ſuchen, ach! fie verdienen den Gram unſerer
Herzen nicht, und wie mein Seliger fo oft
ſagte: Katharine glaube mir, ſte taugen Alle
nichts! So iſt es in dieſer böfen Welt.“
Als der Lieutenant dieſe und eine unerſchöpf-
liche Reibe von Klagen und Ausſprüchen des
Seligen hörte, ſchien er große Luſt zu haben,
feinem Spott freie Zügel zu laſſen, indeß be-
ſann er ſich, daß er Ruückſichten zu nehmen
hatte. Er wohnte bei der Wittwe äußerſt billig,
und indem er ihren Heirathshoffnungen von
Zeit zu Zeit friſches Futter relchte, erhielt er
dafür nicht allein irdiſche Speiſe in Hülle und
Fülle, ſondern aug auserwählte Leckereien nebſt
jeder moͤglichen Bequemlichkeit, die er wünſchen
konnte. In diefem Haufe, fo alt und ſo bau-
fällig es ausſah, hatte der Selige, der ſein
Lebelang mit Waͤtten und Strümpfen handelte,
ein gar nicht fo geringes Vermögen zuſammen-
geſchaͤchert, das feiner kinderloſen Wittwe ein-
zig und allein zugefallen war. Und Frau
Katharina wußte den Mammon zufammen zu
halten! Denn ſo verſchwenderiſch ſie war,
wenn es galt, dem herzlieben Lieutenant ein
verdecktes Gerichtchen zu erſchaffen, ſo hungrig
ſah es fonſt in den feſtverſchloſſenen Schränken
aus. Täglich hörte Grabow den Zank über
die Gefraͤßigkelt des Dienſtmädchens die aus
dem Waifenhaufe von der ſparfamen Frau
geholt, wie ein Schatten im Hauſe umher-
ſchiich! und ‚mit dem Skelett einer Katze ſich
um. den Preis der Magerkeit ſtritt; auch wußte
er ſehr wohl, daß Jederntann überzeugt war,
der Selige fei den Hungertod geſtorben, ein
Schickfal dem er ſich keineswegs ausſetzen
wollte. Aber er meinte auch dieſe mörderifche
Leidenſchaft zur Vernunft zu bringen, und
waͤre die Anfechtung ſeines alten Fleiſches für
die blonde Toͤchter des Kaͤnzelliſten nicht da-
zwiſchen gekommen, er hätte die ehrbare Wittwe
ſicher glücklich gemacht.
Damit war es nun aber ganz und gar vor-
Bei, und wie die Liebe wenn die Flamme,
welche ſie nährte, verraucht iſt, einen immer
ſtaͤrkeren Widerwillen gegen den unglücklichen
zärtlichen Gegenſtand erzeugt, ſo brummte der
Lieutenant auch einen ſfchlimmen Fluch über
die alte verliebte Närrin und ſchwor, daß es
Zeit fet, e ſich vom Halſe zu ſchaffen! Er
that das aber nur innerlich, ſichtlich war er
ſo mildfreundlich und traulich, ‚alg er konnte.
Er {himpfte auf Geſchäfte und alte Freunde,
die ihn nicht lostaffen wollten, feufzte über Die
verkehrte Welt und die ſchlechten Menſchen da-
rin, etzählte ein Paar Zaubergeſchichten von
Betrügereien, deren Opfer er geweſen, und
hatte in wenigen Minuten den Frieden ſchon
fo weit hergeftellt, daß die Wittwe, als er
über ſchwere Ermübdung, Froſt und Kopfſchmer-
zen Flagte, ihn nicht eher entlaſſen wollte,
bis er ein ©la8 warmes Eierbier gegen Er-
kältung genoſſen hätte.
Fortſetzung folgt.)
Der verhängnißvolle Maskenball.
Novelle von ).
(Fortſetzung)
2
Wo die Leidenfhaft ſpricht, muß
die Vernunft ſchweigen!
