Tiefes Stiliſchweigen herrſchte, und Otho
von Terride hoͤb folgendermaßen an.
— 4
Während meines Aufenthaltes am engliſchen
Hofe trat bei einer vom Koͤnig Johann ver-
anſtalteten Jagd ein junger Menſch mit der
dem wahren Muthe eignen Beſcheidenheit Sr.
Majeftät entgegen und überreichte ihm mit den
Woͤrten: „Lefet, Sir, und faget mir dann,
ob ich meinen Weg weiter fortfeßen foll,” ein
Schreiben. . ;
Bas iſt das? rief der Koͤnig in ſeinem
änoͤſtlichen Mißtrauen. „Das Schreiben birgt
doch kein Verbrechen?“
„Lies es, ſagte er dann zu mir gewendet,
und wir werden ſogleich den Beſcheid ertheilen.“
ch nahm es und kann nicht beſchreiben,
mit welchem Schauder das an dem Pergamentt
herabhängende Siegel mit dem doppelten Kreuze
von Toulouſe mich erfüllte, ‚C mar das Sie-
gel des Lehnsherrn der zwaͤnzig Jahre vorher
als mein Vater, von einer uͤnſeligen Leiden-
ſchaft entbrannt, mich des Verraths und der
Felonie ſchuldig erklären ließ, um feine Burg
den Kindern ſeiner zweiten Gattin zu erhalten,
mein Flehen zurücftieß.. Die fuͤrchterlichſte
Wulh bemachtigte ſich meiner., und häite ich
nicht die Jugend des Boten geſchont, ich würde
an ihm die Ungerechtigkeit ſeines Herru gerächt
haben, Ich las jedoch daͤs Schreiben, und je
weiter ich las/ je weiter ich alle die Einzelhei-
ten des Unglücks meines Vaͤterlandes kennen
lernte, verſchwand mein Zorn immer mehr;
als ich endlich ſah, daß der edle Jüngling
. Aquitanien, die Bretagne und die Normandie
zu Fuß alleln durchwandert und ſich Hatte
durchbeiteln müffen, daß dieſer edle Jüngling
der Sohn des mächtigen Grafen Raimund,
Herzog von Narbonne und Grafen von Pro-
vence war loͤſte ſich der Haß in Thränen
auf, und als mich der erſtaunte König fragte,
erwiederte ich ihm! Der Knabe hier, bedeckt
mit Schweiß und Staub/ der Knabe in dieſen
Lumpen iſt der Sohn Curer Schweſter Jo-
hanna der junge Graf Raimund von Tou-
louſe.? { *
„Alle umftehenden Barone waͤren gerührt
von ſolchem Elende mit einem ſolchen Namen,
von folchem Muthe bei ſolchem Unglück.“
„Jeder wollte mit dem edeln Knaben ziehen,
auber der erſten Aufregung des Mitleides —
folgte die Stunde der Berathung, die keine
andere Huͤlfe brachte, als ein Schreiben des
Königs, an ſeine Heiligkeit Innoeenz I, und
einige Pfund Sterling, damit er in beſſerem
Anzug vor dem Concile, das über feine Rechte
entfcheiden follte, erſcheinen könne! Auch nicht
ein „efnziger. Kitter vder Baron hot ihm feinen
Beiftand. oder Lanze an; denn Miemnand war
Dazu gezwungen, und zur Hoͤchherzigkeit kann
Niemand gezwungen werden; i aber Hatte
- verdfent, daß meine Sporen von Hent 'gqub
zerrbochen wurden, ich haͤtte das Urtheil ver-
dient, das der von Leidenſchaft verblendete Vater
feinem indolenten Lehnsherrn ablockte, wenn
ich beim Anblick ſolchen Unglücds, bei foͤlcher
Ergebung und Ausdauer mich nicht der Pflich-
ten erinnert hätte, deren ich entbunden war.
