N 124,
Sonntag, den 10. October
1852
Oeſterreichiſche Monarchie.
Aus Venedig vem 29, v. M, wird ge-
meldet: Es erſchienen abermals 2. Kuͤnd-
machungen der kriegsrechtlichen Commiſſion
zu Efie, denen zufolge 23 Individuen mit
Julver und Blei hingerichiet, und viele
andere, theils zur lebensläͤnglichen. theils
zur mehrjährigen Kerkerſtrafe in ſchwerem
Eiſen verurtheilt wurden. Dieſe ſchrecklichen,
Dft wiederholten Beiſpiele fruchteten: die
Strahen in der Provinz Rovigno koͤnnen
jetzt faſt uͤberall gefahrlos bereiſt werden.
Frankreich.
PNaris, 6, Oct, Einiges Aufſehen hat
die Anrede gemacht mit welcher der Bi-
ſchof von Monipellier, Mr. Thibaut, den
Präſidenten begrüßte. „Prinz!“ — ſagte er
S—In dem Buch der göttlichen Orakel
feht geſchrieben: „„Die Gewalt über die
Erde ift in der Hand Gottes, und er wird
auf ihr zu ſeiner Stunde einen Mann er-
vegen, der ſie mit Macht und zu Aller Be-
ſten regieren wird. Dies iſt Monſeigneur,
Ihr Glaube als Chriſt und dies iſt aud)
Ihre Sendung als Fürſt. Frankreich theilt
den einen und iſt darin gluͤcklich; e& em-
— bfängt die Wohlthaten der andern und ſein
Jubel fagt Ihnen ſeine ganze Dankbarkeit.“
Dieſen Worten fügte der Prälat noch einige
andere zu Gunſten der Amneſtie bei. Lud-
wig Naͤpoleon erwiederte ihm Folgendes:
„Ich danke Ihnen, Monfeigneur, fur die
wohlmeinenden und beredten Worte, die
Sie an mich gerichtet haben. Meine Miſ-
ſion iſt ſchwer; aber ich zähle, um ſie zn
erfüllen, auf die Mitwirkung aller thätigen
Kraͤfte des Landes, und beſonders auf Zhre
Gebete und die Gebete der zu meinem Em-
pfang Sie umſtehenden Geiſtlichkeit, Sie
haben Recht gehabt, zu ſagen, daß mein
Herz eifrig den Augenblick herbeiwuͤnſcht,
vo es mir möglich ſein wird, Allen die
Pforten des Valerlandes zu öffnen, und ich
werde nicht eher glücklich fein, alg bis kein
einziges Opfer unſerer buͤrgerlichen Zwie-
nacht mehr übrig iſt.“
Paris, 6, Oct. Cardinal Donnet, der
Erzbiſchof von Bordeaux, hat die Geiſtli-
chen feiner Dibceſe durch Rundſchreiben auf-
gefordert, dem Prinz Präſidenten einen recht
berzlichen und feſtlichen Empfang zu berei-
ten. In diefem Schreiben wird mitgetheilt,
Bordeaux 12 koſtbare Seſfel aus der Fa-
brit von Beauvais und 30,000 Franken an
Werth geſchenkt, ferner der St. Andreas-
lixche in Bordeaur und der St. Gereong-
kirche in Bourg 2 werthvolle Gemaͤlde,
und einer andern Kirche 5000 Fraͤnken ge-
ſtiftet hat. *
Xaris, Octbr. Zwiſchen Preußen,
DBelgien, Frankreich, Sachſen, den Nieder-
landen und Oeſterreich wurde eine Tele-
grapheneonvention abgeſchloſſen, der die
Verbindungen zwiſchen den genannten Re-
gierungen und deren Geſandten in der Art
Fegelt, daß jede Regierung eine geheime,
lur ihr und ihrem Geſandten verſtändliche
Zifferſprache hat, wodurch die Koſten der
diplomatiſchen Courtere erſpart werden könne.
— Der heutige „Moniteur“ bringt wieder
ein paar hundert Adreſſen für Herſtellung
des Kaiſerreichs.
England.