Der Sommer, in welchen die ſogenannten
Flitterwochen für unſer glückliches Ehepaar
fielen war vorüber, und die langen Winter-
Vende rückten heran. Die Notabilitäten des
Stadtchens ſannen eifrig darauf, dieſe letzteren
auf Möglichft veitere Weife zu verbringen.
'äßml)o[b, der früher mit feinem. Humor
diel, wol das Meiſte zur Unterhaltung beige-
tragen batte, wurde beſtürmt, auch dies Mal
feinen Theil durch eifrigen Beſuch derartiger
Unterhaltungen betzutragen, wozu er fich jedoch
erſt nach vielem Zureden entſchloß, da er un-
ter ſeinen gegenwärtigen Verhältniſſen, beſon-
ders feiner jungen Frau wegen, fo wenig als
möglich mit ſeinen oben genannten Freunden
in Berührung kommen wollte. Ueberdies wa-
dieſe keinen beſondern Genuß bietenden Geſell-
ſchaften gänzlich entbehrlich geworden. Nur
Bodemar, ſein treuer Jugendfreund, mar
ſein faſt täglicher Geſellſchafter ;ı er war am
vortigen Amtsreviſorat angeſtellt und das aus-
geprägteſte Bild deutſcher Gemüthlichkeit und
Offenheit, der das Vertrauen ſeines Freundes
vollkommen verdiente! Durch ſein ausgezeich-
netes Ouitarre - Spiel verkürzte er dem jungen
Ehepaar manche Stunde, und durch fein Zu-
reden entſchloß ſich endlich Berthold, die zu
eröffnenden Abendunterhaltungen und zwar mit
ihm zu beſuchen! Allein es wollte jenes Jahr
kein recht froher Geiſt hinein Lommen , wozu
wol das paſſive Verhalten des Rentverwalters
viel beitrug; er haͤtte nämlich bald bemerkt,
wie aus den mit Freundlichkelt überzogenen
Geſichtern der bewußten Freunde und Freun-
diunen die Züge der Bosheit ſich nicht verkennen
ließen, was ihn bewog, in ſeinem Benehmen et-
waͤs gemeſſener und zurückhaltender zu werden —
Zur Faſtnachtsfeier war ein großer Mas-
kenball beftimmt. Man hatte Alles aufgeboten,
um durch die verſchiedenartigſten Koſtüme den
Ball intereſſant zu machen! Der alte Deutſche
mit ſeinem ſtattlichen Zopf oder der koleſſalen
Haartour der letzten Jahrhunderte ſchritt an
der Seite des mit Putz überladenen und vor-
trefflich karrikirten Stutzers unſerer Tage; feiſte
Mönche, Nonnen, ſtaͤttliche Ritter, wie Grie-
chen, Spanier, Italiener ae. drängten ſich In
buntem Gemiſch in dem geräumigen Saale,
daß es Einem unbegreiflich erſchien, wie dies
Städtchen dieſen großartigen Ball zu Stande
bringen konnte! Berthold haͤtte ſich unter das
dichteſte Gewühl der Masken gemiſcht, wo er
bald von einer allerliebſt gekleideten Italienerin
am Arm gefaßt und folgendermaßen angeredet
wurde:
„Ei ei, Freund Berthold, was bringt Dich
denn hierher? Warum bliebſt Du denn nicht
zu Hauſe, um Oein Weibchen zu unterhalten?“
„Das ſind Fragen, ſchöne Maske die Du
nicht ſtellen follteft ! —
„Ei warum denn nicht?! Es märe ja mög-
lich, daß ich Dir mit etnem guten Rath In
dieſer Beziehung dienen Ffönnte ...“
„Du biſt ſehr zuvorkommend! Worin beſteht
denn derſelbe?“
„In wenig Worten: Vergiß nie, daß die
Liebe blind macht!“
„Du biſt ſehr ſcherzhaft aufgelegt, kleine
Seheimnipvolle . . 7
„Sie ſcherzt nicht, ſie fagt nur Wabrheit!“
ertönte eine Stimme hinter ihm; der Sprecher
dieſer Worte war aber trotz des ſofortigen Um-
drehens Bertholds nicht mehr zu finden, und
als er nach der Italienerin zurück ſah, war
aud) dieſe verſchwunden und nicht mehr zu
finden —
Jedes räthſelhafte Wort in Bezug auf eigene
Verhältniſſe ausgefprochen, nöthigt zum Nachs
denken und zum Forſchen nach der Löſung des
Räthſels. Berthold begann ebenfalls über die
gewiß nicht ohne Orund hiugeworfenen dun-
keln Worte der beiden Masken zu grübeln.