Edle Barone, ich befiße in England drei Baͤro-
nieen, von denen jede dreimal fo viel Wexth ift,
als dieſe hier, aber ich habe ſie alle dem Könige
zurückgegeben, damit er mich, meines Lehnseides
entbinde, und bin mit dem jungen Mann al8
deſſen Knecht und Diener gezogen, obaͤleich ich
dem Scheine nach ſein Herr war, Denn melne
edeln Herren, das feindlich geſinnte Fraͤnkreich
Reich! durfte er nicht mie ein Herr fo. vieler
ECrafſchaften durchziehen, da Loyalität und
Eerechtigkeit von der Erde verſchwunden war.
Nein, uͤnter der bergenden Verkleidung eines
Kaufmanns und ſeines Lehrlings find wir bis
angelangt, trafen wir auch ſchon Franzofen,
und von dieſen Faufte Herr @ug - yon Leyig
die goldne Stiderei für die Dame, die meine
Schweſter heißt. Nur mit Mühe ließ ſich da-
mals der junge Mann davon abhalten, ſeinen
Stab zu zerbrechen, und ſagie mir! dem Herrn
dieſes Menſchen will ich noch weniger Land,
als ihm ſelbſt Stickereh zumeſſen; nur fechs
Fuß ſoll ihm werden, gerade fo viel, als ein
Grab bedarf; oder ehe noch ein Fahr vergeht,
bin 0_ SEg S A !
„Das Blut der Provence ſprach aus ihın,
und ſeine Thaten haben es gezeigt, daß die
Worte keine eitle Prahlerei maren. Wir zogen
dann in Rom ein, wo die Grafen von Toͤu—
louſe, von Foix und Comminges unſerer ſchon
warteten. Aber in dieſem Aufzuge haͤtten ſte
uns nicht erwartet, denn ein König und Oheim
mußte doch den zu ihm geflüchteten Sohn ſeiner
Schweſter beffer beſchützen; aber wir erſchienen
ſo und wenn unſer dortiger Aufenthalt nicht
ſo elend wie unſere Reiſe war, fo hat das
ſeine Urſachen, die weder den heiligen Vater
noch den römiſchen Baronen zur Ehre gereichen.“
„Dieſe Urſachen wollen wir eben wiſſen,“
ſprach eine ernſte männliche Stimme, „venn
von franzöſiſchen Rittern habe ich ſonderbare
Dinge gehört.“ 2
„Herr Wilhelm von Minerve, hältſt Du die
franzoͤſtſche Zunge für logaler, als den fran:
zöſiſchen Degen? Weißt Du-nicht, daß ſte eben
ſo gern durch Verlaͤumdung wie durch das
Schwert das Glück eines Feindes zerſtören?“
„Beffer, als Du, kenne ich die Franzofen,
denn ſeit zehn Jahren fechte ich gegen fie, Mann
gegen Mann; aber noch beſſer kenne ich das
Blut Raimund’s, unferes verraͤtheriſchen Gra-
fen, der uns bei dem erſten Einfalle der Barz
baren im Stiche gelaffen, der ſich immer dem
Erſten Beſten verkauft hat; der erſt Philipp
von Frankreich , dann Richard von England
Treue gefhworen, und fpanifhen Moͤhren-
fürſten Treue ſchwören würde, wenn er deſſen
zu einem neuen Verrathe bevuͤrfte.“
Ich ſpreche nur von dem jungen Grafen,
ſeinem Sohne / eEntgeguete Otho, „den habe
ich geſehen, von dem Anderen habe ich nur
gehört!“ ; :
„Wohlan, Herr Baron von Terride, Ihr
ſeid mehr Engländer, als Fraͤnzofe oder Pro-
vengale, und wenn Ihr Euch auch laut über
die Feigheit und den Geiz des Königs Johann
beklagt ſo thut Ihr es doch im Innern vlele
leicht viel weniger. Die Reiſe war mühevoll,
aber durch die Känder, die ſte durchſchnitt,
konnte ſte nicht anders fein, ' Euer Aufenthaͤlt
in Rom dagegen war glanzvoll, wem habt
Ihr das zu danken, Herr von Terride? Der
