . mein Vetter, um
Euch unſere königliche Zufriedenheit zu bezeu-
gen, ernennen wir Euren Schützling zum Frei-
herrn von Saint-Amans und zum Offizier bei
den franzöſtſchen Leibwachen.

Sire, rief Tourneſol, ein Knie zur Erde
beugend! Mein Leben gehört Eurer Majeſtät!

Sehr gut, mein Freund! — Iſt unſer Vets
ter Richelieu zufrieden?

Kann es aͤnders fein, Sire, wenn man die
Ehre hat, Eurer Majeſtät zu nahen? Uebri-
gens

Fordert weiter! Wir ſind geneigt, Euch zu
gewähren.

Sire eine Belohnung für die Hingebung
dieſer Marketenderin, die ſich mit Löwenmuth
geſchlagen hat, um mir das Leben zu retten.

Wir werden ihr ein Jahrgehalt auswerfen
aus unſerer königlichen Kaſſe.


Einen Jahrgehalt! rief die Marketenderin.
Ich weiſe zurück


von dem beſtimniten und entſchloſſenen Weſen
Mein Better, ſetzte er
hinzu, indem er ſich gegen den Herzog von
Richelien wandie, Ihre Heldin iſt ſehr hübſch.

Und ſehr klug fügte die Marketenderin bei-

Ah! Ahl fagte der Koͤnig, indem er lächelte,
ſeit wann hat ſich die Tugend zu vden Marke-
tenderinnen geflüchtet?

Seit ſie die Paläſte verlaſſen,
lebhaft das junge Weib.

Nun, nun, das iſt Sittenpredigt, glaube
ich. — Wie beißt Du, Kleine?

Roͤschen, die Amazone, Majeſtät zu dienen.
Ich habe dieſen Namen im Lager ausſpre-
chen hören . , . und mein Vetter Richelieu
beſchützt Dich .. was kann ich denn für Dich
thun, weil Du auf Deinen Jahrgehalt verzichteſt?

Sire, verheirathen Sie mich.

Dich verheirathen? Mit wem? ;

Sire, mit Zournefol . . . was ſag' ich
mit dem Lieutenant Saint-Amans, wenn an-
ders der Offtzier das Herz des Feldwebels be-
wahrt hat. ;

Denkſt Du daran, meine ſehr Schöne?
Eine Marketenderin kann keinen Freiherrn hei-
rathen, keinen Offtzier bei den franzöfiſchen
Leibwachen. Die Kriegsverordnungen ſind da-
gegen

Wohl, Sire, ich werde ledig bleiben.

Und weiſe?

Ja, Sire.

Nimm Sich in Acht, meine Kleine, in ei-
nigen Jahren wird die Weisheit für Dich nicht
mehr eine Tugend, ſondern eine Nothwendig-
keit ſein.

Einerlei Sire, ich bleibe Tourneſol treu-

Und ich auch, rief der Feldwebel aus. Sire,
ich gebe Euxer Majeſtät Epauletten und Titel
zurück, die Sie mir eben zugetheilt haben, wenn
ich der Liebe Roſe's entſagen muß, um dieſel-
ben zu behalten.

Die Umftände verwickeln ſich. Mein
Vetter Richelieu, zieht Euch daraus, wie Ihr
fönnt. ;

Der König war im Begriff ſich zurückzu-
ziehen, als er einen Ofſtzier auf ſich zukommen
fah, mit Staub bedeckt, das Ausſehen düſter
und niedergeſchlagen, und der allgemeinen Sie-
gesfreude anſcheinend fremd.

Dieſer OIfftzier war Georg von Laoal. Er
kam, dem König den Tod ſeines Onkels an-
zuzeigen, der einer der Erſten bei den franzö-
ſiſchen Vorpoſten. gefallen.

Der Graf iſt lodt vief Roſe aus. Mein
Gott, mein Goti, mein theurer Wohlthätex! —
aber ſind Sie deſſen ganz gewiß, Herr Geor-
ges, gibt es keine Hoffnung mehr?

Man bringt ſeinen Leihnam , . , e8 ſteht
Ihnen jetzt frei, Ddie Papiere zu Lefen’;, Die er
Ihnen übermacht hat.

Uh! Leider , . . hier ſind ſie , . Gnä-
digſter Herr von Richelieu, mein neuer Be-
ſchützer, leſen Sie ſelbſt, ſehen Sie den letzten
Willen meines hochherzigen Wohlthäters.