Was war der Grund diefer geheimnißvollen
Warnung? Gedanken der verſchiedenſten Art
durchſtrömten feinen Kopf; das Maskengewühl
wurde ihm läſtig, er eilte ins Freie. — Nicht
jeden Menſchen verſenkt das Glück in einen
füßen, ſchwer zn ſcheuͤchenden Schlummer ‚am
wenigſten die mit einem lebhaften Temparament
begabten! Ein ſchwarzes Pünktchen am fernen
Horizont erweckt ihre Aufmerkſamkeit und macht
ſie mißtrauiſch gegen die Hauer de8 hettern
Himmels; nur die Herrſchaft des kalten Ver-
ſtandes kann in folchen Fäͤllen vov den Schre-
cken des Mißtrauens retten. — Den in Ber-
thold erwachten Gefühlsſturm drückte zwar
ruhige Ueberlegung, unterſtützt durch die rauhe
Nachtluft, etwas nieder, aber der Geiſt des,
wenn auch mäßig genoſſenen Weines behauptete
ſeinen Einfluß.
Es mar ſehr dunkel; das Geräuſch von
Schritten erweckte ihn, in der Nähe ſeiner
Wohnung angekommen, aus ſeinem Naͤchden-
fen, "feln ſcharfes Auge ließ ihn die Umriffe
einer Geſtalt erkennen, welche ſich In der ent-
gegengeſetzten Richtung von ihm entfernte,
ortſetzung folgt.)
Die Strahlenburg.
Auf dieſer Stätte, voll Erinnerungen,
Ruht ſinnend eines Wandrers Blick;
Sein Auge fagt es, wie ihn ttef durchdrungen
Der Erde wandelndes Geſchick.
Die Trümmer einſt'ger Herrlichkett
Erinnern an Vergängliſchkeit!
Wo iſt d ſtolze Burg, detn Glanz geblieben,
Gemäuers ehr’ne Feſtigkett?
Was hat des Lebens Luſt aus dir veririeben,
Wo blieb dein Pracht⸗ dein Jugendkleid?
Ja, jede Spur des Zahns der Zeit,
Ste kündet mir: Berganglig Fett!
„Wo ſind ſie, die mit ſtolzen Blicken
Bon deinen Zinnen einſt Zeſchaut?
Wo Jene, die einſt mit Entzücken
Sn dir ihr irdiſch Glück gebaut ?
Ihr Herz iſt Talt und Staub ihr Klett, —
Die Spfer der Ber géngrtchkettt
„Wo einſt die Freude ihre Zelte baute,
In Brunkgemächern, relch geztert,
Da herrſcht jetzt Stille; und dem Wandrer graute,
Den Nachts ſein Weg Hierher geführt:
Von ſanfter HöhHe dlickt es weit
Das graue Bild Vergänglichkeit!
„Doch Immergrün umzieht die Mauern
Und ſchmückt das altersgraue Haupt;
Sein Hoffnungsbild ſoll überdauern,
Was ſonſt Vergänglichkeit geraubt !
Ja, Hoffnung, dich hHat nte zerſtreut
Das düſtre Wort BergängktihHkeitt!
„Stets ſproſſen neu aus warmer Erde
Die Zeugen unſichtbarer Macht;
Die Boten, die ein mächtig „Werde !”
Gezaubert aus des Grabes Nacht.
Und hold winkt ſtets das Frühlingsikletd ;
Nicht AlLesS ſpricht: VergängkigFett!”
Hermann Schulze.
Buntes.
