Feuilleton.
Merkwürdiger Sturz ·
Ein junger Mann aus Barcelona, Na-
mens Ros, war am 5, Sept! mit noch
mehreren Freunden auf den Montſerrat geſtie-
gen und bemerkte, als er die höchſte Felſen-
fpitze des ſo ſonderbar geſtalteten Berges er-
klettern wollte, daß eine dicke ſchwarze Wolke
über ihm hing! Ein Regen auf dem Mont-
ſerrat iſt nicht allein unangenehm, fondern
kann auch den Bergbeſuchenden fogar gefähr⸗—
lich werden. Die Freunde beeilen ſich daher
mit dem Hinabſteigen.! Sie haben aber kaum
20 Schritte zurückgelegt, da gleitet der junge
Mann aus und ſtürzte einen jähen, 330 Fuß
hohen Felſen hinab, der ſich oberhalb der Klo-
ſter-Ciſterne gen Himmel erhebt. Er iſt noch
keine 30 Fuß hinabgeſtürzt, da bleibt ſein Fuß
auf einem ungefähr eine Spanne langen her-
vorragenden Felsſtücke ſtehen. Mit den Hän-
den ergreift er gleichzeitig andere Steine, an
die er ſich feſt klammert. In dieſer Lage. er-
hebt er ein klägliches Geſchrei! das ein Hirt
des Kloſters, der gerade Waſſer aus der Ei-
ſterne ſchöpft, vernimmt. Die Mönche eilen
herbei und mit ihnen einige Zimmerleute aus
Moniftrol. Dieſe unternehmen e8, den jungen
Mann zu reiten. Mit der groͤßten Lebensge-
fahr ſchleudern ſie ihm das eine Ende des be-
kannten langen Kloſterſeiles zu, wickeln dann
das Seil um einen Baum. Einer von ihnen
bindet ſich das andere Ende um und wird von
ſetnen Gefährten und den Mönchen laugſam
vom Felfen hinabgelaſſen. Der Unglückliche
wirft ſich mit der letzten Kraftanſtrengung fet-
nem Retter in die Arme, und Beide gelangen
glücklich bei der Ciſterne an. Der junge Mann,
Sohn eines achtbaren und reichen Kaufmannes,
begab ſich zuerſt in die Kirche, wo die Mönche
ein Tedeum für feine Rettung anftimmten, und
eilte dann mit den Rettern nach Hauſe, wo
ihnen vom Vater, auf Verlangen des Sohnes,
eine lebenstaͤngliche Penſton von 4 Realen (8
Sgr.) täglich verſprochen wurde.
Anna Sibylla Münch.
Ein Frauenbild aus Göthe's Jugendzeit.
(Fortfeßung.)
Die Gefellſchaft verfammelte ſich wöchentlich
an einem beſtimmten Tage, waͤhrſcheinlich am
Freitage ,*) an demfelben Tage, an welchem
im Winter die Concerte ſtattfanden, zu Aus-
flügen und Luſtfahrten; beſonders beliebt waren
Mafferfahrten, wie Goethe eine ſolche auch im
„Wilhelm Meiſter! (Bo. 16, 136 ff) beſchreibi,
Lielleicht in beſonderer Erinnerung jener fro-
hen Geſellſchaft; ſelbſt das dort dargeſtellte
Kombdienſpiel dürfte wirklich in ähnlicher Art
ausgeführt worden ſein, und man könnte in
dem Landgeiſtlichen ein Bild von Dumeix ſe-
hen! Man vergleiche auch die Beſchreibung
der Waſferfahrt in den /Wahlverwandſchaften“
(Bod 15, 248 ff.). Bei einem Ausfluge dieſer
Art, als die Geſellſchaft nach einer ſehr glän-
zenden Waſſerfahrt und einem anmuthigen Spa-
ziergang zwijden ſchattigen Hügeln gelagert,
im Grafe oder auf bemoosten Felſen und
Baumwurzeln ſitzend — ſo beſchreibt Goethe
den Ort — froh und heiter ein ländliches
Mabhl verzehrte, gebot der humoriſtiſche Rath
Crespel mit ſchaͤlkhafter Würde, man möge
ſich in einen großen Halbkreis nieherſetzen, vor
welchen er daͤnn hintrat, und in launigem
Tone, nicht ohne Nachahmung der ſcheltenden
*) Den Freitag nennt Goethe Band 22, 264
augdrücklich ais Tag, an welchen im Jahr 1774
die Gefeliſchaften ftattfanden. Auch in Weimar
gab Goethe Freitags - Gefelichaften.