Gräfin von Norwich, deren Tochter Regina
dem König Johann fo nahe ſteht, daß Graf
Norwich feine Gemahlin verſtoßen und nach
Rom zurückgeſchickt Hat, wo er ſte kennen lernte,
als er wegen eines am heiligen Freitag gelie-
ferten Zweikampfes Buße that. Oder! Herr
von Tertide, wünſcht vielleicht der König für
das Mädchen einen Mann, wie der junge
Graf von Toulouſe iſt, und will er ihren
Gemahl reich und mächtig haben? Der König
von England ſchätzt die Dinge dieſer Welt zu
richtig als daß er etwas aus reiner Großher-
zigkeit oder Vaterliebe thut; und wenn er ſeinem
Schwiegerſohn Grafſchaften erobern hilft, ſo
hat der Schwiegerfohn vlelleicht ſchon im Botr-
aus den Lehnseid geleiſtet und wird die LehnS:
herrlichkeit des Koͤnigs von Frankreich gegen
die ſeinige vertauſchen. Und darin finden wir
die Urſachen, aus denen Euer Aufenthalt in
Rom fo glanzvoll ſein konnte.“ 2—
Aufangs hoͤrte ODtho mit forgenvoller und
mißtrauifcher Miene, aber fchweigend zu, dann
trat ein leichtes Lächeln auf feine Lippen, und
ſeine Züge gewannen. den Ausdruck harmlofer
4
Heiterkeit.
„Meine Herren Barone hub er an, „als
wo gerade die Blüthe aus der Ritterſchaft der
Welt, der Koͤnig Richard war, hatte ich weder
Namen, noch Waffenthum, die mich hetihm
einführen konnten. Aber mir war die vater-
ländiſche heitere Kunſt der Spielleute geblieben-
und ich ſchwöre Euch ich hätte damals viel
Geld darum gegeben, wenn ich ein Abentheuer
fo wahrer anmuthvoller Liebe hätte erzaͤhlen!
fönnen, als das des jungen Grafen mit der
ſchoͤnen Regina war! denn ich ſchwöre es bei
Fortſetzung folgt.)
Literariſche und Kunſt⸗Notizen.
Die deulſche Poeſte und Mimit haben in Lon-
don einen glänzenden Sieg errungen. Alle engltz
fchen Journale {penden den Dramen G ö 4h e’S. und
Schtller’s und der deutfchen Schaufpielergefells
fchaft, welde unter Emil Devrients Leitung
den IJunit über im St . Santes » Theater ſpielte
hode Anerfennung. Sogar die nicht Leicht: ing,Lob
auglänbifcher Leiftungen miteinfimmende „Times“
meint, in ©öfhe’s, Schillers und Leffings Provuc-
ten liege eine hohe moralifhe und' culturbifkorifche
Bedeutung, waͤs von Ddemt „miferabeln modernen
Drama Englands“ juſt nicht behaupfet - werden.
fönne. Merfwürdig ifk, daß die deutiden Schaus
fpieler vor dem englifden Publicum, nicht in einem
Shakeſpeare's
feiexten.
Reiſenden,
Hanilet ihren bedeutendften Triumpd
tionalen Dichter Hören, empfehlen wir den eben IM
efaßit.
niten
.. Srau Henrfefte Sontag wird naͤch threr
Rütkeſr aug Amerika. in Koburg ihren dauernden: .
Vohnſitz nehmen; Herz.von Wangenheim unterhans
delt gegenwärtig in ihrem Auftrag um den Ankauf
einer Beftßung, für welche bereits 500,000 Oulden
Schröder : Devriemt Cjeßt Frau von Boch
wohnen in Koburg. . Diefe niedlihe ‚ NefidenzFadl.
ſcheint alfo ein Sieblingsafyl für unfere, berühmie«
fien‘ von der Bühne in’s Privatleben zurückehrenden
Künftlerinnen zu fein. *. 0N 2
In London wird
Auoſtellang von Producten indifcher Kunftk und In-
mit den außerordentlichen Leifkungen der Hindu
bekannt zu maͤchen.