Zu Werrford in Kangda ſtarb voriges
Jahr ein gewiſſer Dantet Arkin in einem Alter
von 120 Jahren. Er war fieben Mal verheirathet
und hinterläßt eine Nachkommenſchaft von 570 Kin-
der und Enkeln.
Sparſamkeit iſt eine feltene Tugend bei Schau-
ſpielern. Der ruſſtſche Schauſpieler Karategin
war ſedoch fo ſparfam daß er ein Vermögen von
einer halben Million Rubel hinterließ
CDer Zweck eines Stuhls) Jemand
kaufte kuͤrzlich in Paris in einem der erſten Möbel-
magazine einen Stuhl von zterlich reizenden
Bau. Tags darauf befuchte ihn ein Freund,
der ſich gemächlich auf den neuen Stuhl nieder-
ließ, weicher aber plötzlich unter ihm ' zufammens
bricht. Der Stuhl-Eigentblumer nadt die Nefte
zufammen und begibt fich in das Möobel-Magazin,
um fi® über die Leichtfertige Urbeit zu beflagen.
Erftaunt betrachtet der Berkäufer den zerbrochenen
Stuhl und kann nicht begreifen, wie er In dieſen
Zufand gefommen: fet. — „Ja, Mein Hevr, vief
der Stuhl-= Käufer, „mein Sreund faß noch nicht
einmwal mit feiner ganzen Laft !“ — „Wie, er faß?!“
— „Er freilich mein Herr, wozu Faufe ich denn
den Stuhl 2“ — „Za, dann {f es mir erklärltch
warum er zerbrad ; Stühle, wie diefer, mein Bes
fer, fünd nicht zum Sigen, nurzum Stehen
— 4
A R E Tn ELG J SE S:
geſelſchaft wurde die ſtaxke Stimme einer Sängerin
gelobt. „Das hat ſie von ihrer Müuütter “ erläus-
terte Jemand ; „wenn die in Berlin auf den Stra-
ſen Radieschen augrief, mußte man ſich in Pots-
dam die Ohren zuhalten.“
Verantwortlicher Redacteur: G. Reichard.
Druck und Verlag von G. Reichard.
Herzen nicht, und wie mein Seliger fo oft
ſagte: Katharine glaube mir, ſte taugen Alle
nichts! So iſt es in dieſer böfen Welt.“
Als der Lieutenant dieſe und eine unerſchöpf-
liche Reibe von Klagen und Ausſprüchen des
Seligen hörte, ſchien er große Luſt zu haben,
feinem Spott freie Zügel zu laſſen, indeß be-
ſann er ſich, daß er Ruückſichten zu nehmen
hatte. Er wohnte bei der Wittwe äußerſt billig,
und indem er ihren Heirathshoffnungen von
Zeit zu Zeit friſches Futter relchte, erhielt er
dafür nicht allein irdiſche Speiſe in Hülle und
Fülle, ſondern aug auserwählte Leckereien nebſt
jeder moͤglichen Bequemlichkeit, die er wünſchen
konnte. In diefem Haufe, fo alt und ſo bau-
fällig es ausſah, hatte der Selige, der ſein
Lebelang mit Waͤtten und Strümpfen handelte,
ein gar nicht fo geringes Vermögen zuſammen-
geſchaͤchert, das feiner kinderloſen Wittwe ein-
zig und allein zugefallen war. Und Frau
Katharina wußte den Mammon zufammen zu
halten! Denn ſo verſchwenderiſch ſie war,
wenn es galt, dem herzlieben Lieutenant ein
verdecktes Gerichtchen zu erſchaffen, ſo hungrig
ſah es fonſt in den feſtverſchloſſenen Schränken
aus. Täglich hörte Grabow den Zank über
die Gefraͤßigkelt des Dienſtmädchens die aus
dem Waifenhaufe von der ſparfamen Frau
geholt, wie ein Schatten im Hauſe umher-
ſchiich! und ‚mit dem Skelett einer Katze ſich
um. den Preis der Magerkeit ſtritt; auch wußte
er ſehr wohl, daß Jederntann überzeugt war,
der Selige fei den Hungertod geſtorben, ein
Schickfal dem er ſich keineswegs ausſetzen
wollte. Aber er meinte auch dieſe mörderifche
Leidenſchaft zur Vernunft zu bringen, und
waͤre die Anfechtung ſeines alten Fleiſches für
die blonde Toͤchter des Kaͤnzelliſten nicht da-
zwiſchen gekommen, er hätte die ehrbare Wittwe
ſicher glücklich gemacht.