Kapuzinerprebigten, eine wohlausgeführte Rede
hielt, in welcher er mit emphaͤtiſcher Klage
auf den Uebelſtand hingewieſen, daß in ihrer
Geſellſchaft biejenigen, welche die Geliebten in
ihrer Mitte hätten, ſich an dieſe anſchlöſſen,
wodurch die andern, denen ein ſolches Glück
nicht beſchieden wäre, ſich immer und ewig un-
gepaart fähen, mit dem Vortrag einer Paarungs-
lotterie hervortrat. Die Namen der Herren
follten in einen Beutel gethan werden und die
Damen ſich ihr Loos ziehen, wenn ſte in der
Verſammlung bis zur nächſten Looſung als
ihren begünſtigten Diener anzuerkennen ſich
verpflichtet hielten; — diejenigen Herren aber,
deren Namen im Beutel zurückblieben und denen
demnach keine Dame zu Theil würde, ſollten
die Sorge für Geiſt, Seele und Leib über-
nehmen, beſonders für die Seele, weil die bei-
den andern ſich ſchon eher ſelbſt zu helfen
wuͤßten. Die humoriſtiſche Art, in welcher
der Redner, der ſich auf ſeine durch großes
Nachdenken ſich früh zugezogene Glatze berief,
dieſen ſeltfamen, durch ſeine Neuheit überraſchen-
den Vorſchlag vorbrachte, verſetzte die Geſell-
ſchaft in fo gute Laune, daß man um ſo lie-
ber darauf einging, al8 das Ganze nur ein
Verſuch fein ſollte, und man, falls derſelbe
ſich als ungehörig erwieſe, ſchon bei der näch-
ſten Verſammlung davon abgehen könne! Zum
Glück blieben diejenigen, welche die Trennung
weniger heiter aufgenommen haben würden,
diesmal zuſammen. Crespel gab die einzelnen
Zufallspaare unter gewiſſen feierlichen Eere-
monien zufammen und man trank auf ihre Ge-
fundheit. Die ungepaarten Herten ſorgten für
die möglichſte Erheiterung der Geſellſchaft; neue
artige Spiele wurden in Gang gebracht, in
einiger Ferne eine unerwaͤrtete Abendkoſt berei-
tet, und bei der Rückfahrt, dem hellen Mond-
ſchein zum Troß, die Jacht beleuchtet. Als
dieſe endlich ans Land ſtieß, rief Crespel das
wodurch die Trennung der durchs Loos zuſam-
men gekommenen Paare ausgeſprochen werden
follte! Jeder führte die Dame, welche ihn er-
loost hHatte, aus dem Schiffe heraus, wo er
ſie ihrem eigentlichen Herrn übergab und da-
gegen die ſeinige, wenn er eine ſolche beſaß,
wieder eintauſchte.
Der erſte Verſuch war ſo glücklich ausge-
fallen, daß dieſes Lotterieſpiel bei der nächſten
Verſammlung für den ganzen Sommer feſtge-
feßt murde, wo es denn ſehr viel zur Heiter-
Feit der Gefellfchaft DGeitrug. Crespel aber
verfehlte nicht, auch bei den folgenden Zuſam-
menfünften als Fapuzinermäßiger Redner die
Geſellſchaft zu ergötzen. So erwiederte er, als
man i{hm den Vorwurf machte, er habe bei
ſeiner früheren Rede das Beſte derſelben, den
Schluß, für ſich behalten, das Beſte einer
Rede fei die Ueberredung und mer nicht zu
überreden gedenke — denn mit der Ueherzeu-
gung ſei es eine mißliche Sache — müſſe gar
nicht reden, und da man ſich damit nicht zu-
frieden geben wollte führte er auf fratzenhafte
Weiſe, mit unpaſſenden Bibelſprüchen,
nicht zutreffenden Gleichniſſen und nichts er-
[äuternden Anfpielungen den Satz aus, daß
man, wolle maͤn in der Welt zu etwas kom-
men, ſeine Leidenſchaften, Neigungen, Borſatze,
Plane verbergen, beſonders aber in der Liehe
des tiefften Geheimniſſes ſich befleißigen müffe.