„° . Der berüchtigte Induſtrleritter, welcher feit
fünf VBierteljahren unter dem Namen eines Grafen
von Albono in Belgien und, Deutfehland. umbher-
veiste, fich bald für einen Vertrauten und Agenten
wie, ziemlicdhe Summen Geldes zu verfchaffen wußte,
und am 17. Junt aus Würtemberg auggewiefen.
wurbdbe, iſt nun von der Nuͤnchner Poltzeivirection
mitteſſt eines Zwangspaffes nach Siraßburg in feine
franzöfifiche Heimath ſpedirt worden. Hoffentlich
wird damit feine Rolle in Deutſchland ausgefpielt
fein, Wir erinnern uns, daß er felner Zett auch
in Oeidelberg, Wiegbaden. und. andern, Orten. in
poltzeiliche Conflicte gerieth. Sein wahrer. Nante
iſt Alerander Mauduit, vor feinen abenteuerlichen
aber wegen ſeines ſcandalöſen Lebenswandels auge
geftoßen. * — TE
„°. Vor Kurzem wurde auf einer ‚auswärtigen
Eifenbahnftation _ ein fchlichtes Individuunmt, mit
ſproſſendem Flaum am Kinn, nach feinem Paß ge-
fragt und nach Vorzeigung deffelben auf einige
Stunden auf dem Perron -fiftirt. In dem vaſſe
war unter den beſonderen Kennzeichen „ein Bart
zum Entfeßen“ aufgefuͤhrt, den der Befitzer des
Daffes nicht aufwelfen Fonnte: und fo.Jange des
VBolgenuffes feiner Freiheit beraubt wurde, bis
ein geübtferer Polizeibligt erkannt, der undeutlid
geſchriebene Paffus laute: „Ein Bart im Ent-
fteden.“ — Die Zuziehung eines Barbiers als Sadh»
verfändiger, (rug. wefentlich zu diefem günfligen
MNefultate bei. * ; —
nach Rom zu Fuß gewandert. Kaͤum dort
Druck und Verlag von G. Re ich ard.
>
von Terride hoͤb folgendermaßen an.
— 4
Während meines Aufenthaltes am engliſchen
Hofe trat bei einer vom Koͤnig Johann ver-
anſtalteten Jagd ein junger Menſch mit der
dem wahren Muthe eignen Beſcheidenheit Sr.
Majeftät entgegen und überreichte ihm mit den
Woͤrten: „Lefet, Sir, und faget mir dann,
ob ich meinen Weg weiter fortfeßen foll,” ein
Schreiben. . ;
Bas iſt das? rief der Koͤnig in ſeinem
änoͤſtlichen Mißtrauen. „Das Schreiben birgt
doch kein Verbrechen?“
„Lies es, ſagte er dann zu mir gewendet,
und wir werden ſogleich den Beſcheid ertheilen.“
ch nahm es und kann nicht beſchreiben,
mit welchem Schauder das an dem Pergamentt
herabhängende Siegel mit dem doppelten Kreuze
von Toulouſe mich erfüllte, ‚C mar das Sie-
gel des Lehnsherrn der zwaͤnzig Jahre vorher
als mein Vater, von einer uͤnſeligen Leiden-
ſchaft entbrannt, mich des Verraths und der
Felonie ſchuldig erklären ließ, um feine Burg
den Kindern ſeiner zweiten Gattin zu erhalten,
mein Flehen zurücftieß.. Die fuͤrchterlichſte
Wulh bemachtigte ſich meiner., und häite ich
nicht die Jugend des Boten geſchont, ich würde
an ihm die Ungerechtigkeit ſeines Herru gerächt
haben, Ich las jedoch daͤs Schreiben, und je