Damit war es nun aber ganz und gar vor-
Bei, und wie die Liebe wenn die Flamme,
welche ſie nährte, verraucht iſt, einen immer
ſtaͤrkeren Widerwillen gegen den unglücklichen
zärtlichen Gegenſtand erzeugt, ſo brummte der
Lieutenant auch einen ſfchlimmen Fluch über
die alte verliebte Närrin und ſchwor, daß es
Zeit fet, e ſich vom Halſe zu ſchaffen! Er
that das aber nur innerlich, ſichtlich war er
ſo mildfreundlich und traulich, ‚alg er konnte.
Er {himpfte auf Geſchäfte und alte Freunde,
die ihn nicht lostaffen wollten, feufzte über Die
verkehrte Welt und die ſchlechten Menſchen da-
rin, etzählte ein Paar Zaubergeſchichten von
Betrügereien, deren Opfer er geweſen, und
hatte in wenigen Minuten den Frieden ſchon
fo weit hergeftellt, daß die Wittwe, als er
über ſchwere Ermübdung, Froſt und Kopfſchmer-
zen Flagte, ihn nicht eher entlaſſen wollte,
bis er ein ©la8 warmes Eierbier gegen Er-
kältung genoſſen hätte.
Fortſetzung folgt.)
Der verhängnißvolle Maskenball.
Novelle von ).
(Fortſetzung)
2
Wo die Leidenfhaft ſpricht, muß
die Vernunft ſchweigen!
Der Sommer, in welchen die ſogenannten
Flitterwochen für unſer glückliches Ehepaar
fielen war vorüber, und die langen Winter-
Vende rückten heran. Die Notabilitäten des
Stadtchens ſannen eifrig darauf, dieſe letzteren
auf Möglichft veitere Weife zu verbringen.
'äßml)o[b, der früher mit feinem. Humor
diel, wol das Meiſte zur Unterhaltung beige-
tragen batte, wurde beſtürmt, auch dies Mal
feinen Theil durch eifrigen Beſuch derartiger
Unterhaltungen betzutragen, wozu er fich jedoch
erſt nach vielem Zureden entſchloß, da er un-
ter ſeinen gegenwärtigen Verhältniſſen, beſon-
ders feiner jungen Frau wegen, fo wenig als
möglich mit ſeinen oben genannten Freunden
in Berührung kommen wollte. Ueberdies wa-
dieſe keinen beſondern Genuß bietenden Geſell-
ſchaften gänzlich entbehrlich geworden. Nur
Bodemar, ſein treuer Jugendfreund, mar
ſein faſt täglicher Geſellſchafter ;ı er war am
vortigen Amtsreviſorat angeſtellt und das aus-
geprägteſte Bild deutſcher Gemüthlichkeit und
Offenheit, der das Vertrauen ſeines Freundes
vollkommen verdiente! Durch ſein ausgezeich-
netes Ouitarre - Spiel verkürzte er dem jungen
Ehepaar manche Stunde, und durch fein Zu-
reden entſchloß ſich endlich Berthold, die zu
eröffnenden Abendunterhaltungen und zwar mit
ihm zu beſuchen! Allein es wollte jenes Jahr
kein recht froher Geiſt hinein Lommen , wozu
wol das paſſive Verhalten des Rentverwalters
viel beitrug; er haͤtte nämlich bald bemerkt,
wie aus den mit Freundlichkelt überzogenen
Geſichtern der bewußten Freunde und Freun-
diunen die Züge der Bosheit ſich nicht verkennen
ließen, was ihn bewog, in ſeinem Benehmen et-
waͤs gemeſſener und zurückhaltender zu werden —
Zur Faſtnachtsfeier war ein großer Mas-
kenball beftimmt. Man hatte Alles aufgeboten,