Wie mit dieſer Schilderung Gocthes ſeine wei-
lere Bemerkung zu vereinigen fei: dieſer Ge-
dauke ſchlang ſich durch das Ganze durch, ohne
daß eigentlich ein Wort davon wäre ausge-
ſprochen worden,“ wüßten wir nicht zu ſagen.
Der Nedner, der einen Satz ausführt, muß
diefen noch beſtimmt hinſtellen und gerade
darin ſcheint der Hauptfpaß des Redners be-
ſenden logiſchen Form bediente, aber ſo, daß
ſeine Beweiſe ſämmtlich auf Trugſchlüſſen oder
närriſchen Folgerungen beruhten. Will man
ſich einen Begriff von dieſem ſeltſamen Men⸗—
ſchen madhen,” fagt Goethe, „fo bedenke man,
daß er, mit viel Anlage geboren, ſeine Talente
und beſonders ſeinen Scharfſinn in Jeſuiten⸗—
ſchulen ausgebildet, und eine große Welt- und
Menſchenkenntniß/ aber nur von der ſchlimmen
Seite zuſanimengewonnen hatte! Er hätte mich
gern zum Proſelyten ſeiner Menſchenverachtung
gemacht; aber es wollte nicht bei mir Platz greifen,
denn ich hatte noch immer große Luſt, gut zu
ſein und andere gut zu finden. Indeſſen bin
ich durch ihn auf vieles aufmerkfam geworden.“
— Was über Crespels Menſchenverachtung
gefagt wird, dürfte nicht gegründet ſein, wenn
dieſer auch eine beſondere Neigung beſeſſen
haben mag, das Schiefe an den Dingen here
vorzuheben und zu belachen; ein kalter Men-
ſchenverachter hätte ſich unmöglich die Theil-
nahme von Goethe, ſeiner Mutter und dem
ganzen heitern Kreiſe erwerben können, welche
wir beſtens bezeugt finden; auch würde ein
ſolcher ſich nicht einer ſo fröhlichen, harmloſen
Geſellſchaft angeſchloſſen und ſich bei ihr in
der am wenigſten ernſtlich gedachten Rolle eines
Abraham a Santa Clara gefallen haben.
(Fortſetzung folgt)
Buntes.
Ein Parifer Leckerbiſſen, der mmer mehr in
Aufnahme fommt, find die Gartenſchnecken-
In verſchiedenen Departements gibt es Schnecken-
züchter, die lhre Kunſt eben fo weit gefördert wie
die alten Römer, unſere Muſter der Gaſtronomie.
Die Freiburger Capuciner haͤtten im ſechehnten
Jahrhandert die Lunſt, Schnecken zu ziehen und
zu mäſten, wiedergefunden, und dteſe Kunſt wird
in der Franche-Conité, in Lothringen und Burgund
noch jetzt mit dem beſten Exfolg betrieben. Monats
lich werden in Paris allein eine halbe Million
Schneden verzehrt, und zwar zu 2 Fr. 50. Cent
bi8 3 Fr. 50 Cent. das Hundert. Bet Dijon zieht
ein — 77 jährlich aus ſeiner Zucht 6—
T+ }
.. Der Eſfer Herald berichtet, Daß in P‚IaisSs
tow ein zwanzigjähriges Märdhen, MIg Mary
Simmong, wohne, die 6 Fuß 4 ZoU engl.
groß ſei. Ihre ausgeſtreckten Arme meſſen von
einem Ende zum anderen 81 Zoll, jeder Arnr 28
und der Mittelfinger 6 Zo0l, Ihrer Größe wegen
zeigt fich das ſonft hübfehe, frifche Madchen ſelten
Hffentlich. Seit vier Jahren iſt ſie ſo außerordent-
lich gewachſen. Ihr Liebhaber, der ſie auch ehe-
lichen wird, iſt der Niefe von Kent, Edward Eran-
fon, der erft neunzehn Jahre alt, 7 Fuß 6 Zoll
engl. mißtf. Er iſt Seiler ſeines Handwerks und
in Woolwich geboren. Seine Eltern find gewöhn-
licher Größe und feine Geſchwiſter faft Zwerge.