weiter ich las/ je weiter ich alle die Einzelhei-
ten des Unglücks meines Vaͤterlandes kennen
lernte, verſchwand mein Zorn immer mehr;
als ich endlich ſah, daß der edle Jüngling
. Aquitanien, die Bretagne und die Normandie
zu Fuß alleln durchwandert und ſich Hatte
durchbeiteln müffen, daß dieſer edle Jüngling
der Sohn des mächtigen Grafen Raimund,
Herzog von Narbonne und Grafen von Pro-
vence war loͤſte ſich der Haß in Thränen
auf, und als mich der erſtaunte König fragte,
erwiederte ich ihm! Der Knabe hier, bedeckt
mit Schweiß und Staub/ der Knabe in dieſen
Lumpen iſt der Sohn Curer Schweſter Jo-
hanna der junge Graf Raimund von Tou-
louſe.? { *
„Alle umftehenden Barone waͤren gerührt
von ſolchem Elende mit einem ſolchen Namen,
von folchem Muthe bei ſolchem Unglück.“
„Jeder wollte mit dem edeln Knaben ziehen,
auber der erſten Aufregung des Mitleides —
folgte die Stunde der Berathung, die keine
andere Huͤlfe brachte, als ein Schreiben des
Königs, an ſeine Heiligkeit Innoeenz I, und
einige Pfund Sterling, damit er in beſſerem
Anzug vor dem Concile, das über feine Rechte
entfcheiden follte, erſcheinen könne! Auch nicht
ein „efnziger. Kitter vder Baron hot ihm feinen
Beiftand. oder Lanze an; denn Miemnand war
Dazu gezwungen, und zur Hoͤchherzigkeit kann
Niemand gezwungen werden; i aber Hatte
- verdfent, daß meine Sporen von Hent 'gqub
zerrbochen wurden, ich haͤtte das Urtheil ver-
dient, das der von Leidenſchaft verblendete Vater
feinem indolenten Lehnsherrn ablockte, wenn
ich beim Anblick ſolchen Unglücds, bei foͤlcher
Ergebung und Ausdauer mich nicht der Pflich-
ten erinnert hätte, deren ich entbunden war.
Edle Barone, ich befiße in England drei Baͤro-
nieen, von denen jede dreimal fo viel Wexth ift,
als dieſe hier, aber ich habe ſie alle dem Könige
zurückgegeben, damit er mich, meines Lehnseides
entbinde, und bin mit dem jungen Mann al8
deſſen Knecht und Diener gezogen, obaͤleich ich
dem Scheine nach ſein Herr war, Denn melne
edeln Herren, das feindlich geſinnte Fraͤnkreich
Reich! durfte er nicht mie ein Herr fo. vieler
ECrafſchaften durchziehen, da Loyalität und
Eerechtigkeit von der Erde verſchwunden war.
Nein, uͤnter der bergenden Verkleidung eines
Kaufmanns und ſeines Lehrlings find wir bis
angelangt, trafen wir auch ſchon Franzofen,
und von dieſen Faufte Herr @ug - yon Leyig
die goldne Stiderei für die Dame, die meine
Schweſter heißt. Nur mit Mühe ließ ſich da-
mals der junge Mann davon abhalten, ſeinen
Stab zu zerbrechen, und ſagie mir! dem Herrn
dieſes Menſchen will ich noch weniger Land,
als ihm ſelbſt Stickereh zumeſſen; nur fechs
Fuß ſoll ihm werden, gerade fo viel, als ein
Grab bedarf; oder ehe noch ein Fahr vergeht,
bin 0_ SEg S A !