um durch die verſchiedenartigſten Koſtüme den
Ball intereſſant zu machen! Der alte Deutſche
mit ſeinem ſtattlichen Zopf oder der koleſſalen
Haartour der letzten Jahrhunderte ſchritt an
der Seite des mit Putz überladenen und vor-
trefflich karrikirten Stutzers unſerer Tage; feiſte
Mönche, Nonnen, ſtaͤttliche Ritter, wie Grie-
chen, Spanier, Italiener ae. drängten ſich In
buntem Gemiſch in dem geräumigen Saale,
daß es Einem unbegreiflich erſchien, wie dies
Städtchen dieſen großartigen Ball zu Stande
bringen konnte! Berthold haͤtte ſich unter das
dichteſte Gewühl der Masken gemiſcht, wo er
bald von einer allerliebſt gekleideten Italienerin
am Arm gefaßt und folgendermaßen angeredet
wurde:
„Ei ei, Freund Berthold, was bringt Dich
denn hierher? Warum bliebſt Du denn nicht
zu Hauſe, um Oein Weibchen zu unterhalten?“
„Das ſind Fragen, ſchöne Maske die Du
nicht ſtellen follteft ! —
„Ei warum denn nicht?! Es märe ja mög-
lich, daß ich Dir mit etnem guten Rath In
dieſer Beziehung dienen Ffönnte ...“
„Du biſt ſehr zuvorkommend! Worin beſteht
denn derſelbe?“
„In wenig Worten: Vergiß nie, daß die
Liebe blind macht!“
„Du biſt ſehr ſcherzhaft aufgelegt, kleine
Seheimnipvolle . . 7
„Sie ſcherzt nicht, ſie fagt nur Wabrheit!“
ertönte eine Stimme hinter ihm; der Sprecher
dieſer Worte war aber trotz des ſofortigen Um-
drehens Bertholds nicht mehr zu finden, und
als er nach der Italienerin zurück ſah, war
aud) dieſe verſchwunden und nicht mehr zu
finden —
Jedes räthſelhafte Wort in Bezug auf eigene
Verhältniſſe ausgefprochen, nöthigt zum Nachs
denken und zum Forſchen nach der Löſung des
Räthſels. Berthold begann ebenfalls über die
gewiß nicht ohne Orund hiugeworfenen dun-
keln Worte der beiden Masken zu grübeln.
Was war der Grund diefer geheimnißvollen
Warnung? Gedanken der verſchiedenſten Art
durchſtrömten feinen Kopf; das Maskengewühl
wurde ihm läſtig, er eilte ins Freie. — Nicht
jeden Menſchen verſenkt das Glück in einen
füßen, ſchwer zn ſcheuͤchenden Schlummer ‚am
wenigſten die mit einem lebhaften Temparament
begabten! Ein ſchwarzes Pünktchen am fernen
Horizont erweckt ihre Aufmerkſamkeit und macht
ſie mißtrauiſch gegen die Hauer de8 hettern
Himmels; nur die Herrſchaft des kalten Ver-
ſtandes kann in folchen Fäͤllen vov den Schre-
cken des Mißtrauens retten. — Den in Ber-
thold erwachten Gefühlsſturm drückte zwar
ruhige Ueberlegung, unterſtützt durch die rauhe
Nachtluft, etwas nieder, aber der Geiſt des,
wenn auch mäßig genoſſenen Weines behauptete
ſeinen Einfluß.
Es mar ſehr dunkel; das Geräuſch von
Schritten erweckte ihn, in der Nähe ſeiner
Wohnung angekommen, aus ſeinem Naͤchden-
fen, "feln ſcharfes Auge ließ ihn die Umriffe
einer Geſtalt erkennen, welche ſich In der ent-
gegengeſetzten Richtung von ihm entfernte,
ortſetzung folgt.)
Die Strahlenburg.