Die ſchwediſche Regierung hat einer engli-
ſchen Geſellſchaft die Coneeſſion zur Anlage einer
Eifenbahn zur Verbindang des Malar- und Wetz
ter - See’8 gegeben. Diefe Bahn wird haaptſäch
lich zum Eifen und Holz-Transporte gebraucht.
Der Staat garantirt fünf pEt. auf ein Capital
von ſechs und einer halben Million Thaler.
.. Man lieſt in einem betaiſchen Blatte, daß
ein Stationschef der Lütticher Eifenbahn Ddie färt-
ſchendſte Achulichkeit mit Louis Napoleon bat. AIS
SHr. Baze in LüttichH ankam, war er wie vom Bli«
ze getroͤffen und glaubie ſich von einem Geſpenſt
des 2. December verfolgt.
Der ehemalige Bürgermeifter von Ant w er
yen, Degrekle, ift nebſt feiner ganzen Familie
vom Paͤpſtẽ in den römiſchen Grafenſtand erhoben
worden.
.. Sn Canada ift die Trunkſucht zu Haufe,
Brauntwein-Brennereten, die zufammen 2,269,141
Gallonen Whisky producirten! Importirt wurden
außerbem an Wein und Spirituofeu 536,040 Gal-
fonen. Rechnet man davon die Ausfuhr ab, fo
confumirte die Colonie 2,797,877 SGallonen. Die
Erzeugung von Ale, Porter und Civer Canada iſt
gar nicht ſtatiſtiſch zu berechnen; importirt wurden
von diefen Leichteren Getränken im Jahre 1851
97,407 Gallonen.
‚. In Paris hat ſich eine SGefellichaft mit de-
dentendem Capitale gebildet, um eine @amvfer-
Linie zwifhen Havre und Rio Janeiro ing Leben
zu rufen. Die Schiffe follen in Lifabon, Maveira,
Sorea, Fernambirco, Bahia anlegen und mit dem
La Blata durch Hilfedampfer in Berbiudung gE-
feßt werden.
— unter Verantwortlichkeit von ©. —
Druck und Verlag von G. Re ich ard.
Merkwürdiger Sturz ·
Ein junger Mann aus Barcelona, Na-
mens Ros, war am 5, Sept! mit noch
mehreren Freunden auf den Montſerrat geſtie-
gen und bemerkte, als er die höchſte Felſen-
fpitze des ſo ſonderbar geſtalteten Berges er-
klettern wollte, daß eine dicke ſchwarze Wolke
über ihm hing! Ein Regen auf dem Mont-
ſerrat iſt nicht allein unangenehm, fondern
kann auch den Bergbeſuchenden fogar gefähr⸗—
lich werden. Die Freunde beeilen ſich daher
mit dem Hinabſteigen.! Sie haben aber kaum
20 Schritte zurückgelegt, da gleitet der junge
Mann aus und ſtürzte einen jähen, 330 Fuß
hohen Felſen hinab, der ſich oberhalb der Klo-
ſter-Ciſterne gen Himmel erhebt. Er iſt noch
keine 30 Fuß hinabgeſtürzt, da bleibt ſein Fuß
auf einem ungefähr eine Spanne langen her-
vorragenden Felsſtücke ſtehen. Mit den Hän-
den ergreift er gleichzeitig andere Steine, an
die er ſich feſt klammert. In dieſer Lage. er-
hebt er ein klägliches Geſchrei! das ein Hirt
des Kloſters, der gerade Waſſer aus der Ei-
ſterne ſchöpft, vernimmt. Die Mönche eilen
herbei und mit ihnen einige Zimmerleute aus
Moniftrol. Dieſe unternehmen e8, den jungen
Mann zu reiten. Mit der groͤßten Lebensge-
fahr ſchleudern ſie ihm das eine Ende des be-
kannten langen Kloſterſeiles zu, wickeln dann
das Seil um einen Baum. Einer von ihnen
bindet ſich das andere Ende um und wird von
ſetnen Gefährten und den Mönchen laugſam
vom Felfen hinabgelaſſen. Der Unglückliche
wirft ſich mit der letzten Kraftanſtrengung fet-
nem Retter in die Arme, und Beide gelangen
glücklich bei der Ciſterne an. Der junge Mann,
Sohn eines achtbaren und reichen Kaufmannes,
begab ſich zuerſt in die Kirche, wo die Mönche
ein Tedeum für feine Rettung anftimmten, und
eilte dann mit den Rettern nach Hauſe, wo
ihnen vom Vater, auf Verlangen des Sohnes,
eine lebenstaͤngliche Penſton von 4 Realen (8
Sgr.) täglich verſprochen wurde.
