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Heidelberger Journal (46) — 1852

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Beilage-Blätter Nr. 1-13; 15-18: 20-22; 24-60; 62-157
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”” Beilage-Blätter






Sonntag, den 1. Auguſt

II

England. (
London, 27. Juli. Auf der Eiſenbahn
zwiſchen Loͤndon und Dover ſind geſtern
ein Yof- und ein Paſſagierzug zuſammen
geftoßen, bei welchen Unfall etwa 3wölf
Keifende ziemlich erhebliche Contuſtonen er-


troffenen geflatteten, ihre Fahrt fortsujeben,
ßiä'er ur?faü hat eine mehrſtuͤndige Ver-
Zögerung der Poſt nach dem Continent zur
Folge gehabt. — Unter den mit der „Afrika“
Aug Newyork angekommenen Paffagieren
befindet i auch Cwie ſchon gemeldet) Kof-
ſuih Sr ift von feiner Frau begleitet und
reiſte als ein Herr A. Smith. Einige vor-
malige ungariſche Offiziere befinden ſich in
ſeiner Begleitung.
. Qpndon, 28. Juli. Es heißt, der Staats-
Secretär Major Beresford, gröblicher Wahl-
beſtechungen verdächtig, werde aus dem Mi-
niſterium ſcheiden.
Spanien. ;
Madrid, 21. Juli. (FIr. Poſtzg ˖ Iſt
Spanien das Land der Nitterlichfeit, ſo,iſt
Sauch das Land der Verbrechen, die ſich
feit einiger Zeit dermaßen mehren, daß die
Mitthetlungen hierüber haarfrdubend find.
Nur da, wo augenblicklich die Miſſtonen
abgehaͤllen werden, wie in Eſtremadura,
Jden, Granada und Sevilla, ſcheinen die
Feute in ſich zu gehen: die Nacheichten von
doͤriher find fehr befriedbigend. Die Regie-
rung geht nun damit um, ſämmtliche Je-
fuiten fpaniſcher Nation, die ſich derzeit in
Belgieu und Italien aufhalten,/ hierher zu
berufen, um überal Miſſonen abzuhalten.
Unferem Geſandten in Rom ſind bereits
Befehle zugegangen, ſich hierüber mir Den
vefp. Ordensgeneral zu verfiändigen. Es
{heint aber, daß eine gewiffe Partet be-
fürchtet, man mödfe Diefen Herren Die in


ſter einräumen, Uın dies nun ſo vicl wie
moͤglich zu verhindern, ſind faſt gleichzeilig
zu VBalladolid, Huesca, Barbaftro, Zara-
Avra und BValencia ehemalige Klöſter ein
Raub der Flammen gemworden; zu Valla-
dolid brannten an einem, Tage nicht weni-
ger alg 3 Kloͤſter ab, und unter ihnen das
Fraͤchtvollẽ Klofter der Trinitarier, Daß
Bosheit ſie angezündet, it kanm zweifel-
haft. In Folge dieſes Vorfalles ſind in
Valladolid 4* verdächtige Perſonen
verhaftet worden 7*
Griecheuland.

Athen / 20. Juli. Der Proeeß gegen
die Mörder des Senators Korfiotakis, in
wetchen man bekanntlich die Samilice Mau-
romichalis verwickelt glaubte, iſt durch den
Wahrſpruch der Jury abgefhloffen. Der
Thalet ward ſchuldig, drei der Mitſchuld
Angeklagten wuͤrden für unſchuldig erkannt.

Feuilleton.

Pariſer Liebhabereien.
von Fr. Sparvady.

Wohl in keiner Stadt werden Tanz, Geſang
und Blumen fo gepflegt, wie in Paris und
gewiß nirgend8 findet man Frauen und Mäd-
Ghen, Ddie fih beſſer darauf verſtünden, als
die Pariſerinnen. Ihre große Vorliebe für
Blumen wuͤrde allein genügen, ihren Sinn
für Schoͤnheit zu beweiſen. Es macht einen

