Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Journal (46) — 1852

DOI chapter:
Beilage-Blätter Nr. 1-13; 15-18: 20-22; 24-60; 62-157
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.66017#1354
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Feuilleton.
Liebe in alter Beit, —

; (Fortfegung.) ;

„Zwingen!“ rief der Lieutenant, „et Ele-
ment! wer hat denn das von Euch verlangt,
alter Menſch? Ich will keine erzwungene Frau,
ſage ich Cuch.! Sie foll ſelbſt wollen, die
ſchnippiſche Jungfer Elsheth, und ſie wird wol-
len, das ſeid verfichert.”

Was verlangen Sie denn alfo?“ fragte
Spangenberg, ſichilich erleichtert. —

„Ihr follt nicht dagegen fein, meinen Ab:
ſichten in nichts hinderlich! Wenn Elsbeth Cuch
fragt, follt Ihr ſprechen: Meinen Segen haft
Du. Der Grabow ift alt, aber auf einem
alten Stamm ift gut zu ruhen, und es iſt ein
gerechter rechtſchaffener Mann ein Mann von
Chren, Würden und Mitteln, der Dich gut


Hausfrau biſt“

Ein unwillkürliches Lächeln glitt durch das
Geſicht des blaſſen Nanzelliften. „Haben Sie
auch Alles recht bedacht, Lieutenant Grabow,“
fagte er. Elabeth iſt wie ein junges Fuͤllen,
übermüthig; ehe man ſich's verſieht, {djlägt’8
vorn und hinten aus, und auf und davon.“

Ich will ihr den Kappzaum ſchon anlegen,“
erwiederte der Lieutenant laͤchend, „will ihr den
Kopf in die Höhe richten, damit fie nicht mehr
das fchlechte Geſindel auf den Straßen als {br
Gleiches anfteht. — D! ich weiß wohl, fuhr
er leiſer fort, daß ihr Kopf ſchon voll Streiche
ſteckt die ausgetrieben werden müſſen, wenn's
etwas werden ſoll mit uns! — Da ift der
Bengel, der Cbherhard, warum habt Ihr dies
pfeifende Vieh in’8 Haus gelockt, alter Ser-
geant % — Macht Muſtk ein armer Muſtkant.
Ein Bettelgeſicht, der keine Perücke zahlen
Fann, bindet das eigene Haar in einen Knoten,
Mehl varauf geſtreut, baſta! — Den Jungen
muͤßt Ihr aus den vier Pfählen fhaffen, oder
halt! laßt es fein, ich werde ihn hinguͤsfchaffen,
wenn es Zeit {ft, werde ihn zum nüßlichen
Menſchen umwandeln.“

Das hämiſche Lachen, das ſein Geſtcht ſo oft
verzertte Fam zurück und ſtarr richtete er die
kleinen ſtechenden Augen auf den Kanzelliſten.
als dieſer ſich zu entſchuldigen ſuchte. „Cber:
hard," ſagte ert, „ifn ein armer herzlieber
Menſch. Sie wiſſen es vielleicht nidt, fein Va-
ter war Bürgermeiſter in einer kleinen Stadt
und hinterließ viele Kinder. Der Stiefbruder
des alten Bürgermeiſters hatte meiner Groß-
mutter Schweſtertochter zur Frau, ſo ſind wir
verwandt. — Da kanı die arme Mutter hier-
her mit dem Cbherhard, denn der Junge haͤtte
von kleinauf die Muſtk im Kopfe. Er pfiff
im Poͤlroͤck ſchon Melodien auf den Rohrpfeifen
und war von dem alten Haͤckebrett nicht fortz
zubringen. — So brachte ſie ihn her zum Ler-
nen bei der Stadtmuſik und ich glaube wohl,
daß manches aus ihm werden könnte aber Du
lieber Gott! viele tüchtige Menſchen ſind ſchon
untergegangen und werden untergehen, weil


Geld und keine Freunde gab, — Nun ſtudirt
er wacker darauf los; der alte Herr Friedemann
Bach hat ſeine Luſt daran, wie er auf der Or-
gel in Sanct Marten Beſcheid weiß, und wenn
er ſo ſpricht mit Elsbeth von dieſem und jenem,
ſogar von großen Herren in der edlen Muſika,


ſehr viel zu thun haben muß, ſo denke ich doch,
der Junge wird ſich noch hohe Gönner erwer-
ben, denn ſein Sinn ſtrebt hoch und wer ihn
anſteht muß ihm gut fein.“
mSr ift alfo nicht in Berlin geboren?“ ſagte
der Lieutenant. > :
„Ja und IYtein,“ meinte der Kaͤnzelliſt lä-
chelnd, „e8 iſt eine fonderbare Gefchichte damit.
Hier wurde ihr Geſpräch von einem leifen
Pochen an der Thür unterbrochen und noch
leiſer ſteckte ſich ein freundliches, tiefblondes