Anna Sibylla Münch.
Ein Frauenbild aus Göthe's Jugendzeit.
(Fortfeßung.)
Die Gefellſchaft verfammelte ſich wöchentlich
an einem beſtimmten Tage, waͤhrſcheinlich am
Freitage ,*) an demfelben Tage, an welchem
im Winter die Concerte ſtattfanden, zu Aus-
flügen und Luſtfahrten; beſonders beliebt waren
Mafferfahrten, wie Goethe eine ſolche auch im
„Wilhelm Meiſter! (Bo. 16, 136 ff) beſchreibi,
Lielleicht in beſonderer Erinnerung jener fro-
hen Geſellſchaft; ſelbſt das dort dargeſtellte
Kombdienſpiel dürfte wirklich in ähnlicher Art
ausgeführt worden ſein, und man könnte in
dem Landgeiſtlichen ein Bild von Dumeix ſe-
hen! Man vergleiche auch die Beſchreibung
der Waſferfahrt in den /Wahlverwandſchaften“
(Bod 15, 248 ff.). Bei einem Ausfluge dieſer
Art, als die Geſellſchaft nach einer ſehr glän-
zenden Waſſerfahrt und einem anmuthigen Spa-
ziergang zwijden ſchattigen Hügeln gelagert,
im Grafe oder auf bemoosten Felſen und
Baumwurzeln ſitzend — ſo beſchreibt Goethe
den Ort — froh und heiter ein ländliches
Mabhl verzehrte, gebot der humoriſtiſche Rath
Crespel mit ſchaͤlkhafter Würde, man möge
ſich in einen großen Halbkreis nieherſetzen, vor
welchen er daͤnn hintrat, und in launigem
Tone, nicht ohne Nachahmung der ſcheltenden
*) Den Freitag nennt Goethe Band 22, 264
augdrücklich ais Tag, an welchen im Jahr 1774
die Gefeliſchaften ftattfanden. Auch in Weimar
gab Goethe Freitags - Gefelichaften.
Kapuzinerprebigten, eine wohlausgeführte Rede
hielt, in welcher er mit emphaͤtiſcher Klage
auf den Uebelſtand hingewieſen, daß in ihrer
Geſellſchaft biejenigen, welche die Geliebten in
ihrer Mitte hätten, ſich an dieſe anſchlöſſen,
wodurch die andern, denen ein ſolches Glück
nicht beſchieden wäre, ſich immer und ewig un-
gepaart fähen, mit dem Vortrag einer Paarungs-
lotterie hervortrat. Die Namen der Herren
follten in einen Beutel gethan werden und die
Damen ſich ihr Loos ziehen, wenn ſte in der
Verſammlung bis zur nächſten Looſung als
ihren begünſtigten Diener anzuerkennen ſich
verpflichtet hielten; — diejenigen Herren aber,
deren Namen im Beutel zurückblieben und denen
demnach keine Dame zu Theil würde, ſollten
die Sorge für Geiſt, Seele und Leib über-
nehmen, beſonders für die Seele, weil die bei-
den andern ſich ſchon eher ſelbſt zu helfen
wuͤßten. Die humoriſtiſche Art, in welcher
der Redner, der ſich auf ſeine durch großes
Nachdenken ſich früh zugezogene Glatze berief,
dieſen ſeltfamen, durch ſeine Neuheit überraſchen-
den Vorſchlag vorbrachte, verſetzte die Geſell-
ſchaft in fo gute Laune, daß man um ſo lie-
ber darauf einging, al8 das Ganze nur ein
Verſuch fein ſollte, und man, falls derſelbe
ſich als ungehörig erwieſe, ſchon bei der näch-
ſten Verſammlung davon abgehen könne! Zum
Glück blieben diejenigen, welche die Trennung
weniger heiter aufgenommen haben würden,
diesmal zuſammen. Crespel gab die einzelnen
Zufallspaare unter gewiſſen feierlichen Eere-
monien zufammen und man trank auf ihre Ge-
fundheit. Die ungepaarten Herten ſorgten für
die möglichſte Erheiterung der Geſellſchaft; neue
artige Spiele wurden in Gang gebracht, in
einiger Ferne eine unerwaͤrtete Abendkoſt berei-
tet, und bei der Rückfahrt, dem hellen Mond-
ſchein zum Troß, die Jacht beleuchtet. Als
dieſe endlich ans Land ſtieß, rief Crespel das
wodurch die Trennung der durchs Loos zuſam-
men gekommenen Paare ausgeſprochen werden
follte! Jeder führte die Dame, welche ihn er-
loost hHatte, aus dem Schiffe heraus, wo er
ſie ihrem eigentlichen Herrn übergab und da-
gegen die ſeinige, wenn er eine ſolche beſaß,
wieder eintauſchte.