„Das Blut der Provence ſprach aus ihın,
und ſeine Thaten haben es gezeigt, daß die
Worte keine eitle Prahlerei maren. Wir zogen
dann in Rom ein, wo die Grafen von Toͤu—
louſe, von Foix und Comminges unſerer ſchon
warteten. Aber in dieſem Aufzuge haͤtten ſte
uns nicht erwartet, denn ein König und Oheim
mußte doch den zu ihm geflüchteten Sohn ſeiner
Schweſter beffer beſchützen; aber wir erſchienen
ſo und wenn unſer dortiger Aufenthalt nicht
ſo elend wie unſere Reiſe war, fo hat das
ſeine Urſachen, die weder den heiligen Vater
noch den römiſchen Baronen zur Ehre gereichen.“
„Dieſe Urſachen wollen wir eben wiſſen,“
ſprach eine ernſte männliche Stimme, „venn
von franzöſiſchen Rittern habe ich ſonderbare
Dinge gehört.“ 2
„Herr Wilhelm von Minerve, hältſt Du die
franzoͤſtſche Zunge für logaler, als den fran:
zöſiſchen Degen? Weißt Du-nicht, daß ſte eben
ſo gern durch Verlaͤumdung wie durch das
Schwert das Glück eines Feindes zerſtören?“
„Beffer, als Du, kenne ich die Franzofen,
denn ſeit zehn Jahren fechte ich gegen fie, Mann
gegen Mann; aber noch beſſer kenne ich das
Blut Raimund’s, unferes verraͤtheriſchen Gra-
fen, der uns bei dem erſten Einfalle der Barz
baren im Stiche gelaffen, der ſich immer dem
Erſten Beſten verkauft hat; der erſt Philipp
von Frankreich , dann Richard von England
Treue gefhworen, und fpanifhen Moͤhren-
fürſten Treue ſchwören würde, wenn er deſſen
zu einem neuen Verrathe bevuͤrfte.“
Ich ſpreche nur von dem jungen Grafen,
ſeinem Sohne / eEntgeguete Otho, „den habe
ich geſehen, von dem Anderen habe ich nur
gehört!“ ; :
„Wohlan, Herr Baron von Terride, Ihr
ſeid mehr Engländer, als Fraͤnzofe oder Pro-
vengale, und wenn Ihr Euch auch laut über
die Feigheit und den Geiz des Königs Johann
beklagt ſo thut Ihr es doch im Innern vlele
leicht viel weniger. Die Reiſe war mühevoll,
aber durch die Känder, die ſte durchſchnitt,
konnte ſte nicht anders fein, ' Euer Aufenthaͤlt
in Rom dagegen war glanzvoll, wem habt
Ihr das zu danken, Herr von Terride? Der
Gräfin von Norwich, deren Tochter Regina
dem König Johann fo nahe ſteht, daß Graf
Norwich feine Gemahlin verſtoßen und nach
Rom zurückgeſchickt Hat, wo er ſte kennen lernte,
als er wegen eines am heiligen Freitag gelie-
ferten Zweikampfes Buße that. Oder! Herr
von Tertide, wünſcht vielleicht der König für
das Mädchen einen Mann, wie der junge
Graf von Toulouſe iſt, und will er ihren
Gemahl reich und mächtig haben? Der König
von England ſchätzt die Dinge dieſer Welt zu
richtig als daß er etwas aus reiner Großher-
zigkeit oder Vaterliebe thut; und wenn er ſeinem
Schwiegerſohn Grafſchaften erobern hilft, ſo
hat der Schwiegerfohn vlelleicht ſchon im Botr-
aus den Lehnseid geleiſtet und wird die LehnS:
herrlichkeit des Koͤnigs von Frankreich gegen
die ſeinige vertauſchen. Und darin finden wir
die Urſachen, aus denen Euer Aufenthalt in
Rom fo glanzvoll ſein konnte.“ 2—
Aufangs hoͤrte ODtho mit forgenvoller und
mißtrauifcher Miene, aber fchweigend zu, dann
trat ein leichtes Lächeln auf feine Lippen, und
ſeine Züge gewannen. den Ausdruck harmlofer
4
Heiterkeit.
„Meine Herren Barone hub er an, „als
wo gerade die Blüthe aus der Ritterſchaft der
Welt, der Koͤnig Richard war, hatte ich weder
Namen, noch Waffenthum, die mich hetihm
einführen konnten. Aber mir war die vater-
ländiſche heitere Kunſt der Spielleute geblieben-
und ich ſchwöre Euch ich hätte damals viel
Geld darum gegeben, wenn ich ein Abentheuer
fo wahrer anmuthvoller Liebe hätte erzaͤhlen!
fönnen, als das des jungen Grafen mit der
ſchoͤnen Regina war! denn ich ſchwöre es bei
Fortſetzung folgt.)