woͤhlthatigen Eindruck auf den Fremden den
guten Geſchmaͤck hier fo allgemein und auch
unter den ärmeren Klaffen verbreitet zu fehen.
Hievon kann man fich beim Avbeiter, Dbet der
Grifette überzeugen, nicht blo8 in den Arbei-
ten, Durch welche ſte die Mode der civilifirten
Welt beherr{hen, ſondern auch durch die get-
ſtige Nichtung, welche ſich bet allen Klaſſen
in ſo auffallender Weiſe bethätigt. Die unz
tern Klaffen haben hier eine gewiſſe Feinheit
der Manier, ſie ſprechen gut und auch ſchoͤn,
und in ihrer, wenn auch noch fo ärmlichen
Kleidung, bekunden fie ein Beſtreben nach Nied-
lichkeit und Nettigkeit, welches auf einen ge-
bildeteren Geſchmack hindeutet. Der franzoͤſtſche
Arbeiter hat ein Beduͤrfniß nach geiſtiger Unter-
Haltung, und ohne das Theater würde er ſich
ganz unglücklich. fühlen. Selbſt in ſeiner Art
fich zu nähren, thut ſich ſeine feinere Geſchmacks-
richtung kund. Irgend ein Deſſert bildet den
unentbehrlichen Beſtandtheil auch des frugal-
ſten Mahle8, und der Hausmeiſter wie der
Arbeiter haben nicht vollſtändig dinirt, wenn
nicht irgend eine MNäfcherei ihr Mittags-
maͤhl Frönte. Dabet iſt der Pariſer mäßig
und genügfam bis zur Philoſophie. Selbſt in
ſeiner Liebe zum Weine, der gleichfalls bei
keinem Mahle fehlen darf, geht er in der
Regel nicht zu weit, und Trunkenbolde ſind
hier verhältnißmäßig viel ſeltener als in Eng-
iand oder Deutfchland. Einen andern Beweis
für den allgemeinen Schoͤnheitsſinn der Fran-
zoſen ſehe ich in dem Uniſtande, daß hier die
öffentlichen Muſeen und Bildergallerien ſelbſt
von den ſogenannten untern Klaſſen häufig
befucht werden, und fo finden dieſelben auch
ein Bergnügen daran über die Boulevards
hin zu ffreichen, um ſich an den Kunſtwerken
der Induſtrie und deten ebenſo kunſtvoller An-
ordnung zu ergoͤtzen.! Sie gaffen nicht unver-
ftändig, ſie beurthellen was ſie ſehen unDd
fo bildet ſich denn der angeborene Sinn durch
die fortwaͤhrende Uebung in immer höherem
Maße aus. Daher kommt es, daß die fran-
zöſtſchen Arbeiter es an Cleganz und gutem
Gefhmade, an finnreihen Berfhönerungen in
ihren induſtriellen Arbeiten oft bis zur Mei:
ſterſchaft von Künftlern bringen! Der Sinn
für Blumen und die durch dieſen hervorgeru-


iſt auch nur eine Seite der äſthetiſchen Ge-
ſchmacksrichtung derſelben. Hier ſind die Blu-
men kein auͤsſchließliches Privilegium der Ari-
ſtokratie oder des Geldreichthums, hier wird
das Stuͤbchen der ärmften Familie damit ge-
ſchmückt.
intereſſanten Anblick, nicht blos um der rei-
genden Waare willen, fondern mehr noch
wegen der reitzenden Käuferinnen! Des Abends
und des Morgens wimmeln die Blumenmärkte
von jungen Mädchen und Frauen, die mit
ſehnſuͤchtigen Blicken nach den duftenden Neben-
buͤhlerinnen hHinfehen. Dieſe allgemeine Liebe
für Blumen hat bei einer ſsgroßen Stadt
natürlih auch ihre nationaltbkonomiſche Bedeu-
tung und es werden hier jedes Jahr für mehrere
Miklionen Franken Blumen in Umfag gebracht.
Wenn fchon Ddie forgfame, meifterhafte‘ Zucht
der Blumen von Seiten der Parifer Oärkner
unſere Bewunderung ertegt, (0 wird Diefe
durch die geſchmackoolle und paſſende Zufam-
menſtellung dieſer Meiſterwerken der Natuͤr
noch erhöht. Das Auge hängt mit Wolkuſt
an Ddiefem wunderbaren Farbenglanze, denn
ſie wiffen eine gewiffe mujilalijdhe Harmonie
in ihre Anordnung. zW legen. Die Parifer
Blumenhändlerinnen ſind Künftlerinnen in ihrem
Fache, und man kann ſich nichts Sinnigeres,