Der erſte Verſuch war ſo glücklich ausge-
fallen, daß dieſes Lotterieſpiel bei der nächſten
Verſammlung für den ganzen Sommer feſtge-
feßt murde, wo es denn ſehr viel zur Heiter-
Feit der Gefellfchaft DGeitrug. Crespel aber
verfehlte nicht, auch bei den folgenden Zuſam-
menfünften als Fapuzinermäßiger Redner die
Geſellſchaft zu ergötzen. So erwiederte er, als
man i{hm den Vorwurf machte, er habe bei
ſeiner früheren Rede das Beſte derſelben, den
Schluß, für ſich behalten, das Beſte einer
Rede fei die Ueberredung und mer nicht zu
überreden gedenke — denn mit der Ueherzeu-
gung ſei es eine mißliche Sache — müſſe gar
nicht reden, und da man ſich damit nicht zu-
frieden geben wollte führte er auf fratzenhafte
Weiſe, mit unpaſſenden Bibelſprüchen,
nicht zutreffenden Gleichniſſen und nichts er-
[äuternden Anfpielungen den Satz aus, daß
man, wolle maͤn in der Welt zu etwas kom-
men, ſeine Leidenſchaften, Neigungen, Borſatze,
Plane verbergen, beſonders aber in der Liehe
des tiefften Geheimniſſes ſich befleißigen müffe.
Wie mit dieſer Schilderung Gocthes ſeine wei-
lere Bemerkung zu vereinigen fei: dieſer Ge-
dauke ſchlang ſich durch das Ganze durch, ohne
daß eigentlich ein Wort davon wäre ausge-
ſprochen worden,“ wüßten wir nicht zu ſagen.
Der Nedner, der einen Satz ausführt, muß
diefen noch beſtimmt hinſtellen und gerade
darin ſcheint der Hauptfpaß des Redners be-
ſenden logiſchen Form bediente, aber ſo, daß
ſeine Beweiſe ſämmtlich auf Trugſchlüſſen oder
närriſchen Folgerungen beruhten. Will man
ſich einen Begriff von dieſem ſeltſamen Men⸗—
ſchen madhen,” fagt Goethe, „fo bedenke man,
daß er, mit viel Anlage geboren, ſeine Talente
und beſonders ſeinen Scharfſinn in Jeſuiten⸗—
ſchulen ausgebildet, und eine große Welt- und
Menſchenkenntniß/ aber nur von der ſchlimmen
Seite zuſanimengewonnen hatte! Er hätte mich
gern zum Proſelyten ſeiner Menſchenverachtung
gemacht; aber es wollte nicht bei mir Platz greifen,
denn ich hatte noch immer große Luſt, gut zu
ſein und andere gut zu finden. Indeſſen bin
ich durch ihn auf vieles aufmerkfam geworden.“
— Was über Crespels Menſchenverachtung
gefagt wird, dürfte nicht gegründet ſein, wenn
dieſer auch eine beſondere Neigung beſeſſen
haben mag, das Schiefe an den Dingen here
vorzuheben und zu belachen; ein kalter Men-
ſchenverachter hätte ſich unmöglich die Theil-
nahme von Goethe, ſeiner Mutter und dem
ganzen heitern Kreiſe erwerben können, welche
wir beſtens bezeugt finden; auch würde ein
ſolcher ſich nicht einer ſo fröhlichen, harmloſen
Geſellſchaft angeſchloſſen und ſich bei ihr in
der am wenigſten ernſtlich gedachten Rolle eines
Abraham a Santa Clara gefallen haben.