Koͤpfchen Herein, das die großen ſchelmiſchen
blauen Augen demüthig auf und nieder ſchlug
— Der Lieutenant/ welcher der Thüre zunächft
ftand, ſchien von dieſer Holdſeligkeit erfüllt zu
ſein; er lächelte und kopfnickte mit aller mög-
lichen Anmuth, und dabei ergriff er mit der
großen plumpen Hand um die Thürecke nach
dem Arm der hübſchen Dirne und zog di
Sträubende ganz in das Zimmer. ;

„Guten Abend, hochachtbarer Herr Lieute-
nant,“ fagte ‚fie mit einem gewiſſen Anflug
ſchalkhafter Lujtigkeit, Ddie in den glänzenden
Augen aufloderte, und welche ganz zu dem tie-

Geſtalt ſenkte.
armes Kind heut Abend fo lange auf Ihre
merkwürdige Hiſtorten warten? Und Sie, Herz-
vater ,“ fuhr ſte fort und reichte dem Kanzelli-
ſten beide Hände, indem ſte ſich kindlich an ihn
ſchmiegte/Sie ſollen ſogleich mit mir kommen.
Die Milchfuppe ſteht auf dem Tiſch, ich habe
ſte ſelbſt bereitet und ſie iſt nicht angebrannt
und räucherig wie gewiſſe Menſchen behaupten.
Aber kalt iſt ſie geworden, und die ſchaͤnen
Kartoffeln dazu, woran die Leute ſchuld finD,
welche immer Andern den Appetit verderben,
damit fie ſelbſt das Beſte und Meiſte für ſich
behalten! Verſtanden?“ Sie drohte dem Lieu-
tenant und drehte ſich luſtig auf den hohen
Hacken eines ihrer hohen Schuhe.

Fortſetzung folgt.)

Treue bis zum Kerker.
- (Fortfeßgung.) ;

Niemand konnte die Möglichkeit des Stückes
begreifen, und die junge Dame wurde eine
kleine Schwarzkünſtlerin, eine kleine Hexe ge
nannt. Am Morgen darauf reiſete das munz
tere Baar fort und ließ dem wirthlichen Haufe
eine {tet8 frohe Crinnerung zurück. Aber bald
nach ihrer Abreiſe kamen die nächtlichen Spiel-
gäſte wieder und vermißten jeder Etwas, der
Eine einen goldenen Ring, der Andere eine
Bufennadel, der Dritte ein goldenes Petſchaft,
der Vierte eine ſilberne, mit Gold garnirte
Schnupftabaksdoſe und ſo jeder einen werth-
vollen Gegenſtand! Dem Wirth fehlte nichts
und er war empfindlich al8 man den fremden
Baron im Verdaͤcht dieſes gaukleriſchen Dieb-
ſtahls Batte, doch konnte er nach den Talenten,
welche der Fremde entwickelt haͤtte, an der
Wahrſcheinlichkeit, daß er der Thäter fei, nicht
zweifeln. — Das Reſultat dieſer Eretgniſſe
war, daß der Behörde Anzeige gemacht und
der Baron B. demnächſt ſteckbrieflich verfolgt
wurde! Im Z ... r Kreiſe wurde er weil er
auf dem Laͤnde Hei Rittergutsbeſitzern und Pre-
digern unter dem Namen eiues verunglückten
Oekonomen Unterſtützungen colligirt hatte, ver-
haftet und von dem Landrathe an das Criminal-
Gericht eingeliefert. Der Steckbrief paßte auf
den ſtrafbaren Eollecteur, auch fand ſich der
auf den Baron B. lautende, ſonſt überall rich-
tige Paß bei ihm vor, nur fehlte das bezeich-
nete junge Weib, eben ſo wenig fand man bei
den Arkeſtanten Etwas von den vermißten
Pretioſen.

Er leugnete nicht, in Begleitung einer jungen
Frau in dem Gaͤſthofe zur Henne gewefen
zu fein, wußte aber allen Fragen nadı dem
Namen, Stand und Aufenthalte derſelben ſo
geſchickt und ſchlau auszuweichen, daß man von
dem weiteren Forſchen darnach abſtand. Es
fiel dem Manne nun weiter nichts zur Laft
als das unbefugte Sammeln von Privat: Collec-
‚ten, weßhals eigentlidh nur eine fisfalifde Un-
-%terfud)ung begründet war. Aber auf einmal
trat ein Umſtaͤnd ein, welcher der Sache eine
hoͤchſt unangenehme Wendung gab! Der Baz
ron B haͤtte unter anderm angeführt, daß er
in der Militär: oder Caveiten-Anftalt zu K **
[ erzogen fei, e8 ging aber von dort die Nach-
richt ein, daß ſich in den Liſten dortiger An-
14 ein ſolcher Name gar nicht vorfinde. Dem