Geſchmackvolleres denken el8 fo ein Barifer
Bouquel, — Eine große Rolle ſpielt in Paris
auch das Xied und wer an Rouget de Lisle
Denkt, der mird ‚e8 gerne glanben. . Der Ein-
fluß der Lieder auf die Herzen ift noch lange
nicht genug gewürbigt worden, und Beranger
ſowie Pierre Dupont haben mehr Antheil an
der Stimmung des Pariſer Bolkes, als die
meiſtgeleſenen Journale! Was dem Arbeiter
das politiſche Lien, das iſt der Arbeiterin das
Liebeslied/ die Nomanze. In den Cafes chan-
tants aber iſt die Univerſttät der Romanzen-
fängerinnen zu fuchen. Hier lernt die Arbei-
terin ihre muſtkaliſchen Neutgkeiten kennen;
ein neues Lied verbreitet ſich hier mit eben der
Schnelligkeit, womit eine politiſche Neuigkeit
die Stadt durchfliegt. Wer will es auch jenen
armen Geſchöpfen verargen, wenn ſſte ſich die
Mühe ihres oft eben ſo ſchwierigen als wenig
einträglichen Tagewerks auf dieſe muſikaliſch
poetiſche Weiſe zu verſüßen ſuchen. — Mit
dem Liede und den Blumen theilt ſich der X anz
in das Herz der Pariferin, die eine Freundin
von Vergnügungen in jeder Bedeutung des
Wortes iſt. Darum kann man auch ſagen,
daß in Paris immer ein bewegtes Leben herrſche-
Der fraͤnzoͤſiſche Tanz, und darunter verſtehe
ich die Quadrille, iſt nichts weiter als eine
Converfation, ‚an welcher auch die Füße Theil
nehmen und dieß gilt eben ſo gut von der
Salonquadrille als von deren ungezogenen
Schweſter, die in Mabille, im Chateau rouge
u. f. m. wegen ihres heftigen Temperaments
und wegen ihrer revolutionaͤren Ausbruͤche un-
ter Aufſtcht der Polizei geſtellt ift. Beim
Volke iſt die Quadrille gleichfalls nur ‚eine
erhöhte Converſation, hier wird der Tanz ſchon
ernſter genommen. Man unterhält ſich lauter
und nachdrücklicher. Da gehts froͤhlicher her,
obgleich die Bewegungen nie den Anftand und
die Schicklichkeit verletzen. Anders in den öffent-
lichen Tanzſälen und im Opernball! Zwar iſt
der Sinnentaumel, der ſich hier Bahn gemacht,
nicht ohne Anınuth, aber es bleibt die Anmuth
laſterhaften Leichtſinns; es iſt eine getanzte Naͤch-
ahmung von Boccaceto’8 Decamerone, aber
ohne deſſen Poeſte,

Die Eroberung von Coulouſe.
' (Forkfegung.)

Eben wollten ſie gehen, als Signis entſetzt
aufſchrie.

Was iſt denn frug Otho

Unglück über uns, rief Signis und zeigte
auf Guͤilellmetais Leichnam, „mir iſt e8, als
bewege ſie ſich.“

Es mar nichts als das zitternde Licht der
verlöſchenden Faͤckeln! und verflucht fet das
MWeib, dag ung den ganzen Spuck üÜber den
Hals gebracht hat!

„Wie vdem auch fei,. fagte Signis „ih
hHabe fie die Augen aufſchlagen und den Mund
bewegen fehen. Bedecke den Leihnam, Ddenn
ich will ihn nicht wieder fehen, wenn . wir
zurücdfommen.“ ,

Als Dtho fich nach etwas umfah, das er
über den Leichnam werfen Fönnte, ftel ihm ſein
Vilgermaͤntel! der noch auf der Baluſtrade
hing, in die Augen, ev warf ihn über Ouiz
fellmeta und verſchwand bald varauf mit Sig-
nig in Dda8 Innere des Schloffes. Wenige
Augenblicke darauf ſtanden ſie vor dem Pfauen-
zimmer, wo Herr von Levis eingeſchloſſen war.

MNiemand waͤchte an der Thüre, denn ſte war
von einer folchen Stärken daß Feine menſchliche
Gewalt ſie ſprengen konnte.
 
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