Auf dieſer Stätte, voll Erinnerungen,
Ruht ſinnend eines Wandrers Blick;
Sein Auge fagt es, wie ihn ttef durchdrungen
Der Erde wandelndes Geſchick.
Die Trümmer einſt'ger Herrlichkett
Erinnern an Vergängliſchkeit!
Wo iſt d ſtolze Burg, detn Glanz geblieben,
Gemäuers ehr’ne Feſtigkett?
Was hat des Lebens Luſt aus dir veririeben,
Wo blieb dein Pracht⸗ dein Jugendkleid?
Ja, jede Spur des Zahns der Zeit,
Ste kündet mir: Berganglig Fett!
„Wo ſind ſie, die mit ſtolzen Blicken
Bon deinen Zinnen einſt Zeſchaut?
Wo Jene, die einſt mit Entzücken
Sn dir ihr irdiſch Glück gebaut ?
Ihr Herz iſt Talt und Staub ihr Klett, —
Die Spfer der Ber géngrtchkettt
„Wo einſt die Freude ihre Zelte baute,
In Brunkgemächern, relch geztert,
Da herrſcht jetzt Stille; und dem Wandrer graute,
Den Nachts ſein Weg Hierher geführt:
Von ſanfter HöhHe dlickt es weit
Das graue Bild Vergänglichkeit!
„Doch Immergrün umzieht die Mauern
Und ſchmückt das altersgraue Haupt;
Sein Hoffnungsbild ſoll überdauern,
Was ſonſt Vergänglichkeit geraubt !
Ja, Hoffnung, dich hHat nte zerſtreut
Das düſtre Wort BergängktihHkeitt!
„Stets ſproſſen neu aus warmer Erde
Die Zeugen unſichtbarer Macht;
Die Boten, die ein mächtig „Werde !”
Gezaubert aus des Grabes Nacht.
Und hold winkt ſtets das Frühlingsikletd ;
Nicht AlLesS ſpricht: VergängkigFett!”
Hermann Schulze.
Buntes.
Zu Werrford in Kangda ſtarb voriges
Jahr ein gewiſſer Dantet Arkin in einem Alter
von 120 Jahren. Er war fieben Mal verheirathet
und hinterläßt eine Nachkommenſchaft von 570 Kin-
der und Enkeln.
Sparſamkeit iſt eine feltene Tugend bei Schau-
ſpielern. Der ruſſtſche Schauſpieler Karategin
war ſedoch fo ſparfam daß er ein Vermögen von
einer halben Million Rubel hinterließ
CDer Zweck eines Stuhls) Jemand
kaufte kuͤrzlich in Paris in einem der erſten Möbel-
magazine einen Stuhl von zterlich reizenden
Bau. Tags darauf befuchte ihn ein Freund,
der ſich gemächlich auf den neuen Stuhl nieder-
ließ, weicher aber plötzlich unter ihm ' zufammens
bricht. Der Stuhl-Eigentblumer nadt die Nefte
zufammen und begibt fich in das Möobel-Magazin,
um fi® über die Leichtfertige Urbeit zu beflagen.
Erftaunt betrachtet der Berkäufer den zerbrochenen
Stuhl und kann nicht begreifen, wie er In dieſen
Zufand gefommen: fet. — „Ja, Mein Hevr, vief
der Stuhl-= Käufer, „mein Sreund faß noch nicht
einmwal mit feiner ganzen Laft !“ — „Wie, er faß?!“
— „Er freilich mein Herr, wozu Faufe ich denn
den Stuhl 2“ — „Za, dann {f es mir erklärltch
warum er zerbrad ; Stühle, wie diefer, mein Bes
fer, fünd nicht zum Sigen, nurzum Stehen
— 4
A R E Tn ELG J SE S:
geſelſchaft wurde die ſtaxke Stimme einer Sängerin
gelobt. „Das hat ſie von ihrer Müuütter “ erläus-
terte Jemand ; „wenn die in Berlin auf den Stra-
ſen Radieschen augrief, mußte man ſich in Pots-
dam die Ohren zuhalten.“
Verantwortlicher Redacteur: G. Reichard.
Druck und Verlag von G. Reichard.