öſterreichiſchen Infanterieregimenis, deffen
Chef der Herzog von Wellington war und
welches ſeinen Namen führte, wird in Lon-
don dem Leichenbegängniß des Helden von
Waterloo beiwohnen.
* @ondon, 6, Oct. Der Pariſer Cor-
reſpondent der Times behauptet, daß das
franzöſiſche Cabinet über die geeignete Zeit
zur Proclamation des Kaiſerreichs ſich noch
nicht geeinigt habe.
Schweiz.
St. Gallen. Das Tagblatt von St.
Gallen berichtet aus dem Rheinthal: Auf
den Wunſch des St. Gaͤller-buͤndneriſchen
Eiſenbahncomites, daß die Bahn von Chur
bis Rorſchach noch in dieſem Herbſte aus-
geſteckt werde, und in Folge des dafür be-
willigten Credits werden dieſe Ausſteckungs-
arbeiten noch im Laufe dieſer Woche vom
St. Galliſchen Bahnbureau aus zwiſchen
Rorſchach und Hirfchenſprung, und buͤnd-
neriſcherſeſiis zwiſchen Hirſchenſprung und
Sevelen in Angriff genominen werden. —
Eine Einladung zu Beſprechung einer Zü-
rich⸗ Winterthur?Bodenſcebahn iſ von Win-
terthur ausgegangen.! Eine größere Ver-
ſammlung deßhalb ſoll am 5, Setober in
Baltenſchwyl ſtatthaben.
Geſtern war der Große Rath von
Baſel in ordentlicher Sitzung verſammelt.
Unter den Verhandlungsgegenſtänden mag
die beantragte Abänderung des S 81 ves
correctionelen Geſetzes für einen größeren
Leſerkreis von Iniereſſe fein. Wahrend
nämlich bis dahin eidgenöſſiſche und fremde
Behörden bei Beleidigungen durch die Preſſe
ſelbſt klagen mußten, beantragte nun bie
MNegierung, daß derartige Preßvergehen vom
Staate aus und durdy Die Regierung zu
verfolgen feien. Dieſer Antrag wurde mit
29 gegen 21 Stimmen angenommen, — Der
berühmte afrikaniſche Tragöde Ira Aldridge
ift hier ſchon dreinial, als Othedo zweimal
und als Macheth einmal, aufgetreten, Die
gewöhnlichen Phrafen reichen hier nicht aus,
dieſe merkwürdige Künftlernatur zu fchil-
dern. Man muß ihn namentlich als Othello
geſehen haben, wo er die pſychoͤlogiſche Ent-
wicklung der Eiferſucht bis zu dem leiden-
ſcaftlichſten Ausbruche unerfaͤttlicher Rache
ſo erklätbar natürlich zu malen verſteht,
um ſich von ſeiner hinreißenden Kunſt der
mimiſchen Darſtellung einen Begriff zu ma-
en, — Am 10, nimmt hier die ſchweizeri-
ſche Kunſtausſtellung ihren Anfang. — Zu
Hunßen der Vorardeiten für die (Oweizeri-
ſche Centralbahn find bereits 1777 SGrün-
dungsSactfen mit einem Betrage von 88,850
Frauk, gezeichnet, welche Summe für Ddiefe
Vorarbeiten mehr als hinreichend ift.
Von der Aar, 5. Oet. Auf den Seen
der Weſtſchweiz wüthet gegenwärtig der
Sirocco oder Zöhn, eine für dieſe Jahres-
zeit ungewöhnliche Erſcheinung.
Italien.
Neapel, 26, Sept. Der vom 15. Mai
1848 her anhbängige politiſche Proceß neigt
ſich ſeinem Ende zu. Der Staatsanwalt
Augelillo beantragt für 9 Angektagte die
Fodesſtrafe, für zwei 30iaͤhrigen, für zwei
26jährigen, für 16 25jährigen Rerker und
für einen Landesverweiſung!
Ameritka.
Newyork, 22, Sepbr, General Scott,
der Praſidentſchaftscandidat, hat eine Rund-
reiſe durch die Staaten des Weſtens ange-
treten. Aus Havanna erfährt man, ein
Kriegsgericht habe alle in dem Proceß ge-
gen die „Volksſtimme“ eompromittirte Per-
ſonen zum Tode verurtheilt.