(Fortſetzung folgt)
Buntes.
Ein Parifer Leckerbiſſen, der mmer mehr in
Aufnahme fommt, find die Gartenſchnecken-
In verſchiedenen Departements gibt es Schnecken-
züchter, die lhre Kunſt eben fo weit gefördert wie
die alten Römer, unſere Muſter der Gaſtronomie.
Die Freiburger Capuciner haͤtten im ſechehnten
Jahrhandert die Lunſt, Schnecken zu ziehen und
zu mäſten, wiedergefunden, und dteſe Kunſt wird
in der Franche-Conité, in Lothringen und Burgund
noch jetzt mit dem beſten Exfolg betrieben. Monats
lich werden in Paris allein eine halbe Million
Schneden verzehrt, und zwar zu 2 Fr. 50. Cent
bi8 3 Fr. 50 Cent. das Hundert. Bet Dijon zieht
ein — 77 jährlich aus ſeiner Zucht 6—
T+ }
.. Der Eſfer Herald berichtet, Daß in P‚IaisSs
tow ein zwanzigjähriges Märdhen, MIg Mary
Simmong, wohne, die 6 Fuß 4 ZoU engl.
groß ſei. Ihre ausgeſtreckten Arme meſſen von
einem Ende zum anderen 81 Zoll, jeder Arnr 28
und der Mittelfinger 6 Zo0l, Ihrer Größe wegen
zeigt fich das ſonft hübfehe, frifche Madchen ſelten
Hffentlich. Seit vier Jahren iſt ſie ſo außerordent-
lich gewachſen. Ihr Liebhaber, der ſie auch ehe-
lichen wird, iſt der Niefe von Kent, Edward Eran-
fon, der erft neunzehn Jahre alt, 7 Fuß 6 Zoll
engl. mißtf. Er iſt Seiler ſeines Handwerks und
in Woolwich geboren. Seine Eltern find gewöhn-
licher Größe und feine Geſchwiſter faft Zwerge.
Die ſchwediſche Regierung hat einer engli-
ſchen Geſellſchaft die Coneeſſion zur Anlage einer
Eifenbahn zur Verbindang des Malar- und Wetz
ter - See’8 gegeben. Diefe Bahn wird haaptſäch
lich zum Eifen und Holz-Transporte gebraucht.
Der Staat garantirt fünf pEt. auf ein Capital
von ſechs und einer halben Million Thaler.
.. Man lieſt in einem betaiſchen Blatte, daß
ein Stationschef der Lütticher Eifenbahn Ddie färt-
ſchendſte Achulichkeit mit Louis Napoleon bat. AIS
SHr. Baze in LüttichH ankam, war er wie vom Bli«
ze getroͤffen und glaubie ſich von einem Geſpenſt
des 2. December verfolgt.
Der ehemalige Bürgermeifter von Ant w er
yen, Degrekle, ift nebſt feiner ganzen Familie
vom Paͤpſtẽ in den römiſchen Grafenſtand erhoben
worden.
.. Sn Canada ift die Trunkſucht zu Haufe,
Brauntwein-Brennereten, die zufammen 2,269,141
Gallonen Whisky producirten! Importirt wurden
außerbem an Wein und Spirituofeu 536,040 Gal-
fonen. Rechnet man davon die Ausfuhr ab, fo
confumirte die Colonie 2,797,877 SGallonen. Die
Erzeugung von Ale, Porter und Civer Canada iſt
gar nicht ſtatiſtiſch zu berechnen; importirt wurden
von diefen Leichteren Getränken im Jahre 1851
97,407 Gallonen.
‚. In Paris hat ſich eine SGefellichaft mit de-
dentendem Capitale gebildet, um eine @amvfer-
Linie zwifhen Havre und Rio Janeiro ing Leben
zu rufen. Die Schiffe follen in Lifabon, Maveira,
Sorea, Fernambirco, Bahia anlegen und mit dem
La Blata durch Hilfedampfer in Berbiudung gE-
feßt werden.
— unter Verantwortlichkeit von ©. —
Druck und Verlag von G. Re ich ard.