Dieſe Schelmin, ſagte Ludwig XV., han-

delt ohne Umſtaͤnde; fte ſpricht zu Herzogen
und Vairs wie zu Feldwebeln.
Das iſt höchſt ſonderbar! rief der Herzog
von Richeliew, und ſich gegen Roſa wendend
und ihr die Hand reichend, ſprach er: Fräu-
lein Valentine von Laval, ich werde Ihren Ehe-
vertrag unterzeichnen und auf Ihrer Hochzeit
ranzen.

Seld Ihr vervückt, Vetter? ſagte der Koͤnig.

Nein, Sire. — Möge Jedermann den In-
balt diefes letzten Willens vernehmen, den der
Erblaffer, der ſelige Graf von Lavalı, eigen-
händig unterzeichnet.

erwiderte

„In dem Augenblicke, da ich vor Gott er-


meine Handlungen, bin i verpflichtet, eine
Ungerechtigkeit wieder gut zu machen, Die bel


gehabt habe! Die Neue daruͤber hat meine
letzten Jahre verbiltert! Das Geſetz und die
Naͤtur müſſen endlich ihr Recht wieder einneh-
men. Der Wille der Todten muß ſich erfüllen-
Wegen eigennüßiger Bermögensrückfichten, habe


nachläſſtgt und ein tlefes Vorurtheil gegen eine
junge Frau gehegt, die bet den franzoͤſtſchen
Leibwachen „Rofa, die Amazonen bekannt iſt.
Heute übermache ich ihr die Haͤlfte meines fämmt-
lichen Vermoͤgens und gebe ibr ganz zu eigen
mein Schloß von Laval! Und iich ſtelle an
Valentine, meine Nichte, den Namen zurück,
der ihr gehört. Es iſt der Name, den ihr bei
der Anerkennung mein verſtorbener Bruder,
der Ritter Anton von Laval, gegeben gefallen
in der Schlaͤcht von Denain. — Möge ſſte mit


das Heil meiner Seele bitten!“

Meine Schweſter! rief Georg aus.

Lieutenant, Sie ſehen &, ich haͤtte einen
Bruder.

Fräulein von Layval, fagte der Köntg! ſie
können jetzt den Freiherrn von Saint-Amans
heitathen. Wir bewilligen 100,000 Franken
aus unſerer Kaſſe-


lentine, Ihre Majeſtät erlauben e8, ich reiche


allemal, daß wir uns ſo lieben, wie zur Zeit,
da Sie Feldivebel waren und ich Marketenderin.

Bet meiner Rückkunft nach Verſailles, fagte
Ludwig XV., werde ich nicht verſäumen, dieſe
Geſchichte der Frau von Pompadour zu erzäh-

len! Man trennte ſich vann, die Auflefe der

Gefaͤllenen zu halten und die Befehle des Mar-
ſchalls zu vollziehen.

Einige Tage darauf vereinten ſich der Feld-
webel und die Marketenderin in der Kathedrale
von Dornick (1), in Gegenwart einer glänzen-
den und zahlreichen Verſammlung.

° ‚C%) _Sn dolge des Sieges von Fontenoy öffnete
Dornick dem franzöſiſchen Heere ſeine Thore.

Vermiſchtes.
*. UrweltliHe Knochen in der
Baumannshöhle bei Rübelan d am

Yarz. Es war bisher nicht bekannt, daß in
dieſer berühmten und vielbeſuchten Höhle un-
ter dem Tropfſtein ganze Lager von Knochen
urweltlicher Thiere vorkommen! Durch die auf
anderen Analogieen gegründete Wahrſcheinlich-
keit eines ſolchen Fundes angeregt ließen Prof.


vorigen Herbſte die Tropfſteinlage auf der rech-
ten Seite der erſten großen Hoͤhlenkammer des
ſogenannten Taͤnzplatzes, durchbrechen und fan?
den unter der hHorizontalen Tropfſteinſchicht, die
den Boden bildet und die 11%/2—2 Fuß dick war,
einen gelblich-grauen, an einigen Stellen ſchwar-
zen und bituminöſen Letten mit Thierknochen
rfüllt. Dieſe ſtammen von dem Höhlenbären
(Ursus spelabus) und dem Höhlenhunde (Ca-
nis spelaeus), vorwaltend von dem erſten-
Sonſt fanden ſich noch Knochen von einem dem
Tiger an Größe gleichkommenden Hunde oder
einer Katze einem großen Pferde einem den
Rehe nahe ſtehenden und einem ſehr großen
grasfreſſenden Säugethiere. Die Entdecfung
verdient weiter verfolgt zu werden.

Verautwortlicher Redaeteur: G. Keichard.

Druck und Verlag von G. Reichard.
 
Annotationen