Feuilleton.
Die London⸗Citi⸗Miſſion.
Gewiß eines der wohlthätigſten und nach-
ahmungswürdigſten Inſtitute für die Befoͤrderung
des moraliſchen Wohles namentlich der armen
Bevölkerung einer großen Stadt, beſteht feit
1833 und verdankt ihre Begründung der Thä-⸗
tigFeit eines edeln Menfhenfreundes, Namens
David Nasmith. Dieſe Geſellſchaft zählt als
Mitglieder Chriſten jeder Confefton, deren
Agenten, wie ſich dies aus den von dem Geiſt-
lichen Vanderkiſte, einem ihrer Miſſionäre, eben
veröffentlichten „Notes and Narratives of a six
years Mission among the Dens of London“ er-
gibt, Damit beſchäftigt find, die ärmfien Theile
Londons und feiner nächſten Umgebungen zu
befuchen, und dem daſelbſt herrſchenden phyſtſchen
und maraͤliſchen Elend zu ſteuern! Die Haupt-
ſtadt iſt zu dieſem Behuf in Diſtrikte getheilt
fund die Operationen der Geſellſchaft finden
unter forgfältiger Reberwachung und Organt-
ſtrung ſtatt. Die Lumpenſchulen, Vereine für
Bekleidung und Speiſung der Armuth, Auss
wanderungsklubs, Beſſerungsanſtalten u. ſ. w.
haben der London⸗Cith-Miſſton ſehr viel zu
liche Erziehung der vernachläſſtgten Klaſſen anz
gelegen ſein. Ihre Einnahme im vorigen Jahre
belief ſich auf 23,053 PfeSt. und die Anzahl
ihrer Miſſtonaͤre auf 245. In der oben er:
wähnten Schrift ſind höchſt anziehende und er-
greifende, aus dem Leben gegriffene Stenen
geſchildert, wie fie uns die Feder eines Dickens
vorgeführt hat.
Die Deutſchen in Spanien.
A. Zieglex ſagt in ſeiner lehrreichen „Reiſe
in Spanien“ über die deutſchen Anſfiedler
in Catalontens Hauptſtadt, Barcelona, u.
A. Folgendes: Die Deutfhen dahier {tehen in
großer Achtung und ſindffleißig, haushälteriſch
und beſcheiden. Der Kaufmann genießt den
Ruf der Solidität und der Handwerker den
der Geſchicklichkett. Die Spanier ziehen die
Arbeit der Deutſchen fehr oft der Einheimiſchen
vor, und der geſchickte Handarbeiter kann wö-
chentlich 10—12, fo wie der Fahrikarbeiter
4—7 Viaſter (1 Biafter=2 fl. 30 kr) ver-
dienen. YAuf der Rambla (Gauptſtraße mit
Baͤumen, „unter den Linden? Barcelonas) woh-
nen zwei Optiker und Mechaniker, Lowe und
Tyler, auf deren Schild die großen Buchſtaben
„Ge Alemania“ das Vaterland bezetchnen, wie
e8 Ddenn Überhaupt in Spanien jederzeit eine.
gute Empfehlung iſt, wenn man Mal O
bin Deutfher“. Jene zwei Herren ſind Schü-
ler von Frauenhofer in Münstken. und zwei
ſehr geſchickte und ihätige Männer, Ein Bru:
Dder von Herrn Lowe iſt ebenfalls Optikus in
Madrid; beide Brüder ſind wegen ihret Arbeis
ten bekannt und machen auf der pyrenäifhen '
Halbinſel in dieſem Fache die bedeutendſten
Geſchäfte. Auch in mehreren anvern ſpaniſchen
Stäpten findet man deutſche Optiker. Auf dem
Cafe de Rambla, einem der glänzendſten und .
großartigſten Naffechäufer, Ddie ich je gefeben,
trifft man täglich auch eine friſche deutfche Lands-
männin, die „Augsburgerin“ (di? Allgem.