angeblichen Baron B. wurde dieß vorgehalten,
er blieb aber bei ſeiner Ausſage und wußte
alle Lehrer ſo ſpeeiell bei ihrem wahren Namen
und Charakter zu bezeichnen, daß man daran,
daß er in jener Anſtalt erzogen feti, gar nicht
zweifeln konnte. Es wurde wieder an den Vor-
ſtand geſchrieben, doch auch dieſer blieb bei
der Behauptung, daß ein folcher Name dort
nicht vorfäme, auch in keiner früheren Liſte
zu finden fel. Man hatte dem Antwortſchrei-
ben eine Liſte Deigefügt, welche ein genaues
National enthielt, . Mit vieler Mühe. wurden
die verſchiedenen Nattonales mit dem Arreſtan-
ten verglichen. Einige ſchienen dem Alter, der
Größe und dem Dialekte nach zu paſſen! Man
ſetzte die Correſpondenz mit der groͤßten Ge
nauigkeit fort, weil nothwendig hinter vem
falſchen B, ein verdächtiges Subjeet verborgen
ſein mußte. Endlich kam die Antwort! daß
der Arreſtant waͤhrſcheinlich kein anderer alg
der allerdingS in K** erzogene, vor Kurzem


Berbrechen zu lebenswieriger Strafe verurtheilte
Herr v. S, an deſſen Habhaftwerdung ſehr
viel gelegen fel. Schon glaubte der Gefangene
feine Freiheit ertrotzt zu haben, da wurde ihm
die zuleßt eingegangene Antwort vorgelegt,
welche feinen ganzen bisherigen Muth Gbrach.
Er hörte die Nachricht ſcheinbar ruhig an, er
griff aber auf etnmal eine auf dem Gerichts-
tifche vor ihm liegende ſcharf und ſpitz geſchlif-
fene lange Bapierfcheere, riß ſich Ddie Kleider
von der Bruſt und verfuchte fich einen tödtli-
chen Stich beizubringen, allein die Beamten
entwanden ihm das Inſtrument und wendeten
einen vielleicht wirklich aus Verzweiflung ver-
ſuchten Selbſtmord ab Von da an änderte
ſich der ganze Charakter des Gefangenen, er
fah ſein unglückliches Schickſal in ſeiner gaͤnzen
Größe vor fich, er erkannte es Geffer, al8 die
Beamten, welche ihn wirklich bemitleideten, und
verſank von dieſem traurigen Wendepunkte an
in einen beklagenswerthen Zuſtand von Tief-
ſinn! Die Commandantur zu B, beantragte
ſeine baldige Auslieferung.
(Schluß folgt.)

Bunt e s.

Wir theilen unſern geehrlen Leſern ein wet
teres Aktenſtück deutſcher Rechtſchreibekunſt eines
„angehenden Künflers“ mit.

Mein juter Herr Direetohr!
Untex die Bühne zw gehen war ſchonſt Lanfe mein
ihnuigſter Wuhnſch. Ich bin ein Weisgerber, aberft


gegen mir zu fahfenz in Jegeutheil habe i als
foldher eine Bildung, die wehn aug nich vorzuͤg
ſich! doch immer noch nicht zu den fchlechiften ge-
hört. Wie gefahgt ich bin Weiggerber und qualis
fistere mich fehr für die Schaufptelfunft, was ich
S3hnen, geöhrier Herr Direetohr beweifen kann,
wenn Sie mir erlauben wollen auf Ihrer Hochage-
ehrien Bihne in P* zu fpielen., Irovsartige Ta
Tente finden Sie wenige feßt, geöhrter Herr Divec-
tohr, zu diehſen gehöre ich. auch nichtz aberft ohne
beſcheiden zu fein, Fann. tch behanupfen, vahß ich
viel in mir trage, welches wenn diehſes Gelegen-
heit hat zum Aushruche zu kommen, ſchonſt für
die Zubkunf etwahs verſprechen kann! Daͤrum,
wenn Sie mir wöchentlih 1 Ihlr. 12 Ogr. jeben
wohlen, ſtehe ich mit meinen Fähigkelten Ihnen zu
Dinſten wofür ih Ihnen den Carl Mohr, Perzi-
vahl, Aypelino und alle Rollen ſpiele Die In’s
barbartſche Fach ſchlagen, und die ich alle aus-
wehndig Fann wie uhnſer liebes Vateruhnſer.

Ich will Ihnen nich länger belöſtigen, dahrum
breche ich ab. Sreiben Sie mir ohmgehend ob
Sie auf mir reflexiren wollen. Sohnſt habe ich
andere Engahgements aberſt P* wärre mir libber-
weil ich es einmal auf %* abgefehen habe und
dasfelbe für einen Konſtiuhnger meiner Art viel
Annedmlichfeit bietet, indem ich in janz Deutfchland
fein Theater finde, wo ich mir ſtüfeüweiſe fo für
meine Konſt ausbilhden kennte wie in diefer be-
deutenden Profinztakftabt, — Alfo nochmahls frets
ben Sie bald

* — f
unterthänigen Diener


Verantwortlicher Redacteur: ©. Neichard.

Druck und Verlag von G. Reichard.
 
Annotationen