Literariſche und Kunſt⸗Notizen.
Die deulſche Poeſte und Mimit haben in Lon-
don einen glänzenden Sieg errungen. Alle engltz
fchen Journale {penden den Dramen G ö 4h e’S. und
Schtller’s und der deutfchen Schaufpielergefells
fchaft, welde unter Emil Devrients Leitung
den IJunit über im St . Santes » Theater ſpielte
hode Anerfennung. Sogar die nicht Leicht: ing,Lob
auglänbifcher Leiftungen miteinfimmende „Times“
meint, in ©öfhe’s, Schillers und Leffings Provuc-
ten liege eine hohe moralifhe und' culturbifkorifche
Bedeutung, waͤs von Ddemt „miferabeln modernen
Drama Englands“ juſt nicht behaupfet - werden.
fönne. Merfwürdig ifk, daß die deutiden Schaus
fpieler vor dem englifden Publicum, nicht in einem
Shakeſpeare's
feiexten.
Reiſenden,
Hanilet ihren bedeutendften Triumpd
tionalen Dichter Hören, empfehlen wir den eben IM
efaßit.
niten
.. Srau Henrfefte Sontag wird naͤch threr
Rütkeſr aug Amerika. in Koburg ihren dauernden: .
Vohnſitz nehmen; Herz.von Wangenheim unterhans
delt gegenwärtig in ihrem Auftrag um den Ankauf
einer Beftßung, für welche bereits 500,000 Oulden
Schröder : Devriemt Cjeßt Frau von Boch
wohnen in Koburg. . Diefe niedlihe ‚ NefidenzFadl.
ſcheint alfo ein Sieblingsafyl für unfere, berühmie«
fien‘ von der Bühne in’s Privatleben zurückehrenden
Künftlerinnen zu fein. *. 0N 2
In London wird
Auoſtellang von Producten indifcher Kunftk und In-
mit den außerordentlichen Leifkungen der Hindu
bekannt zu maͤchen.
„° . Der berüchtigte Induſtrleritter, welcher feit
fünf VBierteljahren unter dem Namen eines Grafen
von Albono in Belgien und, Deutfehland. umbher-
veiste, fich bald für einen Vertrauten und Agenten
wie, ziemlicdhe Summen Geldes zu verfchaffen wußte,
und am 17. Junt aus Würtemberg auggewiefen.
wurbdbe, iſt nun von der Nuͤnchner Poltzeivirection
mitteſſt eines Zwangspaffes nach Siraßburg in feine
franzöfifiche Heimath ſpedirt worden. Hoffentlich
wird damit feine Rolle in Deutſchland ausgefpielt
fein, Wir erinnern uns, daß er felner Zett auch
in Oeidelberg, Wiegbaden. und. andern, Orten. in
poltzeiliche Conflicte gerieth. Sein wahrer. Nante
iſt Alerander Mauduit, vor feinen abenteuerlichen
aber wegen ſeines ſcandalöſen Lebenswandels auge
geftoßen. * — TE
„°. Vor Kurzem wurde auf einer ‚auswärtigen
Eifenbahnftation _ ein fchlichtes Individuunmt, mit
ſproſſendem Flaum am Kinn, nach feinem Paß ge-
fragt und nach Vorzeigung deffelben auf einige
Stunden auf dem Perron -fiftirt. In dem vaſſe
war unter den beſonderen Kennzeichen „ein Bart
zum Entfeßen“ aufgefuͤhrt, den der Befitzer des
Daffes nicht aufwelfen Fonnte: und fo.Jange des
VBolgenuffes feiner Freiheit beraubt wurde, bis
ein geübtferer Polizeibligt erkannt, der undeutlid
geſchriebene Paffus laute: „Ein Bart im Ent-
fteden.“ — Die Zuziehung eines Barbiers als Sadh»
verfändiger, (rug. wefentlich zu diefem günfligen
MNefultate bei. * ; —
nach Rom zu Fuß gewandert. Kaͤum dort
Druck und Verlag von G. Re ich ard.
>